Währungen: Carry Trades:Notenbank hilft Zockern

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In den USA sind die Zinsen niedrig, um die Wirtschaft anzukurbeln. Doch Anleger nutzen die niedrigen Zinsen für Währungsgeschäfte, die sehr gefährlich sein können.

Markus Zydra

Reich zu werden kann einfach sein, der Weg dahin allerdings auch sehr riskant, wenn es wie folgt läuft: Man leiht sich das Kapital für die Spekulation günstig in den USA. Die Kreditzinsen dort liegen wegen der lockeren Geldpolitik bei einem Prozent. Dieser Dollar-Betrag wird dann am internationalen Devisenmarkt gewechselt, beispielsweise in brasilianische Real. Und diese Summe fließt dann in eine brasilianische Staatsanleihe oder Aktie. Die mögliche Rendite beläuft sich da schon auf zehn Prozent.

Brasilien ist stark von der Aufwertung der Währung betroffen. Dort versucht die Regierung auch, den Kapitalzufluss zu regulieren, dennoch steigt der Wert des brasilianischen Real weiter an, was die Exporte des Landes verteuert. (Foto: dpa)

Ja, das ist zunächst einmal schnell verdientes Geld. Deshalb ist dieses Geschäft auch so beliebt, man nennt es Carry Trade: Investoren nutzen den niedrigen Zinssatz im einen Land, um den höheren Zins im anderen Land abzugreifen. Wenn alles gut läuft, springt auch noch ein Währungsgewinn heraus. In Brasilien gelingt das derzeit. Doch wenn es schlecht läuft, dann kommt zum Währungsverlust noch ein Kursverlust auf das Wertpapier hinzu. Schnelle Gewinne bergen immer die Gefahr hoher Verluste.

Problematisch für Schwellenländer

Im Zuge der Finanzkrise war der Carry Trade ab Ende 2008 ein wenig eingeschlafen. Ein Ursache lag darin, dass die Zinsen damals weltweit fielen, was solche Differenzgeschäfte weniger lukrativ machte. Zum anderen nahmen die globalen Wechselkursschwankungen zu, was diese Anlagestrategie noch riskanter machte. Seit einem Jahr wächst der Markt für Carry Trades aber wieder. "Einige Zentralbanker sind besorgt wegen Carry Trades mit dem Dollar, denn das oftmals nur geliehene Kapital fließt auch in Aktien von Schwellenländern, was die Preise in ungesunde Höhen treiben kann", sagt Matti Suominen, Professor für Finanzwissenschaft an der Aalto-Universität in Helsinki.

Niemand weiß, wie viel Geld genau weltweit in die Carry Trades fließt. Früher galt nur der japanische Yen als Carry-Währung, in Japan liegen die Zinsen seit 20 Jahren nahe Null. Jetzt nutzen Investoren auch die spendable amerikanische Geldpolitik. "Eigentlich sollen die niedrigen US-Zinsen die US-Wirtschaft ankurbeln", sagt Suominen. "Doch das Kapital fließt ab in die Schwellenländer, worauf die dortigen Währungen zum Schaden der heimischen Wirtschaft aufwerten." Das gelte etwa für Südafrika und Australien.

Brasilien ist ebenfalls stark von der Aufwertung betroffen, dort versucht die Regierung auch, den Kapitalzufluss zu regulieren, dennoch steigt der Wert des brasilianischen Real weiter an, was die Exporte des Landes verteuert.

Der angesehene chinesische Notenbanker Zhu Min hat den Dollar-Carry Trade schon vor Monaten als das größte Risiko für die Finanzmärkte in diesem Jahr bezeichnet. Das Kapital würde die Vermögenspreise in den Schwellenländern immer weiter nach oben treiben. Und wenn eine solche Preisblase platzt, dann können Carry Trades das globale Finanzsystem destabilisieren.

Entwicklung der Leitzinsen in den USA und Brasilien. (Foto: N/A)

"Sollten die Finanzmärkte plötzlich wieder in einen unerwarteten Krisenmodus verfallen, etwa wegen der europäischen Staatsschulden, dann werden die Carry Trades sehr schnell rückabgewickelt - mit schlimmen Konsequenzen", sagt Stefan Nagel, Professor für Finanzwirtschaft an der amerikanischen Universität Stanford. Er hat mögliche Auswirkungen von Carry Trades ausführlich analysiert und verweist auf den Herbst 2008.Damals, nach der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, mussten Hedgefonds ihren besorgten Kunden das anvertraute Kapital zurückgeben. Deshalb waren sie gezwungen, ihre Vermögenswerte auf den Markt zu werfen, was zu einem Preiseinbruch aller Anlageklassen führte. Die Rückabwicklung der Carry Trades stürzte den Devisenmarkt in Turbulenzen, das wiederum hatte negative Auswirkungen auf die Aktien-, Anleihe- und Derivatebörsen.

Seit damals ist die Welt wieder sensibilisiert für das Thema, doch immer noch fehlt ein Überblick über das Marktvolumen. Der Grund: Die meisten Carry Trades werden fern der Börse zwischen zwei Geschäftspartnern abgewickelt, die Aufsichtsbehörden haben keine verlässlichen Daten. "Es fehlt an Informationen, um das Volumen der Carry-Trades abschätzen zu können. Wie groß das Risiko eines Marktkollaps' ist, lässt sich deshalb nicht abschätzen", schrieb die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zuletzt in einer Untersuchung.

Aber dass es ein relevantes Restrisiko gibt, lehrt schon eine Geschichte aus dem Jahr 1997, zu Zeiten der Währungskrise in Thailand. Damals löste der Wertverlust des thailändischen Baht eine globale Panik aus, mit der kaum jemand gerechnet hatte.

© SZ vom 19.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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