Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Der unpopuläre Nimmersatt

Arrogante Selbstdarsteller und unfähige Führungskräfte: Das Jahr 2010 war kein gutes Jahr für die Wirtschaftselite - und für den Boss als solchen auch nicht. Ein Überblick über die Absteiger des Jahres in Bildern.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Dirk Jens Nonnenmacher

Magazin: Nonnenmacher bekommt rund vier Millionen

Quelle: dapd

Arrogante Selbstdarsteller und unfähige Führungskräfte: Das Jahr 2010 war kein gutes Jahr für die Wirtschaftselite - und für den Boss als solchen auch nicht. Ein Überblick über die Absteiger des Jahres in Bildern.

Sie haben ihn geholt, weil er smart war. Weil er von außen kam - und nicht in die Netzwerke im Norden verwoben war. Einer, dem sie zutrauten, die schlingernde HSH Nordbank zu retten. Nun werfen sie ihn wieder raus. Im April 2011 muss Dirk Jens Nonnenmacher gehen, nach gut drei Jahren an der Spitze der Landesbank. Denn der 47-Jährige war zwar smart und hat die Bilanzen verbessert. Aber er ist nach wie vor nicht in die Netzwerke verwoben. Der Mathematikprofessor hat wenig Gespür für seine Kollegen und für die Mehrheitseigner der Bank, die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, entwickelt. Es gab Kritik an seiner Personalführung.

Was aber viel schlimmer ist: Womöglich hat er auch den Bogen überspannt, beim Retten der Bank. Letzteres untersucht nun die Staatsanwaltschaft. In seine Ära fallen hoch riskante Finanzgeschäfte. Dann tauchte eine Spitzelaffäre auf, deren Opfer Kollegen und ein Ex-Minister sind. In New York soll ein Rollkommando einem in Ungnade gefallenen Filialleiter kinderpornografisches Material untergeschoben haben. Nonnenmacher beteuert in allen Fällen seine Unschuld. Doch wenn das alles stimmt, warum wusste der Top-Banker nichts davon, dass andere Strafbares taten?

Noch hat niemand ein schuldhaftes Verhalten beweisen können. Ohne einen konkreten Vorwurf in der Sache wird Nonnenmacher üppig entlohnt beim Abgang: Ausstehendes Gehalt, Pensionsansprüche und Boni könnten sich auf gut vier Millionen Euro addieren. Allen, die das für verschwendetes Steuergeld halten, bleibt der Blick auf den Menschen. Denn was bleibt einem geschassten Banker, der kaum noch Freunde hat und dessen Image beschädigt ist? Er werde seine Karriere im Ausland fortsetzen, soll Nonnenmacher einem Vertrauten gesagt haben.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Tony Hayward

RNPS IMAGES OF THE YEAR 2010

Quelle: REUTERS

Als der Öldreck nach der Explosion der Bohrplattform "Deepwater Horizon" im Frühjahr an die US-Golfküste spülte, wollte sich Tony Hayward als Krisenmanager in Szene setzen. Der damalige Chef des britischen Ölkonzerns BP flog nach New Orleans und ließ sich in Gummistiefeln ablichten, als er über die verschmutzten Strände spazierte. Doch der gute Wille reichte nicht.

Hayward avancierte zur öffentlichen Hassfigur, auf die sich die geballte Wut der Menschen über die von BP verursachte Ölpest konzentrierte. Seine ungeschickten Äußerungen, aber auch seine arrogante Art, kamen bei den Geschädigten nicht gut an. Ein Foto, das den 53-jährigen Manager dann bei einer Segelregatta vor der britischen Isle of Wight zeigte, kostete ihn das letzte Quäntchen Glaubwürdigkeit. Er wolle sein Leben zurück haben, meinte Hayward. Nach quälenden internen Debatten nahm Hayward schließlich im Sommer seinen Hut. Seit Oktober führt der gebürtige Amerikaner Bob Dudley den Konzern.

