Was Mieter zahlen müssen:"Die absolute Gerechtigkeit gibt es nicht"

Schnell nach oben: Aufzugmonteure haben Aussicht auf Karriere

Hausmeistertätigkeit, Winterdienst, Pflege der Außenanlagen, Betrieb und Wartung des Aufzugs: Welche Kosten darf der Vermieter auf die Mieter umlegen und welche dürfen nicht in der Betriebskostenabrechnung auftauchen?

(Foto: Franziska Gabbert/dpa-tmn)

Das Thema Betriebskosten birgt viele Fallstricke. In einem Seminar von Haus+Grund erfahren Vermieter und Verwalter, worauf sie achten müssen.

Von Stephanie Schmidt

Auch wenn man im Leben an sich kein Zauderer ist - es gibt eine Aufgabe, bei der viele gerne auf Aufschieberitis setzen: wenn es darum geht, eine Betriebskostenabrechnung zu erstellen. Zahlreiche Haus- und Wohnungseigentümer vertagen diese Pflicht von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Manch einer so lange, bis er in letzter Minute einen Boten mit der Abrechnung zum Mieter schicken muss, damit dieser das Dokument gerade noch fristgerecht erhält.

Für die Aufschieberitis gibt es einen guten Grund: Die Betriebskostenabrechnung ist eine Wissenschaft für sich. Man erkennt es bereits beim schnellen Durchblättern des mehr als 320 Seiten starken Ratgebers "Betriebskosten in der Praxis" mit seinen zahlreichen Regelungen, Ausnahmen, Tabellen und Musterbeispielen. Er ist Begleitbuch zu einem Seminar des Haus- und Grundbesitzervereins (Haus + Grund) München zu diesem Thema. Seminarleiterinnen sind die beiden Autorinnen des Fachbuchs, das beim Haufe-Verlag erschienen ist, Birgit Noack und Martina Westner. In der eintägigen Fortbildung geht es um grundsätzliche Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern bei der Abrechnung, insbesondere auch um Fristen, um verschiedene Modelle der Kostenaufteilung, um Fallstricke wie um außergewöhnliche Situationen. Die Referentinnen weisen nachdrücklich darauf hin, dass es sich bei "Betriebskosten" um einen fest definierten Begriff handelt. Definiert in Paragraf zwei der Betriebskostenverordnung. Er regelt, welche Kosten der Vermieter auf den Mieter umlegen darf. Dazu gehören etwa die Grundsteuer oder die Kosten für die Beleuchtung gemeinschaftlich genutzter Räume einer Wohnanlage oder die Gebühren für die Müllabfuhr.

Manche der circa 30 Seminarteilnehmer wissen das schon, zu ihnen gehören erfahrene Verwalter ebenso wie Vermieter, die erst vor kurzer Zeit eine vermietete Immobilie geerbt haben. "Betriebskosten müssen aber nicht in jedem Fall gesondert abgerechnet werden", sagt Martina Westner - und man merkt an einigen erstaunten Blicken, dass noch nicht jeder das wusste. Einen Anspruch auf eine Betriebskostenabrechnung hat der Mieter in jedem Fall dann, wenn neben der Grundmiete bestimmte Vorauszahlungen im Mietvertrag festgesetzt wurden.

Bei den Formulierungen gibt es oft kleine Unterschiede, die große Folgen haben

Ein wesentliches Thema in Zusammenhang mit Betriebskosten ist die sogenannte Mietstruktur - die Art und Weise, wie sich die Miete zusammensetzt. Hier gibt es einige Gestaltungsmöglichkeiten - die beiden Rechtsanwältinnen stellen sie vor. Ein gängiges Modell: Die drei Posten Miete, Vorauszahlung für Heiz- und Warmwasserkosten sowie eine Pauschale für die übrigen Betriebskosten werden im Vertrag separat ausgewiesen. Alternativ kann man eine Vorauszahlung auf die übrigen Betriebskosten im Vertrag festlegen. Die beiden Expertinnen wollen die Teilnehmer für unterschiedliche Formulierungen sensibilisieren. Oft sind es unscheinbare Unterschiede. Kleine Unterschiede, die große Folgen haben. So bedeutet der Begriff "Pauschale", dass der Vermieter die im vergangenen Jahr entstandenen, tatsächlichen Betriebskosten nicht beim Mieter geltend machen darf. Westner präsentiert einen Notarvertrag, in dem der Begriff "Vorauszahlungspauschale" auftaucht: "Das ist Unfug - und würde vor Gericht zugunsten des Mieters ausgelegt."

Im Hinblick auf das Thema Mietstruktur weist sie auf einen zentralen Aspekt hin: "Für Heizung und Warmwasser darf man keine Pauschale vereinbaren, weil man dann gegen die Heizkostenverordnung verstößt. Hier gibt es eine Abrechnungspflicht nach Verbrauch", erläutert Westner. Aber was ist mit der Bruttowarm- beziehungsweise Inklusivmiete, üblich bei Appartementhäusern mit hoher Fluktuation? Sie fasst hingegen alle anfallenden Kosten in einem Betrag zusammen. Wird da ein Bußgeld fällig? "Nein", sagt Westner, "das ist keine Straftat, auch wenn die Heizkosten ohne Bezug auf den Verbrauch inkludiert sind." Eine weitere Form der Mietstruktur: Bei der Teilinklusiv-/Teilbruttokaltmiete werden, anders als bei der Nettokaltmiete, nur verbrauchsabhängige Kosten wie Warmwasser oder Abwasser gesondert in Rechnung gestellt, die übrigen Betriebskosten sind dann in der Mietzahlung enthalten. Solche Mietverträge führen häufig zu Streit zwischen Mietern und Vermietern, welche Betriebskosten der Mieter zahlen muss und welche nicht, schreiben Westner und Noack in ihrem Buch.

Eine Mietstruktur ist nicht in Stein gemeißelt, das ist eine gute Nachricht für manche Teilnehmer. Klassischer Fall: Der Vermieter will weg von der Bruttokaltmiete und lässt Wasseruhren einbauen, weil er in der Zukunft nach Verbrauch abrechnen will. Für diese Änderung braucht er das Einverständnis des Mieters nicht. Und wenn man von einer Inklusivmiete auf individuelle Verbrauchsermittlung umstellen will? Das könnte schwierig werden, denn da muss der Mieter zustimmen. Was er wegen der laufend steigenden Betriebskosten womöglich nicht tut. Westner erläutert zudem, wie und wann man "in angemessenem Umfang" die Betriebskostenvorauszahlung erhöht. Auch bei der Pauschale könne man eine "Anpassung in angemessener Höhe" vornehmen." Wichtig sei dabei: "Sie brauchen dafür nicht das Einverständnis des Mieters."

Die Agenda der beiden Referentinnen ist gespickt voll, da merkt jeder bald: Wenn ich nicht konzentriert zuhöre und mitdenke, verliere ich rasch den Faden. Das Seminar stellt Wohnraum-Mietrecht in den Vordergrund, es gehören aber auch kleine Ausflüge ins Gewerbemietrecht dazu. In jenem Bereich gelten Vorschriften, die sich teils erheblich von denen des Wohnraummietrechts unterscheiden.

Und wenn man eine Immobilie kauft, und es stellt sich heraus, dass der Voreigentümer 20 Jahre lang keine Betriebskostenabrechnung erstellte, obwohl er das hätte tun müssen? Der Mieter hatte nichts dagegen. Doch als der neue Eigentümer abrechnen wollte, wehrte sich der Mieter. Anhand dieses Beispiels, das in der Praxis in ähnlicher Weise schon öfter vorgekommen ist, beschreibt Westner die Problematik einer stillschweigenden Änderung der Mietstruktur durch "konkludentes Verhalten", wie es im Fachjargon heißt. In diesem speziellen Fall hatte der neue Vermieter Glück: Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied zugunsten des neuen Eigentümers. Die Begründung: Der ehemalige Vermieter habe sich nicht klar dazu geäußert, dass er nicht abrechnen wolle, er habe einfach nur nichts getan.

Westner und Noack bringen viele Fallbeispiele, sie tragen die Thematik gut strukturiert vor. Manche Teilnehmer lehnen sich trotzdem immer wieder müde im Stuhl zurück. Es ist eben anstrengend, all die Fachbegriffe kennenzulernen. Abrechnung nach dem Abflussprinzip, nach dem Leistungsprinzip, Wohnflächenverordnung und, und, und. Die Referentinnen wenden erfolgreich verschiedene Methoden zur Aufmunterung an: Sie projizieren zum Beispiel eine Folie mit verschiedenen "Immobilien-Ansichten" auf eine Tafel. Darauf zu sehen ist "Ihr Haus aus dem Blickwinkel des Finanzamts" - das ist eine Art von Schloss. In Verbindung mit dem Kommentar "So sieht die Bank Ihr Haus" ist eine Bruchbude abgebildet.

Wesentliche Posten, die eine Abrechnung unbedingt enthalten muss, sind die Gesamtkosten, der Anteil des Mieters, der Abzug der Vorauszahlungen sowie der Verteilerschlüssel, sagt Birgit Noack. Dabei gibt es Wahlmöglichkeiten. Man kann im Mietvertrag festlegen, dass nach Miteigentumsanteilen abgerechnet wird, oder sogar verschiedene Verteilerschlüssel festschreiben. Muss man aber nicht. "Wurde nichts anderes vereinbart, gilt grundsätzlich die Wohnfläche als Verteilerschlüssel", betont Westner. Mal abgesehen davon "sind Sie nicht dazu verpflichtet, die genaue Wohnfläche in den Mietvertrag reinzuschreiben", klärt die Rechtsanwältin die Anwesenden auf. Sie rät ausdrücklich davon ab, dies zu tun. Denn die Berechnung der Wohnfläche sorge oft für Streit zwischen Mieter und Vermieter. Abrechnen könne man zudem nach Wohneinheiten oder nach Personenzahl, sagt Rechtsanwältin Noack, die das Thema Verteilerschlüssel ausführlich behandelt. "Auch ein Baby oder ein Untermieter zählt dabei als volle Person." Das Problem dabei: "Man muss schon das Naturell einer Hausmeisterin Else Kling haben, um genau zu wissen, wer im Haus wohnt." Else Kling wachte bekanntlich über Sitte und Anstand im Haus Lindenstraße 3 - sehr zum Leidwesen ihrer Familie und Nachbarschaft.

