Wohnungseinbrüche:"Was sollen die schon bei mir holen?"

Wie die Polizei beim Einbruchschutz hilft

Jeder 12. Einbrecher kommt zur Tür herein. Gemeinsam mit dem Hausbesitzer geht Kriminalhauptkommisssar Ralph Müller (links) durch das Gebäude und weist auf Schwachstellen hin.

(Foto: Daniel Maurer/dpa)

Viele denken, sie bleiben von Dieben verschont - oft ein folgenschwerer Irrtum. Doch was tun? Auf Tour mit einem Kriminalkommissar.

Von Simone A. Mayer/dpa

Ralph Müller rüttelt kräftig mit beiden Händen an der schweren, verglasten Haustür. Sie bleibt zu. Kritisch inspiziert der Kriminalhauptkommissar das Türschloss. Für den Experten ein erster Schwachpunkt. Denn Einbrecher ziehen die Haustür dem Fenster als Einstiegsmöglichkeit in ein Haus oft vor. Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen lassen ihre Haustür beim Verlassen nur ins Schloss fallen. Solche Nachlässigkeiten erleichtern Einbrechern den Job ungemein. "Einbrecher suchen sich Haushalte aus, in die sie schnell und einfach reinkommen", sagt Müller. Er ist seit Jahren Berater für Einbruchschutz im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West, dessen Zuständigkeit von Neu-Ulm an Bayerns Grenze zu Baden-Württemberg bis ins Allgäu reicht. Etwa 200 Haushalte besucht Müller im Jahr in seinem Gebiet, ein Service, den die Polizeibehörden kostenfrei im ganzen Bundesgebiet anbieten.

Oft sind es die Opfer eines Einbruchs, die seine Beratung wollen. Oder Menschen, die von Einbrüchen in der Nachbarschaft gehört haben und jetzt die Schwachstellen ihres Hauses kennen möchten. Jeder Besuch folgt dem gleichen Muster: Der Kriminalkommissar geht das ganze Haus und den Garten ab, schaut sich jedes Fenster und jede Tür an.

"Jeder Achte denkt nach einem Einbruch über einen Umzug nach."

Ortstermin in einem Dorf nahe Günzburg. Das Haus, das der Polizist besucht, liegt nahe einer Autobahn. Das heißt, es hat eine gute Anbindung, was Einbrecher Studien zufolge schätzen. Die gut gepflegte Doppelhaushälfte stammt von 1985. Müller fällt sofort die Terrassentür ins Auge - ein "super Oldtimer", sagt er. Das Hartholz sei nicht kaputt zu bekommen, sie schließt noch immer einwandfrei. "Doch wie auch bei einem Auto aus den 80ern ist heute nicht mehr alles auf dem Stand der aktuellen Sicherheitstechnik", urteilt der Fachmann. "Der Opel Kadett D hat ja serienmäßig auch keine Airbags." Immerhin: Die Besitzer haben bereits einen zusätzlichen Riegel, ein Doppelflügelschloss, auf den Rahmen gesetzt. "Das hält eine Tonne Last aus - gut", so das Fazit des Experten.

Doch der Kommissar ist nicht nur für den Gebäudeschutz hier. Er will auch deutlich machen, warum die Maßnahmen sinnvoll sind. Fragen wie: "Was sollen die denn bei mir holen?" hört er immer wieder. Und ältere Beratungskunden sagen gern: "Was wollen Diebe denn bei einer alten Frau wie mir?" Das bestätigt eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Nur 40 Prozent der Befragten meinen, persönlich von einem Einbruch betroffen sein zu können. Jeder Zweite sagt sich: "Bei mir ist nichts zu holen". 29 Prozent fühlen sich sicher, weil sie in einer beschaulichen Gegend wohnen. Aber gestohlen wird überall - laut Studien vornehmlich Schmuck und Bargeld.

Und der Fernseher? Das Notebook, das Tablet? Neue Elektrogeräte verlieren schnell an Wert. Statistiken zufolge werden zwar Smartphones und Tablets entwendet, doch beides sei Tätern zu gefährlich geworden, sagt Müller. Deren gute Sicherheitsfunktionen helfen der Polizei sogar bei der Suche. "Das ist natürlich auch in Täterkreisen bekannt. Geklaut wird daher, was klein, leicht und von Wert ist." Gespräche zu Fragen wie diesen folgt in der Regel ein "Gärungsprozess", wie Müller es nennt. Anfangs hinterfragen seine Kunden all seine Hinweise. Und dann hinterfragen sie, warum sie Hunderte von Euro investieren sollten, wenn nur ein bisschen Bargeld geklaut werde.