Dabei galt der studierte Geologe Hayward, der seit 1982 bei BP tätig ist, lange Zeit als Hoffnungsträger. Mutig zettelte er Ende 2006 eine Revolte gegen den langjährigen Unternehmenschef Lord Browne an. Der "Sonnenkönig", wie Browne auch genannt wurde, führte das Unternehmen nach Gutsherrenart. Als Hayward 2007 an die Spitze des Konzern rückte, kappte er Hierarchien und setzte gezielt auf jüngere Manager-Talente. Zugleich startete er ein ehrgeiziges Sparprogramm, um die Rentabilität des Konzern zu stärken. Damit war er durchaus erfolgreich. Doch er scheiterte bei seiner ersten großen Bewährungsprobe: der Ölpest im Golf von Mexiko. Geblieben ist Hayward bei BP ein Aufsichtsratsposten im russisch-britischen Gemeinschaftsunternehmen TNK-BP.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Steve Rattner

Steve Rattner, managing principal, Quadrangle, speaks at the Reuters Global Hedge Fund and Private Equity Summit in New York

Quelle: REUTERS

Es hätte einer der größten Tage im Leben des Steve Rattner sein können. Am 17. November kehrte General Motors an die Börse zurück, gut 17 Monate nach der Insolvenz. Der Ausgabepreis von 33 Dollar überraschte selbst Optimisten. Das alles war auch Rattners Werk. Der 58-Jährige hatte als "Autozar" von Präsident Barack Obama die geordnete Insolvenz des Konzerns organisiert.

Tatsächlich wurde der 17. November zu einem Tag der Schmach für Rattner. Fast zeitgleich mit dem Börsengang teilte der Generalstaatsanwalt von New York, Andrew Cuomo, mit, er werde Rattner wegen verbotener Wertpapiergeschäfte anklagen. Die Klage betrifft dessen Hauptjob als Chef der Finanzfirma Quadrangle in New York. In dieser Funktion soll er 2005 und 2006 insgesamt 150 Millionen Dollar an Provisionen gezahlt haben, um mit den staatlichen Pensionsfonds in New York ins Geschäft zu kommen. Derartige "Kickbacks" sind in den USA verboten.

Wegen der Vorwürfe war Rattner bereits im Juli 2009 als Autozar zurückgetreten. Mit der Börsenaufsicht SEC einigte er sich auf eine Strafe von 6,2 Millionen Dollar. Cuomo will nun 26 Millionen Dollar Strafe haben und Rattner für den Rest seines Lebens vom Wertpapierhandel in New York ausschließen. Der Beschuldigte warf Cuomo daraufhin in einem Brief "Erpressung" vor. Die Sache hat eine sehr persönliche Komponente: Sowohl Rattner als auch Cuomo sind einflussreiche Mitglieder der Demokratischen Partei in New York. Cuomo wurde am 2. November zum Gouverneur des Bundesstaates gewählt und tritt sein Amt am 1. Januar an.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Olli-Pekka Kallasvuo

Nokia-Chef Kallasvuo wird durch Microsoft-Manager ersetzt

Quelle: dpa

Ob er jemals wieder ohne Groll einen Apfel essen kann? Schließlich erinnert das Obst Olli-Pekka Kallasvuo, 57, an seine Niederlage. Ein angebissener Apfel ist das Logo des US-Konkurrenten Apple, der Nokia schwer zu schaffen macht und Kallasvuos zum Verhängnis wurde. Im September löste ihn Stephen Elop ab; ein Amerikaner führt seither den größten Handyhersteller der Welt.

Über den Führungswechsel war lange spekuliert worden. Nokia hatte es einfach nicht geschafft, den Siegeszug des I-Phones und des Google-Betriebssystems Android zu stoppen und büßte in der Folge bei den lukrativen Smartphones Marktanteile ein. Die Margen sanken, schon in der ersten Jahreshälfte musste Nokia zwei Gewinnwarnungen veröffentlichen. Bei der zweiten im Juni bemühte sich Kallasvuo gar nicht mehr vor die Kameras. Die traurige Botschaft überließ er seinem Finanzvorstand.

Kallasvuo musste zum Teil für Fehler büßen, die gemacht wurden, bevor er den Vorstandsvorsitz 2005 von Jorma Ollila übernahm. Ollila, der wohl bekannteste Manager Finnlands, ist immer noch Aufsichtsratschef von Nokia. Zumindest hat Kallasvuo versucht, den Konzern in die richtige Richtung zu lenken. Er legte weniger Gewicht auf die Telefone und wollte aus Nokia eine "Internet Company" machen. Zu diesem Zweck kaufte er eine Reihe von Softwareunternehmen. Einmal erschien der sonst eher förmliche Manager auf einer Messe sogar in Jeans und Rollkragenpulli, um Aufbruch zu signalisieren. Jedoch: Ein Weltkonzern lässt sich eben nicht ganz so rasch ändern wie die Bekleidung.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Rolf Koerfer

Aufsichtsratssitzung Continental - Koerfer

Quelle: dpa

Als Rolf Koerfer im Herbst seinen Sitz im Aufsichtsrat der Continental AG aufgab, endete ein langes Gezerre um seine Person. Es hatte begonnen, als der Wirtschaftsanwalt kurz nach der Übernahme des Automobilzulieferers durch den Familienkonzern Schaeffler 2008 den Aufsichtsratsvorsitz bei Conti übernahm. Ein Aktionär klagte dagegen und bekam Recht. Das Landgericht Hannover befand im Frühjahr 2010, für einen Aufsichtsrat sei Koerfer zu eng mit den Schaefflers verbandelt. Die Richter sahen einen "wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Interessenkonflikt". Denn seit vielen Jahren berät Koerfer die fränkische Unternehmerfamilie.

Bereits vor der Entscheidung des Landgerichts Hannover hatte der Jurist den Posten des Aufsichtsratschefs für Linde-Chef Wolfgang Reitzle freigemacht und sich mit einem Sitz als einfaches Mitglied in dem Kontrollgremium begnügt. Doch auch dagegen gab es Widerstand, zumal Koerfer intern angeblich wenig zimperlich war. Die Querelen endeten erst, als er Anfang Oktober seinen Rückzug aus dem Aufsichtsrat von Continental ankündigte.

Zu den Kontrolleuren gehört er zwar nicht mehr, dennoch spielt der Anwalt weiter eine wichtige Rolle, wenn es um die gemeinsame Zukunft von Continental und Schaeffler geht - wie auch immer diese rechtlich organisiert sein wird. Koerfer ist und bleibt einer der engsten Vertrauten von Conti-Eignerin Maria-Elisabeth Schaeffler. In Herzogenaurach heißt es, die Unternehmerin und ihr Sohn Georg würden Rolf Koerfer nach wie vor in vollem Umfang vertrauen und seinen Rat schätzen.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Alessandro Profumo

Unicredit bank CEO Profumo speaks at an Italian foreign ministry event in Rome

Quelle: REUTERS

Der Chef der HVB-Muttergesellschaft Unicredit galt als der mächtigste Banker Italiens, aber auch als eigenwillig. Am Ende hat er seine Macht aber doch überschätzt. Der Aufsichtsrat zwang ihn zum Rücktritt.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Jerome Kerviel

FRANCE-BANKING-CRIME-TRIAL

Quelle: AFP

Fünf Milliarden Euro verzockte der Händler der französischen Bank Société Générale. Im Oktober verurteilte ihn ein Gericht zu fünf Jahren Haft und hohen Schadenersatzzahlungen. Kerviel ging in Revision.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Olaf Göttgens

Werbeagentur-Gruppe BBDO - Olaf Göttgens

Quelle: dpa/dpaweb

Der Markenspezialist wollten den Brillenhersteller Rodenstock an einen britischen Finanzinvestor verkaufen. Als die Verhandlungen scheiterten, trat er zurück - und kam damit einem möglichen Rauswurf zuvor.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:John Rose

Rolls-Royce Chief Executive Rose reacts during news conference in Bangalore

Quelle: REUTERS

Der viel gelobte Vorstandschef des Triebwerksherstellers Rolls-Royce hatte kurz vor seiner für Frühjahr 2011 geplanten Pensionierung Pech. Die Probleme beim A380 beschädigten auch seine Bilanz.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Lars Josefsson

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Quelle: AFP

Dem Chef von Vattenfall wurde die Pannenserie in mehreren, darunter auch deutschen, Atomkraftwerken zum Verhängnis. Der staatliche Großaktionär schickte ihn deshalb in den Ruhestand.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Mark Hurd

ORACLE SPONSORS SOFTWARE CONFERENCE

Quelle: AFP

Wegen angeblich unsauberer Spesenabrechnungen verlor der Chef von Hewlett-Packard seinen Job. Er musste nicht lange darben. Ausgerechnet Konkurrent Oracle holte den Manager umgehend an Bord.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Akio Toyoda

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Quelle: AFP

Als sich Berichte über tödliche Unfälle mehrten, tauchte der Toyota-Konzernchef ab. Der Imageverlust war verheerend, obwohl die Vorwürfe später entkräftet wurden.

