Warren Buffett:"Gestern bin ich gestorben"

Großinvestor Warren Buffett regelt seine Nachfolge. Ein junger, fast unbekannter Hedgefonds-Manager ist sein Kronprinz. Warum? Weil er sich in der Finanzkrise so gut geschlagen hat.

Nikolaus Piper

In der Schreibtischschublade von Warren Buffett liegt ein Umschlag, der am Tag nach dessen Tod geöffnet werden soll. Der Brief darin beginnt mit folgenden Worten: "Gestern bin ich gestorben. Das ist eindeutig eine schlechte Nachricht für mich, es ist aber keine schlechte Nachricht für das Unternehmen." Der Tonfall des Briefes ist ebenso typisch Buffett wie die Tatsache, dass er dessen Inhalt bereits vor Jahren Studenten der Universität von Washington erzählte.

Warren Buffett laughs during appearance with Bill Gates for town hall style meeting with students at Columbia University in New York

Typisch Buffett: "Gestern bin ich gestorben. Das ist eindeutig eine schlechte Nachricht für mich, es ist aber keine schlechte Nachricht für das Unternehmen."

(Foto: REUTERS)

Kaum ein großes börsennotiertes Unternehmen auf der Welt ist so auf den Chef zugeschnitten wie Berkshire Hathaway, die Finanzholding aus Omaha im US-Bundesstaat Nebraska, die Buffett 1967 übernahm und seither führt. Angesichts von Buffetts Alter - der Investor feierte am 30. August seinen 80. Geburtstag - ist die Nachfolgefrage bei Berkshire daher ungleich brisanter als anderswo. Seit Jahren fragten die Aktionäre bei Berkshires Hauptversammlungen, wie der Weise aus Omaha denn für den Fall seines Ausscheidens (oder Todes) vorgesorgt habe, ohne darauf eine befriedigende Antwort zu bekommen.

Komplexe Nachfolge

Das hat sich am Montag überraschend geändert. In einer knappen Pressemitteilung teilte Warren Buffett mit, dass er sich für den 39-jährigen Hedgefonds-Gründer Todd Combs als Investitionsmanager entschieden habe: "Drei Jahre lang haben Charlie Munger (Buffetts Partner, Anm. d. Red.) und ich nach jemandem von Todds Kaliber gesucht, der einen wesentlichen Teil von Berkshires Anlagevermögen managen könnte. Wir sind glücklich, dass Todd zu uns kommt."

Wenn es in Firmen so etwas wie die Ernennung zum Kronprinzen gäbe - dieser Satz wäre eine solche. Todd Combs leitet seit fünf Jahren einen Hedgefonds namens Castle Point Capital in Darien, Connecticut. Öffentlich ist er so wenig bekannt, dass es 24 Stunden nach der Presseerklärung Berkshires immer noch keine Fotos von ihm gab. Bei Castle Point verwaltet Combs ein Anlagevermögen von 400 Millionen Dollar, bei Berkshire wird er es mit 100 Milliarden Dollar oder mehr zu tun haben. Zeigt er sich dieser Aufgabe gewachsen, wird Combs der entscheidende Mann bei Berkshire werden.

Die Nachfolgefrage in Omaha ist auch deshalb so komplex, weil Buffett formal zwei Positionen innehat, die des eigentlichen Chefs (CEO) und die des Chief Investment Officer (CIO). Nach Buffetts Überzeugung ist er offenbar als CEO viel leichter zu ersetzen denn als CIO. Bereits im Frühjahr 2007 kündigte er an, dass im Falle seines Todes drei Kandidaten bereitstünden, die die Firma leiten könnten. Namen nannte er nie, als Favorit gilt jedoch David Sokol; der 53-Jährige ist Chairman (Chefaufseher) von Mid-American, einem Energieversorger und Berkshire-Tochterunternehmen. Auch der künftige Einfluss der Familie scheint geklärt. Zwar wird Buffett sein gesamtes Vermögen - er ist derzeit mit 45 Milliarden Dollar der zweitreichste Mann Amerikas - für wohltätige Zwecke stiften. Doch soll sein Sohn Howard Buffett Chairman werden.

Offen war bis Montag die Regelung für Buffetts zweiten Job als CIO. Als heißer Kandidat galt lange Li Lu, ein angesehener chinesisch-amerikanischer Hedgefonds-Manager, der Buffett zum Einstieg bei dem chinesischen Batterie- und Autohersteller BYD verholfen hatte. Doch Li Lu verzichtete von sich aus auf die Rolle des Kronprinzen. Damit war der Weg für Combs frei.

"Ziemlich gut" in der Finanzkrise abgeschnitten

Was Buffett sich bei seiner Entscheidung gedacht hat, erzählte er der Fortune-Kolumnistin Carol Loomis. Auch das ist typisch Buffett: Der Investor macht wichtige Dinge gerne unter Vertrauten aus. Die 80-jährige Loomis ist nicht nur die große alte Dame des amerikanischen Wirtschaftsjournalismus, sondern auch eine Freundin Buffetts. Combs sei ein "typisch amerikanischer Kerl", der keinerlei Interesse an Publicity habe, sagte Buffett. Außerdem sei dessen Abschneiden in der Finanzkrise "ziemlich gut" gewesen. Letzteres dürfte entscheidend gewesen sein.

Todd Combs wurde in Florida geboren und arbeitete nach dem Studium für die Finanzaufsicht des Bundesstaates. Dann ging er als Analyst zur Autoversicherung Progressive, einem wichtigen Konkurrenten von Buffetts eigener Versicherung Geico. Seinen Hedgefonds Castle Point gründete er 2005 und begann 2007 regulär zu investieren. Das war kurz vor Beginn der Finanzkrise und damit der denkbar schlechteste Zeitpunkt, um einen Fonds zu starten, noch dazu einen, der sich auf Finanzwerte spezialisiert.

Gemessen daran waren Combs Ergebnisse bemerkenswert: Im Krisenjahr 2008 verlor er nur 5,7 Prozent. Im vergangenen Jahr legte Castle Point um 6,2 Prozent zu. Das Ergebnis von 2008 ist nur dadurch zu erklären, dass Combs mit dem Instrument der Leerverkäufe, also der Spekulation auf sinkende Aktienkurse, meisterhaft hantierte. Was Buffett auch beeindruckt haben dürfte, ist die Tatsache, dass Combs die größten Dummheiten vermied. Er investierte in keines der Finanzinstitute, die in der Krise fast oder tatsächlich untergingen: AIG, Lehman, Bear Stearns, Citigroup, Washington Mutual, Countrywide, Fannie Mae.

All das passt zu den Eigenschaften, die Buffett 2007 von einem potentiellen CIO verlangte: Es müsse ein junger Mann sein, für den es auf das Gehalt nicht ankomme und der "genetisch programmiert" sei, "Risiken zu erkennen und zu vermeiden, auch solche, mit denen man es noch nie zuvor zu tun hatte".

In seinem damaligen Aktionärsbrief fügte er auch noch folgenden Satz hinzu: "Ich habe nur zögernd von dem Plan Abschied genommen, unser Portfolio auch nach meinem Tod zu verwalten."

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