Detailliert widmet sich Noack auch den einzelnen Betriebskostenpositionen - und der Frage, welche Kosten umlegbar sind und welche nicht. Grundsatz Nummer eins: Bei Betriebskosten handelt es sich um turnusmäßig anfallende Ausgaben. Deshalb darf der Vermieter die Mieter zum Beispiel nicht für das Anfertigen eines Energieausweises zur Kasse bitten, da Kosten hierfür nicht laufend entstehen. Die regelmäßige Untersuchung des Trinkwassers im Hinblick auf Legionellen ist unter bestimmten Voraussetzungen umlagefähig. Und wenn der Grenzwert überschritten wird? Dann liegt ein konkreter Schaden vor. Die Kosten für dessen Beseitigung gehören nicht in die Abrechnung. Ähnlich verhält es sich bei Ungeziefer. Regelmäßige prophylaktische Maßnahmen gegen Kakerlaken und Ameisen sind umlegbar. Die Kosten, die beim Beseitigen einer großen Ameisenstraße in einer Wohnung entstanden sind, haben in der Betriebskostenabrechnung dagegen nichts zu suchen. Doch kaum eine Regel ohne Ausnahme. So kann das Einsetzen neuer Pflanzen im Gemeinschaftsgarten unter bestimmten Umständen zu Recht in den Betriebskostenabrechnungen der Mieter verbucht werden.

Manches ist noch in der Schwebe: "Ob die Mietkosten für Rauchmelder umgelegt werden dürfen, ist strittig. Irgendwann wird der BGH das entscheiden", sagt Noack. Deshalb rät sie zum Kauf von Rauchmeldern, "falls Sie's selbst entscheiden können". Die Kosten für die Anschaffung könne man als Modernisierungs-Mieterhöhung geltend machen.

Ausgaben für Instandhaltungen dürfen nicht angesetzt werden. Aber was zählt alles dazu?

Der zweite Grundsatz für den Inhalt der Abrechnung: In Betriebskosten-Positionen dürfen keine Instandhaltungskosten enthalten sein. Eine klare Trennung ist allerdings oft schwierig und nicht immer möglich. Klassische Hausmeistertätigkeiten wie Winterdienst oder Treppenreinigung darf der Vermieter umlegen. Verwaltungstätigkeiten des Hausmeisters oder Reparaturen nicht. "Wenn der Hausmeister eine Glühbirne wechselt, ist das an sich eine Instandhaltung, aber das kann man nicht rausrechnen", erklärt Noack. Vermieter und Mieter sollten sich ohnehin gut überlegen, ob es sich rentiert, das Geflecht verschiedener Tätigkeiten aufzudröseln.

Häufig streiten Mieter und Vermieter über die Abrechnung zum Wasserverbrauch, weil sich manche benachteiligt fühlen. Insbesondere dann, wenn der Verbrauch der jeweiligen Partei nicht exakt gemessen werden kann. Dass der Wasserverbrauch ein großes Thema ist, zeigt sich an entsprechenden Wortmeldungen im Seminar, in dem es auch darum geht, welche Regelungen für den Einbau von Wasserzählern gelten. Für Zwist in Wohnanlagen sorgen manchmal auch Aufzüge - die Kosten für ihren Betrieb gehören in die Abrechnung: "Was ist, wenn der Mieter sagt, dass er kein Geld für den Aufzug zahlen möchte, weil er nicht mit ihm fährt?" Die von ihr selbst gestellte Frage beantwortet Noack sogleich: "Er muss das zahlen, weil er die Möglichkeit zur Nutzung hat." Die Schlussfolgerung der Rechtsanwältin: "Die absolute Gerechtigkeit gibt es bei der Betriebskostenabrechnung nicht!"

Zum Schluss sorgt eine Wortmeldung für allgemeines Gelächter. Ein Vermieter eines Hauses mit drei Wohneinheiten verkündet: "Nach dem heutigen Tag habe ich noch weniger Lust, das alles selber zu machen." Er fragt die Seminarleitung: "Können Sie mir eine Hausverwaltung nennen, die bereit ist, auch eine kleinere Anlage zu betreuen?"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: