Wohngeld:Mehr Hilfe, mehr Mieter

Kinderarmut in Deutschland

Nach sieben Jahren Stillstand gibt es vom kommenden Jahr an viele Änderungen beim Wohngeld. Von den neuen Regeln profitieren besonders Mieter, die in teuren Städten wie Hamburg wohnen.

(Foto: Hans Peter Stiebing/epd)

Vom 1. Januar an gelten neue Regeln. Dann haben wesentlich mehr Menschen einen Anspruch auf die Hilfe. Auch die durchschnittliche Höhe der Leistung steigt deutlich.

Von Simone Gröneweg

Wohnen hat seinen Preis. Und der steigt. Vor allem in den Ballungszentren haben die Mieten Höhen erreicht, die Menschen mit schmalem Salär mitunter an die Armutsgrenze und in die Verzweiflung treiben. Ist das Geld für die Wohnung überwiesen, bleibt oft nur noch wenig übrig. Am 1. Januar 2016 tritt darum die Wohngeldreform in Kraft. Damit steigt die Anzahl der anspruchsberechtigten Haushalte. Auch die Höhe des Wohngeldes steigt.

Was ist das Wohngeld?

Wohngeld ist ein Zuschuss für Haushalte mit geringem Einkommen, die aber über dem Existenzminimum liegen. Anspruch haben sowohl Mieter als Eigentümer. Bund und Ländern kostet das Wohngeld in diesem Jahr 845 Millionen Euro. Im kommenden Jahr rechnet das Bauministerium mit Kosten von 1,43 Milliarden Euro.

Wer bekommt es?

Etwa 600 000 Haushalte erhalten in Deutschland derzeit Wohngeld. Ein Zweipersonenhaushalt bekommt im Durchschnitt etwa 115 Euro pro Wohnung, künftig sollen es 186 Euro sein. Berechtigt sind alle Personen, die Wohnraum gemietet haben. Ebenfalls Anspruch haben Eigentümer, die ihre Immobilie selbst nutzen: "Erfüllen sie die Voraussetzungen, erhalten sie das Wohngeld als sogenannten Lastenzuschuss", erklärt Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes (DMB) in Berlin. Wichtigste Voraussetzung für die Finanzspritze vom Staat: Das gemeinsame monatliche Gesamteinkommen aller Haushaltsmitglieder muss unterhalb bestimmter Höchstbeträge liegen. Mit der Reform werden die Höchstgrenzen für das Einkommen angehoben. Dadurch sind mehr Haushalte wohngeldberechtigt. Als Maßgabe bei der Berechnung gilt das monatliche Durchschnittseinkommen, inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld. Kindergeld zählt nicht zum Einkommen. Nicht wohngeldberechtigt sind Personen, die staatliche Sozialleistungen beziehen. Dazu gehört etwa die Grundsicherung oder das Arbeitslosengeld II.

Warum kommt die Reform?

Die letzte Wohngeldreform gab es 2009. "Das Wohngeld ist sechs Jahre lang nicht erhöht worden", begründet Bundesbauministerin Barbara Hendricks die Reform. Gleichzeitig sind die Mieten und Kaufpreise für Immobilien in vielen Großstädten kräftig gestiegen. Für Einzelne hat das verheerende Folgen. Da sie mit ihrem Verdienst gerade mal die Miete zahlen können, sind sie auf Zuschüsse aus der Grundsicherung angewiesen. Das möchte der Staat mit der Reform verhindern.

Wie wird es berechnet?

Ob man Wohngeld bekommt und wie hoch es ist, hängt von drei Größen ab. Maßgeblich sind: die Höhe des Gesamteinkommens des Haushalts, die Anzahl der Haushaltsmitglieder und die Höhe der Miete beziehungsweise der monatlichen Belastung bei Eigentümern. Grundsätzlich gilt: Je niedriger das Einkommen und desto höher die gezahlte Miete, desto höher ist der Zuschuss. Bei der Berechnung des Wohngelds wird die Miete nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag berücksichtigt. "Die tatsächlichen Wohnkosten berücksichtigen die Ämter nur in voller Höhe, wenn sie nicht die gesetzlich vorgegebenen Höchstbeträge überschreiten", erklärt Ropertz. Die Höchstgrenze für die Berechnung hängt vom Wohnort ab. Da sich die Wohnkosten in Deutschland stark unterscheiden, gibt es eine regionale Differenzierung. Die Städte und Gemeinden in Deutschland sind in sechs sogenannte Mietstufen eingeteilt. Großstädte wie München und Hamburg rangieren ganz oben, sie gehören zur sechsten und damit zur höchsten Kategorie. Berechnungsgrundlage ist die Miete inklusiver der kalten Nebenkosten. Die Höchstgrenzen werden zum neuen Jahr deutlich angehoben. Weil damit bei der Berechnung höhere Belastungen berücksichtigt werden, steigt die Höhe des Wohngeldes. Vor allem die Grenzen in den angespannten Wohnungsmärkten sind von 2016 an deutlich höher. So liegt bei der Berechnung des Wohngeldes die Mietenhöchstgrenze für eine fünfköpfige Familie in München dann bei 1004 Euro (vormals 787 Euro), in Diepholz dagegen bei 600 Euro (vorher 561 Euro). Im Internet gibt es Online-Wohngeldrechner, die unverbindlich das Wohngeld errechnen. Der tatsächliche Anspruch lässt sich allerdings nur mit einem schriftlichen Antrag ermitteln. Das Bundesbauministerium hat zur Orientierung einige Rechenbeispiele und Tabellen auf seiner Internetseite veröffentlicht (siehe Beitext).

Wer profitiert von der Erhöhung?

"Die Erhöhung des Wohngelds war angesichts gestiegener Miet- und Heizkosten längst überfällig", kommentierte Präsidentin Ulrike Mascher vom Sozialverband VdK die Reform. Für Menschen mit geringem Einkommen, die keine Grundsicherung bekommen, sei es eine der wenigen Möglichkeiten, ihre Ausgaben für das Wohnen abzufedern. Etwa 870 000 Haushalte sind Nutznießer der Reform. Sie erhalten entweder mehr Geld oder gelangen zum ersten Mal in den Genuss dieser Förderung. So wurden unter anderem die Freibeträge für Alleinerziehende und Kinder mit eigenen Einkommen angehoben. Besser ist die Lage auch für Mieter in einigen Großstädten, denn ihre Wohnorte rutschen in höhere Mietenstufen. Das trifft zum Beispiel auf Städte wie Hamburg, Düsseldorf, Freiburg, Köln und Mainz zu. In diesen Städten werden viele Mieter erstmals einen Anspruch auf Wohngeld haben. "Jeder, dessen Einkommen die Grundsicherung knapp überschreitet, sollte einen Antrag stellen", rät Ropertz.

Wie beantragt man Wohngeld?

Antragsformulare gibt es bei der örtlichen Wohngeldbehörde. Oft bieten die Internetseiten der Städte und Gemeinden nähere Informationen dazu. Wer die Voraussetzungen erfülle, habe auf Wohngeld genauso Anspruch wie auf Kindergeld oder eine Steuerrückzahlung, betont Ropertz. Wohngeld gibt es von dem Monat an, in dem der Antrag gestellt wurde. Wer schon Wohngeld bekommt, kann abwarten. Dank einer Übergangsregelung erhalten fast alle derzeitigen Empfängerhaushalte automatisch das höhere Wohngeld. Erst wenn der bisherige Bewilligungszeitraum abgelaufen ist, müssen die Betroffenen einen neuen Antrag stellen.

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