Wohnen um München:Oberammergau

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Zugegeben, der Begriff ist ausgeleiert. Aber man kommt nicht umhin, Oberammergau als idyllisch zu bezeichnen: viel Bauernhaus-Architektur, viel Lüftlmalerei, viel Geranienpracht.

Viola Schenz

Es geht nicht anders, man muss Oberammergau als idyllisch bezeichnen: Viel Bauernhaus-Architektur, viel Lüftlmalerei, viel Geranienpracht an wuchtigen Holzbalkonen, verwinkelte Sträßchen, die sich um Trachtenmoden- und Herrgottsschnitzerläden winden.

Nicht selten hat sich ein Benediktiner-Pater aus dem fünf Kilometer entfernten Kloster Ettal auf einer Cafe-Terrasse niedergelassen und verleiht dem Treiben etwas Besinnliches, ein wenig weiter plätschert die Ammer.

Bausünden und anderes ästhetisch Störendes - Kläranlage, Rheumaklinik, Nato-Schule - wurden von vorneherein an den Ortsrand gedrängt, Super- und Drogeriemärkte gut in die Dorfarchitektur integriert, so dass O'gau von dem beherrscht wird, womit man es assoziiert: dem Kofel und dem Passionstheater, mit 4814 Sitzplätzen eine der größten Freilichtbühnen weltweit.

Alle zehn Jahre versetzt "der Passion", wie der Oberammergauer sagt, die 5300 Einwohner und die vielen Hotels und Restaurants in einen straff durchorganisierten Ausnahmezustand. Eine halbe Million Festspiel-Besucher wollen dann zwischen Mai und September möglichst reibungslos beherbergt und bewirtet sein.

Wer nun aber glaubt, Oberammergau falle in den neun passionsspiellosen Jahren in einen Dornröschenschlaf, der irrt. Idylle zieht an, die Hotels verbuchen mehr als 300.000 Übernachtungen pro Jahr. Bevorzugt am Wochenende natürlich strömen die Besucher in das Örtchen (von manchen heißt es, sie kämen auch wegen der Eiscreme im "Cafe Paradiso").

An solchen Wochenenden werden die Oberammergauer Verkehrsadern, die Bahnhof- und die Dorfstraße zum Stachus. Eine Blechlawine quält sich durch die Beschaulichkeit. Die 1989 fertig gestellte Umgehungsstraße benutzen dann nur die, die schnell nach Unterammergau wollen. Dort schaut man manchmal ein bisserl neidisch die vier Kilometer flussaufwärts zu den Passions- und Selbstvermarktungserfolgen der Nachbarn.

Die Oberammergauer Anziehungskraft schlägt sich natürlich auf die Bodenpreise nieder. 350 Euro kostet der Quadratmeter Bauland, heißt es in der Gemeindeverwaltung. Für eine "ordentliche Lage" schätzt man dort den Quadratmeterpreis auf 9 bis 10 Euro, im Kreisboten schlagen die Mieten zwischen 6,6 und 8 Euro zu Buche.

Die Zeiten, in denen Gäste sich zwei, drei Wochen zur Sommerfrische unterm Kofel einquartierten, sind freilich - nicht nur in Oberammergau - lange vorbei. Leider merkt man es auch so manchem gastronomischen Betrieb und seinem Preis-Leistungs-Verhältnis an, der sich schon lange nicht mehr auf einheimische oder fremde Stammgäste einstellt, sondern auf die mehrheitlichen Kurz-Besucher und Tagesausflügler.

Sie machen "Oh" vor den Lüftlmalereien am Pilatushaus und "Ah" beim Blick hinter die Kulissen der Festspielbühne. Oberammergau - das ist Bayern aus dem Bilderbuch. Hier wurde unlängst darüber gestritten, ob ein gerade eröffnetes chinesisches Restaurant zwei goldfarbene Löwen vor den Eingang stellen darf. Der Hinweis, dass die beiden dem bayerischen Wappenlöwen nicht unähnlich sind, hat die Gemüter schließlich beruhigt und die Löwen vor der Verbannung gerettet.

Los ist hier eigentlich immer was. Wen es also der Stille wegen nach Oberammergau zieht, sollte sich an einem sonnigen Wochenende zum Wandern, Kraxeln, Gleitschirmfliegen, Radeln, Rollerbladen, Sommerrodeln in die umliegenden Täler und Berge flüchten, von denen es reichlich gibt. Oder man schaut neidisch die vier Kilometer flussabwärts, nach Unterammergau, wegen der idyllischen Ruhe dort.

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