WEGs:Die guten Engel

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In großen Wohnanlagen gibt es viel zu regeln. Wohneigentümergemeinschaften, kurz WEGs, wählen daher eine Vertretung, die den Verwalter bei seinen Aufgaben unterstützt und kontrolliert: den Verwaltungsbeirat. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Verwaltungsbeiräte haben verantwortungsvolle Aufgaben. Andererseits ist ihr Einfluss begrenzt.

Von Stephanie Schmidt

Der Wirtschaftsplan für das kommende Jahr weist Unstimmigkeiten auf - aufgespürt hat sie der Verwaltungsbeirat. Oder: Der Verwalter übergeht einen Beschluss der Eigentümerversammlung, aber ein Beiratsmitglied dringt darauf, dass er rasch umgesetzt wird. Wenn sich eine Wohnanlage und ihre Eigentümergemeinschaft (WEG) positiv entwickeln, liegt das vorwiegend an ihren "guten Engeln", den Verwaltungsbeiräten. Dieses Ehrenamt können nur Eigentümer der jeweiligen WEG ausüben.

Zum Zeitpunkt des Wohnungskaufs wüssten die wenigsten Eigentümer, "dass da ein ganzer Rattenschwanz von Aufgaben, Verpflichtungen und Fallstricken dranhängt", sagt die Juristin Julia Wagner, Rechtsreferentin beim Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland in Berlin. Zu den kniffligsten Angelegenheiten in der WEG gehören die Kontrolle des Wirtschaftsplans, der WEG-Konten und der Jahresabrechnung sowie die Belegprüfung, die laut Paragraf 29 WEG-Gesetz Pflichten der Verwaltungsbeiräte darstellen. "Beiräte müssen gemäß dem Vier-Augen-Prinzip dem Verwalter auf die Finger schauen, denn ihre zentrale Aufgabe ist die Kontrolle der Finanzen", erläutert Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Vereins Wohnen im Eigentum (WiE) in Bonn. "Viele WEGs verlassen sich in dieser Sache zu sehr auf den Verwalter." Ein großer Fehler, weil der WEG dadurch Schaden entstehen kann, und der Beirat womöglich dafür haftet. Für die Prüfung der Finanzen müssen sich Beiräte das notwendige Wissen oft erst aneignen. "Man kann nicht erwarten, dass ein Beiratsmitglied Vorwissen mitbringt, aber man kann erwarten, dass es sich fortbildet", findet Heinrich. WiE arbeitet an seinem neuen Ratgeber "Hilfe, wir sind Verwaltungsbeirat", der Ende September erhältlich sein soll.

Einen Verwaltungsbeirat zu bestellen, ist für WEGs gesetzlich nicht vorgeschrieben. "Trotzdem: In jeder größeren WEG ab zehn Mitgliedern muss es ihn geben, wer ist sonst der Prüfer und Kümmerer?", sagt Heinrich. Sie fordert hierfür eine Reform des WEG-Gesetzes, "sodass ein Verwaltungsbeirat für größere WEGs Pflicht wird". Haus & Grund bevorzugt die derzeit gültige Kann-Bestimmung, rät aber dazu, einen Verwaltungsbeirat zu wählen. "Denn die Beiratsmitglieder sind Vermittler zwischen Verwalter und Eigentümern, das ist eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Wenn es gut läuft, kann der Beirat die Belange der Eigentümer in die Verwaltung tragen und dafür sorgen, dass sich Streitfragen einvernehmlich lösen lassen, ohne gerichtliche Auseinandersetzung", erklärt Wagner. Doch sei ein Beirat kein "Mädchen für alles", das Eigentümer wegen jeder Kleinigkeit anrufen können, etwa wenn Schuhe im Hausflur stehen, betont Heinrich.

