Weltkulturerbe:Original und Fälschung

Die Unesco fürchtet in Nepal um den Bestand historischer Stätten. Das hat mit finanziellen Engpässen zu tun, aber auch mit fehlendem Know-how.

Von Jochen Bettzieche

Am Wegrand liegen Haufen aus roten Ziegelsteinen. Eingestürzte Wände lassen Besucher ins Innere von Gebäuden schauen. Holzstützen und Holzgerüste verhindern, dass Häuserfassaden kollabieren. Mehr als zwei Jahre nach dem starken Erdbeben in Nepal am 25. April 2015 sind in der Hauptstadt Kathmandu und der umliegenden Region nach wie vor zahlreiche Gebäude beschädigt. Darunter befinden sich auch viele Bauwerke, die Unesco Weltkulturerbe sind. Deren Wiederaufbau gestaltet sich schwierig und geht nur langsam voran. Ob sie ihren Status behalten, hängt auch davon ab, wie sie wieder errichtet werden.

Ganze Tempel sind aus dem Straßenbild verschwunden. Am Durbar Square in Kathmandu, einem ehemaligen Sitz der nepalesischen Könige, unterstützt die Volksrepublik China die Restaurierung des neunstöckigen Basantapur-Turms. Lange Risse durchziehen die Mauern des ehemaligen Königspalasts. Im Tempelbezirk von Pashupatinath, einer der wichtigsten Tempel für die hinduistische Gottheit Shiva, turnen Tempelaffen an den Holzstützen beschädigter Gebäude. Lediglich die Stupa von Bodnath, ein buddhistisches Heiligtum, wurde bereits wieder instand gesetzt.

Die Unesco fürchtet um den Bestand der historischen Stätten. Gründe seien unter anderem "mangelnde Qualität in der Erhaltung der historischen Bausubstanz bedingt durch Knappheit an geschultem Personal und Handwerkern und finanzielle Engpässe", erklärt Christian Manhart, Unesco-Repräsentant in Nepal.

Auf nepalesischer Seite hat das Amt für Archäologie die Oberaufsicht. Ziel ist hier aber nicht nur, die Weltkulturerbe-Stätten wieder aufzubauen. Sie sollen auch stabiler werden, möglichst erdbebensicher. Und billig. Aufträge erhält in der Regel das Bauunternehmen mit dem günstigsten Angebot. "Das zieht in der Regel äußerst mangelhafte Qualität nach sich", kritisiert Manhart. Denn diese Firmen hätten nur wenig oder keine Erfahrung in der Restaurierung von historischen Gebäuden.

Die Unesco schreibt nicht vor, welche Materialien beim Wiederaufbau zu verwenden sind

Grundsätzlich hat sich der Staat aber verpflichtet, Weltkulturerbestätten zu schützen und zu erhalten. Die Unesco schreibt nicht vor, welche Materialien dabei zu verwenden sind. Sie beruft sich auf die Charta von Venedig des Internationalen Kongresses der Architekten und Denkmalpfleger aus dem Jahr 1964. Als aktuelles Fallbeispiel kann der ehemalige Gouverneurspalast (Lal Bhaitak) in Bhaktapur herangezogen werden. Dieses 1856 erbaute Gebäude ist seit dem 2015 Erdbeben einsturzgefährdet. Ursprünglich war die Restaurierung in einer Kooperation zwischen der staatlichen Förderbank KfW und der Bhaktapur Stadtverwaltung geplant. Mittlerweile aber will die Stadtverwaltung das Gebäude abreißen und mit einer Kopie im Stil des 18. Jahrhunderts ersetzen. Dies wirft Fragen zur Authentizität auf, da es kaum Anhaltspunkte zur ursprünglichen Bauform gibt beziehungsweise kaum Bauelemente aus der Zeit vor 1850 erhalten sind. Das Weltkulturerbezentrum wurde offiziell von der Stadtverwaltung um Erlaubnis dafür gefragt, dieses hat aber auf Detailfragen bisher nicht geantwortet.

Kathmandu war weder direkt noch indirekt in dieses Projekt involviert. Die Restaurierung wurde von der religiösen Gemeinschaft geleitet und finanziert, das Nepalische Denkmalamt (Department of Archaeology) trug die Verantwortung für die Bauüberwachung. Die Entscheidungsprozesse bei der Bewilligung von Restaurierungsprojekten sind schwierig und langwierig in diesem Land, die Bereitschaft Daten, Informationen und Unterlagen zu teilen, ist begrenzt.

Es gibt aber auch Gründe zu Optimismus: Die meisten Monumente sind sehr gut dokumentiert mit vielen Plänen, Aufrissen, Messungen, Fotos (sogar welchen von vor dem Erbeben von 1934). Man weiß also ziemlich genau, wie sie vorher ausgesehen haben, was einen originalgetreuen Wiederaufbau erlaubt. Auch gibt es in Nepal noch Handwerker, die die Techniken von vor 200 und 300 Jahren beherrschen. Es gibt auch noch die meisten der architektonischen Elemente wie Skulpturen, geschnitzte Holzbalken, Türstürze oder Ecksteine der eingestürzten Gebäude, die für ihren Wiederaufbau verwendet werden können.

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