Ja, warum eigentlich? Zum einen ist da der Schaden an der aufgebrochenen Tür und an dem ausgehebelten Fenster. Das kann ins Geld gehen. Laut einer GDV-Statistik beträgt der Schaden im Durchschnitt 3250 Euro pro Fall, in der offiziellen Kriminalitätsstatistik 2016 haben die Fälle mit Schäden von 500 bis 2500 Euro den höchsten Anteil (35 Prozent). Zum anderen hat jeder Einbruch eine psychologische Ebene - wie mag es einem ergehen, wenn ein Fremder auf der Suche nach Bargeld durch die Kisten mit privaten Erinnerungen geht? Wenn unter den Schmuckstücken, die geklaut werden, die Lieblingskette der verstorbenen Mutter ist? Einbrecher verletzen die Intimsphäre. Das Gefühl, ein behütetes Zuhause zu haben, kann verloren gehen. "Fühlte man sich vor dem Einbruch in den eigenen vier Wänden noch sicher, ist dies nach dem Einbruch oft nicht mehr der Fall", erläutert Carola Wacker-Meister vom Opferschutzverband Weisser Ring in Mainz. Opfer leiden oft unter Angstzuständen, Schlaflosigkeit oder Gereiztheit. "15 bis 20 Prozent aller Einbruchsopfer müssen mit langfristigen psychosomatischen Belastungen kämpfen", sagt die Expertin. "Und jeder Achte denkt nach einem Einbruch sogar über einen Umzug nach, weil er sich zu Hause nicht mehr sicher fühlt."

Müller spricht oft vom "Sicherheitsgefühl" in seiner Beratung. Dieses Gefühl kann jeder selber stärken, durch Maßnahmen am eigenen Haus. So wie die Besitzer des Hauses in Günzburg. Schon vor Müllers Besuch tauschte das Ehepaar einen kaputten Türgriff im Kellereingang bewusst gegen einen sichereren Beschlag mit Zieh- und Bohrschutz aus. Das Türblatt ist aus Stahl und entsprechend schwer zu halten, nicht zu durchbrechen. Doch was auf den ersten Blick stabil und sicher erscheint, fällt bei Müller durch. Der Kriminalkommissar rüttelt fest an der Tür und sagt: "Das hält nur an den zwei kleinen Klötzchen." Denn das Schloss der Brandschutztür ist eine sogenannte Vampirschließung. Hier wird die Falle, die bei geschlossener Tür ins Gegenstück ragt, nur von zwei Sicherheitszapfen umfasst. Auch die Scharniere sind aus Sicht von Müller Schwachpunkte der schweren Metalltür. "Zum Rausschmeißen zu schade, aber ein Sicherheitsmanko", lautet sein Fazit. Zumal die Tür an einem ummauerten Kellerabgang liegt, in dem ein Einbrecher alle Zeit der Welt hat, unbeobachtet die Tür zu öffnen. Der Rat des Fachmanns: "Ein John-Wayne-Riegel wie in den alten Western", der innen quer über das ganze Türblatt gelegt werden kann. Die Tür lässt sich dann von außen nicht mehr öffnen. Nicht mal für starke Hollywood-Helden. "Klar, wenn Sie mit Bierkästen vom Einkaufen kommen, müssen sie die halt erst abstellen, über die Haustür reingehen und die Tür von innen öffnen", erläutert Müller den Hausbesitzern. "Aber das wäre mir die Sicherheit wert."

Nach der Toilettenbenutzung wird das Fenster geöffnet. Und das Schließen dann vergessen

Müller versucht, bei seiner Beratung immer den Lebensalltag seiner Kunden im Blick zu behalten. Denn bei aller Absicherung: Wer schließt schon all die Schlösser und Riegel ab, wenn sie einen im Alltag nur behindern? Auch berät er neutral, macht nicht Werbung für einzelne Hersteller. Auf Wunsch übergibt er eine Adressenliste mit Händlern und Handwerkern in der Region, die mit zertifizierten Produkten arbeiten.

Schwachstelle Gästetoilette. Das Fenster mit Rundbogen wirkt zu klein für den Einstieg eines erwachsenen Mannes. Doch hebelt man es komplett aus, ist das kein Problem, sagt Müller. Dazu sind Rundbögen in der Regel nicht komplett mit Zapfen abgesichert, die Scharniere reichen meist nur bis zum Beginn der Rundung. Was tun?, fragt der Hausherr. Nachrüstbare Scharniere am Rundbogen wären eine Spezialanfertigung eines Schreiners und entsprechend teuer. Auch empfiehlt der Kriminalbeamte hier nicht wie an anderen Fenstern extra Riegel. "Ich rate in Vorratskammer, Bad und Klo eigentlich immer zur Vergitterung der Fenster." Der Grund ist wieder die Alltagstauglichkeit: "Weil ich als vorbildlicher Klo-Benutzer hier immer das Fenster aufmache." Und dann wird es vergessen beim Verlassen des Hauses.

Die Hausbesitzerin blickt skeptisch. Gitter vor dem Fenster? Wie sieht das denn aus? Müller aber antwortet schneller, als sie die Frage aussprechen könnte: "Ich meine nicht solche Gitter, wie wir sie in Gefängnissen verbauen. Es gibt schönere Modelle." Er erntet einen Lacher. Trotzdem: Nach etwas Bedenkzeit entscheidet sie sich für einen abschließbaren Riegel am inneren Fensterrahmen. Ein Fort Knox soll das Zuhause dann doch nicht werden.

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