Zu den Aufgaben des Verwaltungsbeirats gehört auch, die Eigentümerversammlung vor- und nachzubereiten sowie zu kontrollieren, ob sie nach den gültigen Regeln abgehalten wird. Hinzu kommt das Unterzeichnen des Protokolls, wie es in Paragraf 24 des WEG-Gesetzes steht. Der Beirat empfiehlt bei der Eigentümerversammlung, die Abrechnung des Verwalters zu genehmigen oder rät davon ab. Im WEG-Gesetz sei "insgesamt zu unkonkret" formuliert, was Beiräte zu tun haben, kritisiert Heinrich. Doch kann eine WEG die Zuständigkeiten von Beiratsmitgliedern per Mehrheitsbeschluss konkretisieren und sie über die gesetzlichen Regelungen hinaus erweitern, falls dies erforderlich ist. Neulingen rät Heinrich, sich zunächst mit allen Konten und Dokumenten vertraut zu machen, die zur WEG gehören - mit der Teilungserklärung, dem Verwaltervertrag und Versicherungsverträgen. Regelmäßige Treffen und Ortsbegehungen mit dem Verwalter seien sinnvoll. Bei solchen Gelegenheiten könne der Beirat zum Beispiel gemeinsam mit ihm klären, warum eine Dachreparatur notwendig sei, und seine Erkenntnisse so aufbereiten, dass diese für die Teilnehmer der Eigentümerversammlung gut verständlich sind.

Laut WEG-Gesetz muss der Beirat aus drei Mitgliedern bestehen. In diesem Punkt hält Steffen Haase, stellvertretender Vorsitzender des Verbands der Immobilienverwalter Bayern (VDIV), eine Gesetzesreform für sinnvoll: Er schlägt vor, im Gesetz zu verankern, dass das Gremium "mindestens zwei Mitglieder haben muss". Denn es gebe "große WEGs mit etwa 150 Parteien, bei denen es sinnvoll ist, fünf Beiräte zu wählen". Eine solche Anzahl grundsätzlich festzulegen, sei für eine WEG wegen der aktuellen Rechtslage nicht möglich. In manchen WEGs gibt es ohnehin nur zwei Verwaltungsbeiräte. Viel Arbeit, große Verantwortung und in der Regel ein Verzicht auf Vergütung - verständlich, dass Eigentümer als Kandidaten für dieses Ehrenamt nicht gerade Schlange stehen.

"Viele Beiräte wissen über ihre Rechte und Pflichten nicht gut genug Bescheid."

Häufig gebe es ein "Kompetenzgerangel zwischen Beirat und Verwalter", sagt Haase, der auch geschäftsführender Gesellschafter der Immobilienverwaltung Haase & Partner in Augsburg ist, aus eigener Erfahrung. Das erklärt er sich so, "dass viele Beiräte über ihre Rechte und Pflichten nicht gut genug Bescheid wissen". Haase bietet daher Fortbildungen für Beiräte an. Derzeit arbeitet er an einer Neuauflage des Ratgebers "Der Verwaltungsbeirat in der Praxis", die Ende Oktober erscheinen soll.

Viele Eigentümer werden quasi über Nacht Beirat, weil ein Mitglied hinwirft. So war das auch bei Elvira Gruenke. Die 56-Jährige hat gelernt, dass es für WEGs sinnvoll ist, auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Regelungen zu treffen. Gruenke und zwei Beiratskollegen betreuen eine große WEG mit 182 Wohnungen, die zur denkmalgeschützten Gartenstadt Kreuzkampe in Hannover gehört. Da fallen laufend Wartungen und Reparaturen an. "In diesem Fall muss man die Verwaltung verschlanken. Deshalb gibt es einen mehrheitlichen Beschluss der Eigentümer, dass der Verwalter bei Reparaturen bis 1000 Euro selbst entscheidet und den Beirat nicht involvieren muss", erklärt sie. "Denn der Verwalter soll handlungsfähig bleiben. Er ist nicht der Lakai der Eigentümer, sondern soll mit ihnen auf Augenhöhe agieren."

Und wenn sich der Verwalter weigert, die Eigentümerversammlung einzuberufen, was aber seine Pflicht ist? Dann darf dies der Beirat anstelle des Verwalters tun. Jedenfalls lohnt es sich, an einem guten Verhältnis zum Verwalter zu arbeiten, findet Gruenke. "Im Jahr 2015/16 hat's bei uns im Karton geruckelt. Immer führte eine bestimmte Firma die Reparaturarbeiten aus, und es häuften sich Mängel", erzählt sie. "Da haben wir Beiräte beim Verwalter interveniert. Und siehe da, es fand sich eine Firma, die günstiger und besser ist." Inzwischen habe der Beirat viele Gespräche mit dem Verwalter geführt. "Das war hilfreich - wir haben jetzt eine gemeinsame Marschroute. Man muss auch Geduld miteinander haben."

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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