Whisper Valley:Visionär in Texas

Whisper Valley: Etwa so groß wie der Tegernsee ist die Fläche, auf der einmal 7500 Ein- und Mehrfamilienhäuser im Nullenergie-Standard stehen sollen.

Etwa so groß wie der Tegernsee ist die Fläche, auf der einmal 7500 Ein- und Mehrfamilienhäuser im Nullenergie-Standard stehen sollen.

(Foto: Taurus/PR)

In Austin finanzieren reiche deutsche Anleger einen Stadtteil der Superlative. Für das Vorzeigeprojekt wurden nun Bauträger gefunden.

Von Christine Mattauch

Amerika, Vorreiter beim Klimaschutz? Was nicht ist, kann ja noch werden. Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton will ihr Land in eine "Supermacht der sauberen Energien" verwandeln: "Ich werde nicht zulassen, dass wir rückwärtsgehen und unsere Kinder einer Katastrophe durch unkontrollierten Klimawandel aussetzen." Ihr Ziel: Jeden Haushalt mit "grünem" Strom versorgen.

Austin, Texas, fängt damit schon mal an. Auf einer Fläche von 835 Hektar - fast so groß wie der Tegernsee - entsteht dort das Whisper Valley, ein Öko-Stadtteil der Superlative: 7500 Ein- und Mehrfamilienhäuser im Nullenergie-Standard, dank Geothermie und Solaranlagen. Der Standort ist kein Zufall: Die Stadt, eine progressive Enklave in dem konservativen Bundesstaat, will bis 2050 klimaneutral sein.

Die ersten Kaufverträge mit Bauträgern seien unterschrieben, die Anzahlungen geleistet, teilt der Grundstücksentwickler mit, die Bostoner Taurus Investment Holding (TIH). Nächsten Monat soll es losgehen mit dem Häuserbau. Das sind erfreuliche Nachrichten für ein Großprojekt, das nicht nur durch gute Absichten, sondern auch durch jahrelange Verzögerungen auffiel. Zunächst war die Finanzkrise der Grund. Später blockierten laut Taurus erst Unwetter den Fortschritt, dann Umweltauflagen der Stadt. Außerdem gab es Probleme beim Bau einer Kläranlage.

Hindernisse sind für ein Pilotvorhaben nichts Ungewöhnliches, und zuweilen bringt dies den Entwickler in Bedrängnis. Taurus indes scheint gar nicht schlecht damit zu fahren, dass die Parzellen erst jetzt auf den Markt kommen. Mit der guten Konjunktur hat in den USA die Nachfrage nach Wohneigentum kräftig angezogen. Laut der Immobilien-Datenbank Zillow sind die Hauspreise in der Region Austin im vergangenen Jahr um fast zehn Prozent gestiegen, und es soll weiter aufwärtsgehen. "Es wäre ein Riesenpech gewesen, wenn wir wie geplant 2013/14 fertig gewesen wären", sagt Lorenz Reibling hintersinnig.

Reibling, ein gebürtiger Münchner, hat das Projekt initiiert. Schon in den 1970er-Jahren gründete er mit seinem Bruder Günther eine Immobilienfirma und expandierte später in die USA. Seither hat TIH Immobilien im Wert von 3,5 Milliarden Dollar angekauft und verkauft. Renommierte Adressen wie Blackrock, die Bank of America oder der niederländische Pensionsfonds für Hausärzte zählen zu den Kunden. Whisper Valley wird von reichen deutschen Privatanlegern finanziert, die Spaß an der Philosophie des Projekts haben - und die Mittel, sich diesen Spaß etwas kosten zu lassen. Um in die Nullenergie-Siedlung zu investieren, brauchte es Mut, daraus macht Reibling kein Geheimnis. "Das Erste, was wir die Anleger fragten, war: Können Sie sich einen Totalverlust des Kapitals leisten?" Eine der offenen Fragen sei gewesen, ob man Bauträger dafür gewinnen könne, sich an dem Modell zu beteiligen. Heute steht fest: Die Antwort lautet Ja.

Partner im ersten Bauabschnitt sind: Pacesetter Homes, eine Tochter der kanadischen Entwickler-Gruppe Qualico. Homes By Avi aus Calgary. Außerdem einer der größten amerikanischen Bauträger, Lennar aus Florida. Dass es gleich drei sind, obwohl die Zahl der Parzellen - zunächst 237 - für amerikanische Verhältnisse überschaubar ist, erklärt Taurus damit, dass man eben keine der monotonen Siedlungen schaffen wolle, die in Neubaugebieten die Regel sind. "Verschiedene Architektur-Stilrichtungen sollen für jeden Käufertyp ein Angebot schaffen, vom hippen Key-West-Style bis zum hochmodernen Design-Haus." Für europäische Ästheten wäre der Mischmasch wohl nichts, aber die sind auch nicht die Zielgruppe. Sondern junge Informatiker, die in nahegelegenen Tech-firmen arbeiten.

Verhandlungen mit weiteren Bauträgern laufen, berichtet Reibling. Deshalb würden parallel die Planungs- und Genehmigungsverfahren der nächsten drei Bauabschnitte begonnen, mit insgesamt 965 Parzellen. Auch Mehrfamilienhäuser sowie Einzelhandelsflächen sollen entstehen. Fast 300 Hektar sind für Freizeit- und Grünflächen reserviert.

Die für Whisper Valley zuständige Taurus-Tochter Ecosmart hat die Zeit des Stillstands auf der Baustelle genutzt und einen Deal mit Google ausgehandelt: Deren Töchter Google Fiber und Nest werden die Häuser mit superschnellem Internet und smarter Heiztechnik ausstatten - ein cleverer Marketing-Schachzug. Auch andere Baubeteiligte haben einen guten Ruf: Bosch USA zeichnet für die Erdwärmepumpen und umweltfreundliche Küchen verantwortlich, Philips für die Lichttechnik. Die Mehrkosten fürs Öko-Konzept werden über Anleihen finanziert. Bedient werden sie über monatliche Abschläge von je 180 Dollar, die die Käufer der Nullenergie-Häuser anstelle konventioneller Nebenkosten zahlen werden - eine Spielart des bekannten Contracting-Modells. Reibling kann sich vorstellen, das Konzept Dritten als Dienstleistung zur Verfügung zu stellen.

Der Entwickler will darüber hinaus zeigen, dass sich der Umweltbonus auch bei anderen Projekten bezahlt macht. In Austin stattet Taurus ein großes Bürogebäude, den Centennial Tower, mit einer Solaranlage aus. Sie soll bis zu einem Drittel des Energiebedarfs decken. Die Parkplätze werden mit Ladestationen für Elektrofahrzeuge nachgerüstet. "Es ist unser Ziel, diese Technik bald auf weitere Taurus-Projekte in den USA zu übertragen", teilt das Management mit. Selbst wenn nicht Hillary Clinton, sondern Donald Trump Präsident werden sollte - das Öko-Bewusstsein in den USA wächst.

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