Was bei der HRE geschah:Drei Tage im Herbst

Großer Auftritt in Berlin: Namhafte Zeugen aus der Finanzwirtschaft sollen erklären, was sich im September beim Immobilienfinanzierer HRE abspielte.

Daniela Kuhr

Wer kann heute noch detailliert schildern, wie er im vergangenen Jahr die drei Tage vom 26. September bis 28. September, verbracht hat? Mit wem genau hat er worüber gesprochen? Und wie lange? Was wusste man bereits an diesem Wochenende? Und was erst später?

Hypo Real Estate, dpa

"Obwohl die Deutsche Bank gesagt hatte, dass sie nicht bereit ist, der HRE zu helfen, spielte sie bei den Rettungsverhandlungen Ende September die zentrale Rolle. Warum - fragen sich die Abgeordneten.

(Foto: Foto: dpa)

Für den normalen Menschen, zumindest für den, der kein Tagebuch schreibt, ist es geradezu unmöglich, das nach so langer Zeit noch wiederzugeben. Ob Josef Ackermann, der Chef der Deutschen Bank, Tagebuch schreibt, ist nicht bekannt. Es wäre aber hilfreich. Denn jetzt soll er sich erinnern. Ackermann ist für diesen Dienstag als Zeuge geladen - in den Untersuchungsausschuss zur Hypo Real Estate (HRE) in Berlin.

Die Interessen der Deutschen Bank

"Obwohl die Deutsche Bank damals bereits gesagt hatte, dass sie nicht bereit ist, der HRE zu helfen, spielte sie bei den Rettungsverhandlungen Ende September die zentrale Rolle", sagt der Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, Gerhard Schick. "Wir wollen wissen, warum. Welche Eigeninteressen hatte die Bank?"

Er erwartet sich weitere Hinweise darauf, dass die Bundesregierung damals versagt hat. Damals, als die USA überraschend die Investmentbank Lehman hatte pleite gehen lassen und die HRE daraufhin kurz davor war, die gesamte deutsche Bankenlandschaft in den Abgrund zu reißen.

Drei Tage lang dauerten die Beratungen im Herbst. In der Nacht auf Montag, den 29. September, schließlich beschlossen Finanzministerium und die privaten Banken, der HRE mit Bürgschaften über 35 Milliarden Euro aus einer Liquiditätsklemme zu helfen.

Nur eine Woche später mussten bei einer zweiten Hilfsrunde kurzfristig weitere 15 Milliarden Euro gewährt werden. Vorangegangen waren harte Verhandlungen zwischen Regierung und Banken, wer in welcher Höhe haftet. Mittlerweile bürgen beide Seiten bei der HRE für mehr als 100 Milliarden Euro, das Risiko trägt überwiegend der Bund. Die HRE ist zudem verstaatlicht.

Der Untersuchungsausschuss soll klären, warum der Immobilienfinanzierer überhaupt in Schieflage geriet, ob die Staatshilfen gerechtfertigt waren und wie die Rolle der Bundesregierung zu bewerten ist. Hätte sie durch ein früheres Eingreifen die dramatische Schieflage der HRE verhindern können? Die Kritik der Opposition richtet sich vor allem gegen Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen. Er war im Auftrag von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an allen Firmenrettungen der vergangenen Zeit beteiligt - von HRE über Opel bis Quelle.

Nach Ansicht von FDP-Obmann Volker Wissing hat Asmussen im vergangenen September nicht hart genug verhandelt. Er habe zu wenig Sicherheiten für den Staat herausgeholt und sich stattdessen auf eine Lösung eingelassen, die für den Steuerzahler am Ende teuer werden könnte.

"Kluge Choreographie"

Nach Ansicht der Opposition hätte der Beitrag der privaten Banken zur Rettung der HRE größer sein müssen. Sie wirft Asmussen zudem vor, erst am Sonntagabend zu den Verhandlungen nach Frankfurt gereist zu sein, als bereits feststand, dass der Bund zahlen muss. "Die Banken waren sehr gut vorbereitet und mit zahlreichen Anwälten vertreten", sagt Wissing. "Ihnen gegenüber stand nur Herr Asmussen, ohne einen Mitarbeiter." Der Staatssekretär sei in dieses Wochenende geradezu "hineingestolpert".

Dem widerspricht SPD-Obfrau Nina Hauer entschieden. "Die Choreographie, erst zum Schluss dazuzustoßen, war klug", sagt sie. "Es war völlig klar: Je früher die Regierung sich einschaltet, umso geringer wird der Beitrag der privaten Banken." Diese hätten sich dann nämlich darauf verlassen, dass der Bund schon zahlen werde. Nach Einschätzung von Hauer war bei den Verhandlungen damals nicht mehr herauszuholen.

Ursprünglich hätten die Banken gesagt, dass sie maximal zwei Milliarden Euro beisteuern würden. Am Ende des Wochenendes seien sie mit 8,5 Milliarden Euro in der Pflicht gewesen. "Ich finde, dass die Verhandlungen eine ganze Menge gebracht haben", sagt Hauer. Sie erwartet, dass Ackermann in seiner Aussage beschreiben wird, wie angespannt die Situation an den Finanzmärkten im vergangenen Herbst war und dass niemand eine solche dramatische Zuspitzung der Lage habe voraussehen können.

Neben Ackermann werden an diesem Dienstag auch noch der heutige HRE-Chef Axel Wieandt angehört sowie der frühere Finanzstaatssekretär Thomas Mirow. Im Lauf der Woche stehen auch die Aussagen des Präsidenten der Finanzaufsicht, Jochen Sanio, und des Bundesbankpräsidenten Axel Weber an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: