Wirtschaftswachstum:2011 - das Schicksalsjahr für den Euro

Der Euro ist derzeit das mit Abstand größte Risiko, und zwar nicht nur für die deutsche Wirtschaft. Nur wenn es gelingt, Spanien in absehbarer Zeit zu verteidigen, hat es die Gemeinschaftswährung erst einmal geschafft. Leicht wird das nicht.

Nikolaus Piper

Das neue Jahr verspricht für Deutschland wirtschaftlich gut zu werden. Sogar sensationell gut, wenn man die Ausgangslage in Rechnung stellt. Vor zwei Jahren noch stand das Weltfinanzsystem vor dem Zusammenbruch - und heute reden die Deutschen über die Rückkehr zur Vollbeschäftigung. Nach den jüngsten Prognosen wird die Wirtschaftsleistung 2011 um 2,5 Prozent wachsen. Das ist weniger als 2010, aber es reicht für mehr Jobs und spürbar höhere Einkommen. Deutschland ist zwar unter den Industriestaaten derzeit ein Sonderfall, doch auch die Lage der Weltwirtschaft insgesamt ist so schlecht nicht. China, Indien und Brasilien, die neuen Wirtschafts-Supermächte, wachsen weiter, wenn auch mit etwas geringerem Tempo. Die Gefahr, dass die Vereinigten Staaten in eine Rezession zurückfallen und den Rest der Welt mit sich reißen, ist gesunken.

EUROMUENZEN

Angezählt: Deutschland hat die Wirtschaftskrise rasch gemeistert, aber der Euro hat sich noch nicht erholt.

(Foto: AP)

All dies würde uneingeschränkte Zuversicht erlauben - wäre da nicht der Euro. Die Gemeinschaftswährung ist derzeit das mit Abstand größte Risiko nicht nur für die deutsche Wirtschaft. Und vermutlich wird 2011 das Schicksalsjahr des Euro. Gelingt es, in den kommenden sechs bis neun Monaten, Spanien zu verteidigen, erweist sich der Rettungsschirm als glaubwürdig und werden die notwendigen Reformen des europäischen Stabilitätspaktes verwirklicht, dann hat es der Euro erst einmal geschafft. Wenn nicht, können die Deutschen alle guten Prognosen vergessen. Die Sorge ums Geld ist durchaus nicht auf Talk-Shows im Fernsehen begrenzt. Der Goldpreis lag zum Jahresende bei 1405 US-Dollar, nahe seinem historischen Höchststand. Gold ist in der Welt der Finanzen ein zuverlässiger Maßstab für Angst.

Dabei ist der Euro nur Teil eines viel umfassenderen Problems. In fast allen großen Industrieländern sind heute, als Erbe der Finanzkrise, die Staatshaushalte aus dem Lot geraten. In einigen Fällen - das krasseste Beispiel dafür ist Irland - ist dies direkte Folge der Rettung gescheiterter Banken. Meist jedoch hat die Rezession in den betroffenen Ländern einfach nur jahrzehntealte Probleme sichtbar gemacht und verschärft. Das Ergebnis sind bedrohlich wachsende Schuldenberge.

Auch die Euro-Krise ist im Kern eine Schuldenkrise. Sie wurde erst insofern zur Währungskrise, als sie Konstruktionsfehler im Bau des Euro offenlegte. Das macht deren Lösung so dringlich. Die eigentliche Dramatik liegt gegenwärtig darin, dass das Bekenntnis der Deutschen zu Europa nach dem Urteil der Finanzmärkte nachgelassen hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland den Euro verlässt, mag sehr klein sein, sie ist aber deutlich größer als null. Ob die Einschätzung stimmt, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist die Meinung an den Märkten, und auf die sind die Regierungen angewiesen, auch wenn sie es oft nicht wahrhaben wollen. Das Währungsrisiko ist in die Euro-Zone zurückgekehrt, was die Finanzierungskosten der Schwachen treibt. Das besonders verwundbare Spanien muss im ersten Halbjahr riesige Summen aufnehmen, um seinen Haushalt auszugleichen. Jeder Prozentpunkt mehr bei den Zinsen erschwert diese Aufgabe und erhöht die Gefahr für den Euro.

Politische Blockade gebrochen

Aber warum ist in diesem Zusammenhang immer nur von Europas Schulden die Rede? In Amerika ist die Lage mindestens ebenso schlimm. Der Einwand ist berechtigt, aber er macht die Sache nicht einfacher. Kurzfristig sind Amerikas Schulden kein Problem, weil immer noch alle Welt darauf vertraut, dass die Amerikaner, wie früher, irgendwie ihre Probleme lösen werden. Langfristig jedoch ist die Schuldendynamik in den USA noch gefährlicher als in Europa. Am Ende des Jahrzehnts droht der Supermacht eine regelrechte Krise der Staatsfinanzen. Für den Augenblick hat Präsident Barack Obama die politische Blockade in Washington mit einem Kompromiss über die Steuerpolitik gebrochen.

Der Kompromiss wirkt erst einmal wie ein Konjunkturprogramm, auch wenn er langfristig das Defizitproblem verschärft. Und obwohl die US-Notenbank riesige Mengen Geld druckt, halten die meisten die US-Währung für einen sicheren Hafen. Zentralbanken in der ganzen Welt kaufen unverändert Dollars und legen sie in ihre Reserven. Entscheidend für 2011 wird die Frage sein, wie belastbar das Vertrauen in den Dollar und die USA ist. Anders gewendet: Wann werden die Finanzmärkte nervös? Was ist, wenn sich Obama und der Kongress nicht auf ein mittelfristiges Programm zum Defizitabbau einigen? Was, wenn Kalifornien pleitegeht oder die Euro-Krise die Weltfinanzmärkte erneut in Unruhe stürzt? Niemand kann dies heute beantworten.

In der Summe bedeutet dies: Die Weltwirtschaft erholt sich, aber sie tut es in einem Umfeld, das nicht nachhaltig ist. Weder können die Staatsschulden so bleiben, noch die Geldpolitik, noch die Ungleichgewichte zwischen Überschuss- und Defizitländern. Die Exportüberschüsse Chinas und Deutschlands können ebenso wenig Bestand haben wie die Defizite der USA, Spaniens, Portugals und Griechenlands. Ob 2011 wirklich so gut wird, wie es jetzt scheint, hängt von der Bereitschaft und Fähigkeit der Politik ab, diese Probleme zu entschärfen.

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