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Wirtschaft: Absteiger des Jahres 2010:Der Boss

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Quelle: SZ

Dem Boss als solchem wird gerne unterstellt, er stehe den Liberalen nahe. Das mag daran liegen, dass viele Liberale - zumindest jene freidemokratischer Prägung - so aussehen, als wären sie gerne Bosse. Und natürlich passt das Profil der Steuersenkungsforderungspartei tatsächlich bestens zu Wirtschaftsführern, die das Fordern ebenfalls als ihr Kerngeschäft verstehen.

Von ihren Mitarbeitern zum Beispiel fordern sie Lohnzurückhaltung in guten wie in schlechten Tagen, denn schließlich muss man in den guten für die schlechten vorsorgen, und in den schlechten ist nach Abzug der symbolisch gekürzten Boss-Vergütung ohnehin nichts mehr übrig. Von ihren Zulieferern fordern sie Niedrigpreise, der nahenden schlechten Tage und der drohenden Konkurrenz aus Fernost wegen. Und von der Politik fordern sie alles mögliche.

Das allerdings würde der Boss so nie zugeben. In der Öffentlichkeit spricht er deshalb davon, dass er einzig und allein die Rahmenbedingungen garantiert haben möchte. Darunter versteht der Boss, um im Bild zu bleiben, dass er ungestört seinen kleinen Rahmen aufstellen kann und die Politiker zum Dank dafür sorgen, dass sich die mit bösen und guten Überraschungen gespickte, zutiefst unberechenbare Welt bitte schön nur außerhalb dieses Rahmens austoben möge.

Schon aus diesem Grund ist der Boss keinesfalls grundsätzlich den Liberalen zuzuordnen. Vieles des liberalen Gedankengutes ist ihm sogar fremd, zum Beispiel das Misstrauen gegenüber dem starken Staat. Schließlich hat er selbst stets einen langen Wunschzettel an den Treuhänder der Steuergelder dabei. Und so wie es Kindern zu Weihnachten herzlich egal ist, ob sie die Lego-Ritterburg von den Eltern, Tante Ina oder dem Opa aus Berlin bekommen, nimmt der Boss Geschenke gerne von Regierungen aller Parteien entgegen, egal welcher Couleur.

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Angela Merkel, Juergen Grossmann, Johannes Teyssen, Norbert Roettgen, Gerd Jaeger

Quelle: APN

Und wie die Kinder erweist sich der Manager auf diesem Gebiet nicht selten als Nimmersatt. Kommt zum Beispiel die Wirtschaftskrise vorbei, muss dringend ein Konjunkturprogramm her - schließlich wolle man Entlassungen in Maßen halten, argumentiert der Boss. Hat sich die Bank verspekuliert, sind ein paar Staatsgarantien das Minimum - man denke nur an den Lehman-Domino-Effekt. Und überholen die Franzosen den Nachbarn beim Fördern des Elektromotors, wäre ein Subventiönchen auch nicht schlecht - in diesem Fall hört die deutsch-französische Freundschaft jedenfalls auf.

Nur selten allerdings sind die Bosse so dreist wie 2010 und drucken ihre Wunschzettel auf ganzseitigen Anzeigen in Zeitungen ab. Die Regierung möge doch nun beim Atomausstieg mal langsam machen, hatten 40 Wichtige und Wichtigtuer der Wirtschaft im August von Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem "Energiepolitischen Appell" gefordert. Denn Vorschriften können sie gar nicht leiden, die Chefs, zumindest dann nicht, wenn sie die Regeln nicht selbst ersonnen haben.

Kein Wunder, dass die Umfragewerte für die Bosse bei so viel Chuzpe in diesem Jahr noch weiter in den Keller gegangen sind. Weshalb man sie dann doch recht häufig in der Nähe der FDP verortet.

© SZ vom 28.12.2010/aum
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