Wie Richter entscheiden:Ausspionieren verboten

Überwachung am See

Raffiniertes Versteck: Überwachungskamera im Vogelhäuschen, aufgenommen im Erholungsgebiet am Karlsfelder See im Landkreis Dachau.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Viele Wohnungsbesitzer installieren aus Angst vor Einbrechern Kameras - und verletzen dabei Persönlichkeitsrechte. Gerichte setzen enge Grenzen.

Von Andrea Nasemann

Die Wohnungseinbrüche in Deutschland nehmen stark zu. 2015 wurden der Polizei 167 136 Fälle gemeldet, zehn Prozent mehr als vor einem Jahr. Aufgeklärt wurden nur etwa 15 Prozent. Justizminister Heiko Maas (SPD) will Einbrecher künftig stärker bestrafen - aber dazu muss man sie erst einmal haben. Die gestiegenen Einbruchszahlen sind Grund genug für viele Immobilienbesitzer, sich mit dem Thema näher zu befassen. Nicht wenige sichern inzwischen Fenster und Türen oder installieren eine Videokamera. Doch Letzteres ist nicht immer erlaubt, wie verschiedene Gerichtsurteile zeigen.

Zwar darf ein Wohnungsbesitzer grundsätzlich frei über sein Eigentum verfügen und innerhalb seines Sondereigentums eine Überwachungskamera einrichten. Sobald diese aber auch Treppenhaus, Hauseingang, Aufzug, Garage oder den Weg zum Haus aufnimmt und dabei dritte Personen ins Spiel kommen, wird es schwierig. Auf der einen Seite ist da der Eigentumsschutz, auf der anderen Seite aber das Recht am eigenen Bild und das geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht. "Dabei sind immer alle Gesichtspunkte des Einzelfalls und die dabei betroffenen Güter und Interessen zu berücksichtigen", sagt Rechtsanwalt Hans Reinold Horst aus Hannover/Solingen.

Der Bundesgerichtshof entschied im Jahr 1995 Grundsätzliches: Es ging damals um zwei benachbarte Grundstücke, die durch einen 1,2 Meter breiten Zufahrtsweg voneinander getrennt waren. Nachdem immer wieder Unrat auf dem Weg gefunden wurde, installierte einer der Nachbarn eine Videokamera, die Teile des Wegs in voller Breite erfasste. Doch der Bundesgerichtshof verbot in letzter Instanz die Aufzeichnungen. Diese seien nur möglich, wenn es um den begründeten Verdacht einer Straftat gehe oder um schwerwiegende Beeinträchtigungen, etwa um Angriffe auf eine Person oder auf die Wohnsphäre. Wer lediglich eine Verunreinigung des Grundstücks aufklären wolle, dürfe nicht zu einer solchen Maßnahme greifen (Urteil vom 25. April 1995, VI ZR 272/94).

Wenn die Videoüberwachungsanlage aber nur das eigene Grundstück erfasst, kann der Nachbar nicht den Abbau der Kamera verlangen. Einen Sonderfall bildet der "Gegenangriff": Fühlt sich ein Eigentümer ständig vom Nachbarn belästigt und baut ein Überwachungssystem auf, um ihn zu entlarven, kann er später von ihm zumindest die hälftigen Kosten der Anlage ersetzt verlangen. Vorausgesetzt natürlich, der Störer ist überführt worden.

Selbst die Installation von Attrappen im Hauseingang ist nicht erlaubt

Auch in einem Mehrfamilienhaus ist eine dauernde und unkontrollierte Videoüberwachung meistens unzulässig (Oberlandesgericht München, Beschluss vom 11. März 2005, 32 Wx 2/05). Eine Mieterin errichtete eine Videoanlage mit der Begründung, dass sie ständig in Streit mit ihren Nachbarn lebe. Das Amtsgericht München lehnte die Überwachung der Mitbewohner ab - dies sei allenfalls zur Abwehr unmittelbar bevorstehender Angriffe zulässig (Urteil vom 4. Dezember 2013, 413 C 26.749/13). Die Mieterin hätte nach Ansicht des Gerichts andere Möglichkeiten gehabt, etwaigen Angriffen oder Streitigkeiten mit den Nachbarn zu begegnen, sie hätte zum Beispiel die Polizei einschalten oder sich selbst so verhalten können, dass die Situation nicht eskaliere. Und wieder ein Sonderfall: "Überwachungsanlagen zum Schutz eines in demselben Mehrfamilienhaus lebenden Staatsanwalts sind aber von den anderen Mitbewohnern hinzunehmen", erklärt Mietrechtler Horst.

Und wie steht's mit dem Guckloch in der Wohnungstür? Ein solcher Spion ist zulässig. Dies gilt auch für eine Kamera vor der Wohnungstür oder im Eingangsbereich eines Hauses, die nur das Bild des Besuchers wiedergibt, es aber nicht aufzeichnet. Dabei heißt es wieder aufpassen: Die Tür des Nachbarn darf dabei nicht erfasst werden. Auch eine Wiedergabe des Bildes auf einem Fernseher wäre unzulässig, weil hier ebenfalls die Möglichkeit der Aufzeichnung besteht. Deshalb lehnte das Amtsgericht Spandau auch die Videoüberwachungsanlage über der Eingangstür eines Reihenhauses ab. Die Kamera war mit dem Fernseher verbunden und sollte der kranken Ehefrau des Hausbesitzers ermöglichen, nach einem Klingeln zu kontrollieren, wer vor der Haustür steht. Das Gericht gab dem klagenden Nachbarn recht. Jeder, der in dem Haus aus- und eingehe, müsse sich überwacht vorkommen und ständig mit Aufzeichnungen rechnen. Das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn wiege schwerer als das Recht, die Kameraaufnahmen anzufertigen. Die Frau sei zwar krank, aber nicht bettlägerig und hätte Besucher auch mithilfe einer Gegensprechanlage identifizieren können, hieß es (Urteil vom 6. Januar 2004, 5 C 557/03).

Das Amtsgericht München schließlich gestattete einem Grundstückseigentümer das Anbringen einer Videokamera an seinem Haus, und zwar zum Schutz seines Eigentums. In diesem Fall war am Haus eine Fensterscheibe eingeschlagen worden. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass weder der öffentliche Bereich noch das private Nachbargrundstück oder der gemeinsame Zugang davon erfasst werde, forderte das Gericht (Urteil vom 20. März 2015, 191 C 23903/14).

Anders entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main. Ein Eigentümer hatte im Hauseingangsbereich Minikameras installiert - er musste sie wieder abbauen. Sowohl die Installation von Videokameras als auch die Installation von Kameraattrappen im Hauseingangsbereich sei ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mieter. Eine Attrappe bedeute eine Androhung einer ständigen Überwachung der Bewegungen des Mieters und seiner Besucher, und dies sei nur unter besonderen Umständen zu rechtfertigen. In dem Fall hatte der Eigentümer lediglich erklärt, dass die Kameras zur Abschreckung von Vandalismus und Einbruchsdiebstahl dienten und die allgemeine Sicherheit um das Haus erhöhen würden. Er hatte allerdings nicht vorgetragen, dass es tatsächlich zu solchem Vandalismus und Einbruchsdiebstählen gekommen war (Urteil vom 14. Januar 2015, 33 C 3407/14).

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