Wohnen:Stufen als Hindernis

Wohnen: In großen Mietshäusern können die Bewohner meist zwischen Treppensteigen und Aufzugfahren wählen. In der eigenen Immobilie tun sich ältere oder kranke Menschen dagegen oft schwer, in obere Etagen zu gelangen. Viele denken dann über den Einbau eines Lifts oder einen Umzug nach.

In großen Mietshäusern können die Bewohner meist zwischen Treppensteigen und Aufzugfahren wählen. In der eigenen Immobilie tun sich ältere oder kranke Menschen dagegen oft schwer, in obere Etagen zu gelangen. Viele denken dann über den Einbau eines Lifts oder einen Umzug nach.

(Foto: imago stock&people)

Im Alter oder bei Krankheit sind Treppen oft beschwerlich oder werden sogar eine unüberwindbare Barriere. Ein Lift hilft - aber man kann auch sonst einiges tun.

Von Stephanie Hoenig

Ein Unfall, eine Operation, Arthrose, Schlaganfall, Seh- oder Altersschwäche: All das kann Stufen zum Hindernis machen. Was tun, einen Treppenlift einbauen? Das ist eine Möglichkeit. Oft helfen aber auch Physiotherapien, ein zweites Geländer, bessere Beleuchtung oder rutschfeste Beläge, um die Treppe wieder sicher begehen zu können.

Treppensteigen erfordert Kraft und Balance, was Menschen mit geschwächter Muskulatur fehlt. "Um diese wieder aufzubauen, sollten Betroffene sich Physiotherapie verschreiben lassen", rät Karin Dieckmann vom Hamburger Verein Barrierefrei Leben, der über Hilfsmittel, Wohnraumanpassung und barrierefreies Bauen berät. Mit Hilfe eines Therapeuten können Muskeln trainiert und das Treppengehen gezielt geübt werden, außerdem beuge das Training weiterem Muskelabbau vor.

Die meisten Unfälle passieren auf der ersten und letzten Stufe

Auch die Treppe selbst muss sicherer gemacht werden. "Um sich besser festhalten zu können und Stürze zu vermeiden, sind Handläufe auf beiden Seiten der Treppe ganz wichtig", sagt Susanne Woelk von der Aktion "Das sichere Haus" in Hamburg. Eine Faustregel: Sofern der Handlauf nicht störend in den Raum ragt, sollte er 30 Zentimeter weit über den Anfang und das Ende der Treppe reichen. Und der Handlauf muss sicher zu umgreifen sein.

"Treppenstufen sind keine Ablageflächen", betont Woelk. Denn ein noch so schöner Blumentopf oder Zwischengelagertes auf den Stufen könne schnell zur Stolperfalle werden. Physiotherapeuten raten zudem, schwere Gegenstände rückwärtsgehend die Treppe herunterzutragen. Ein Rucksack hilft, Gegenstände zu transportieren und dadurch beide Hände frei zu haben, um sich festzuhalten.

Die meisten Unfälle passieren auf der ersten und letzten Stufe. "Ein farblicher Kontrast, beispielsweise durch Klebestreifen an der Stufenkante, hilft, Fehltritte zu vermeiden", erklärt Dieckmann. Farbige, rutschhemmende Klebestreifen böten den Füßen Halt auf glatten Treppenbelägen. "Besonders gefährlich ist es, wenn Treppe und Bodenmaterial die gleiche Farbe und das gleiche Material haben", sagt die Architektin Eva Reinhold-Postina vom Verband Privater Bauherren (VPB) in Berlin. Diese Kombination sehe zwar schick aus, aber das Gehirn erkenne nicht, dass die Treppe zu Ende sei. Das "Umschalten" von der Ebene auf die Stufe oder umgekehrt sei dann fehleranfällig, die Sturzgefahr nehme zu.

Auch eine schlechte Beleuchtung kann gefährlich werden. "Die Sehkraft lässt schon mit 40 Jahren nach", erklärt Reinhold-Postina. Deshalb sollte man mit zunehmendem Alter das Treppenhaus besser beleuchten. "Mehrere LED-Treppen- Halbkugelleuchten an der Wand, die ihr Licht nach unten abgeben, können die Stufen vollständig ausleuchten", sagt Woelk. Diese Leuchten gebe es auch batteriebetrieben, und sie ließen sich mit Magnet oder Klebeband leicht befestigen. Praktisch seien auch integrierte Bewegungsmelder an den Leuchten, die das Licht automatisch einschalten. Sicher und ein schicker "Hingucker" seien moderne Geländer mit integrierter LED-Leiste. Die Lichtschalter sollten gut erreichbar am Anfang und Ende der Treppe angebracht sein.

Treppen können im Nachhinein kaum noch umgebaut werden. "Dennoch bauen viele Architekten Treppen als ein architektonisches Highlight manchmal sogar ohne Geländer oder Brüstung", ärgert sich Reinhold-Postina. Diese Vernachlässigung der Sicherheitsvorschriften räche sich im Alter oder beim Leben mit Kleinkindern. Bauherren sollten deshalb bei der Bauplanung auch Wert auf eine bequeme Treppe legen. Die Erfahrung zeige, dass gehbehinderte und körperlich beeinträchtigte Menschen oft Probleme mit gewendelten Treppen haben. Jede Veränderung des Auftritts irritiere und verunsichere. Geradläufige Treppen seien grundsätzlich einfacher zu steigen.

Auch der Hauseingang kann schon eine Barriere sein. "Fast alle Hauseingänge moderner Einfamilienhäuser werden heute zwei bis drei Stufen über dem Gartenniveau geplant", sagt Reinhold-Postina. Für Rollstuhlfahrer würden diese Stufen aber zum unüberwindlichen Hindernis. Besser planten Bauherren von vorneherein ohne Eingangsstufe. Eine Rollstuhlfahrerrampe, die später das Steigungsniveau von zwei Stufen überwinden soll, müsse sechs Meter lang sein, damit eine Hilfsperson einen Rollstuhlfahrer hinaufschieben könne, sagt Reinhold-Postina und verweist auf eine Berechnung des VPB: "Mancher Vorgarten gibt das nicht her."

Wenn sich die Treppe aus eigener Kraft nicht mehr überwinden lässt, muss neu überlegt werden. Gehbehinderte können einen Treppenlift installieren lassen. Solche Sitzlifte passen laut VPB in fast jedes Treppenhaus. Rollstuhlfahrer könnten einen Innenlift einbauen oder einen Außenlift anbauen lassen. Außenaufzüge seien aber vergleichsweise teuer, und sie müssten zudem genehmigt werden, erläutert Reinhold-Postina.

Dieckmann rät Hausbesitzern, sich vor dem Einbau eines Treppenlifts firmenneutral beraten zu lassen. Denn es gebe auch Einschränkungen bei sehr engen Treppen oder Treppenhäusern. Häufig werde auch nicht bedacht, dass ein Sitztreppenlift eine Parkposition benötige. Nur so könnten andere Mitbewohner die Treppe noch gut passieren.

"Als Alternative zum Lift kommt auch eine neue Aufteilung der Wohnbereiche im Haus in Betracht", gibt Reinhold-Postina zu bedenken. Zum Beispiel könnten Gehbehinderte das Erdgeschoss komplett umbauen und müssten dann nicht immer zwischen den Etagen pendeln. Küchen ließen sich auch nach oben verlegen, etwa ins bisherige Bad oder Kinderzimmer. Dafür könne die Küche im Erdgeschoss zum geräumigen Bad umgebaut werden. Und das Wohnzimmer eigne sich auch als Wohn-Schlaf-Pflegezimmer.

Hausbesitzer können Treppenlifte unter Einhaltung der Bauvorschriften in der Regel problemlos einbauen. "Bei einem Mietverhältnis darf der Vermieter den Einbau eines Treppenlifts in einem Mehrfamilienhaus nicht verwehren, wenn ein Mieter aus körperlichen Gründen seine Wohnung über das Treppenhaus nicht mehr erreichen kann", betont Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund in Berlin. Der Vermieter könne dies nur verbieten, wenn der Einbau die Sicherheit der anderen Bewohner auf der Treppe gefährde. Die Kosten für den Einbau muss der Mieter aber selbst tragen. Der Vermieter könne auch verlangen, dass auf einem Sonderkonto Geld für den späteren Rückbau hinterlegt werde.

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