Vom Vorstand zum Aufsichtsratschef:Schluss mit der Selbstkontrolle

Soll Josef Ackermann Aufsichtsratschef der Deutschen Bank werden? Bloß nicht! Jahrzehntelang war es in Deutschland üblich, dass Vorstandschefs im Rentenalter an die Spitze des Aufsichtsgremiums wechselten - und ihre Nachfolger von dort aus malträtierten. Keine Spur von unabhängiger Kontrolle. Mittlerweile ist das verboten. Und das ist auch gut so.

Karl-Heinz Büschemann

In der Wirtschaft gibt es viele unausrottbare Legenden. Eine besagt, dass der Markt keinen Fehler macht. Eine andere behauptet, die Börsen könnten in die Zukunft sehen und wüssten alles Wichtige zuerst. Eine andere Legende schließlich besagt, die besten Aufsichtsratschefs einer deutschen Aktiengesellschaft seien die früheren Vorstandsvorsitzenden. In jedem dieser Sätze liegt etwas Wahrheit, aber viel größer sind die Zweifel.

Deutschen Bank - Borsig und Ackermann

Darf Deutsche-Bank-Vorstandschef Josef Ackermann (r.) Nachfolger seines Aufsichtsratschefs Clemens Börsig werden?

(Foto: dpa)

Unter deutschen Managern geht der Frust um. Erstmals werden ausgeschiedene Vorstandschefs per Gesetz daran gehindert, Vorsitzende des Aufsichtsrates zu werden. Jürgen Hambrecht von BASF, Werner Wenning von Bayer und Wolfgang Mayrhuber von Lufthansa - sie alle gaben in den vergangenen zwölf Monaten ihre Posten als Vorstandschef auf - sind tief gekränkt. Sie müssen sich mit Kontrolleurs-Posten in anderen Firmen trösten. Schon hebt eine Debatte darüber an, ob Josef Ackermann, der bald den Vorstandsvorsitz bei der Deutschen Bank abgibt, auf den Stuhl des Ober-Aufsehers wechseln darf. Angeblich gibt es in der Bank starke Kräfte, die den Schweizer gerne auf diesem Posten sähen, um nach seinem Ausscheiden aus dem Chefbüro das Machtgleichgewicht im Konzern zu bewahren.

Es war einmal die Regel in diesem Land, dass die alten Chefs im Pensionsalter ihre Firma an vorderster Stelle beaufsichtigen können. So war das in der alten Deutschland AG, wo Personalien und Deals noch in Hinterzimmern ausgekungelt wurden und es keine Regeln für gute Unternehmensführung und -kontrolle (Corporate Governance) gab. Damals gehörte es zu den in Kauf genommenen Nebenwirkungen dieses Brauchs, dass die neuen Top-Kontrolleure ihre Nachfolger einengten. Vom Aufsichtsrat aus können sie Vorstandschefs malträtieren, die neue Wege versuchen. Sie können die Korrektur eigener Fehler verhindern oder sogar das Aufdecken krummer Geschäfte. Mangelnde Unabhängigkeit der Aufseher war ein Webfehler der deutschen Management-Praxis.

Glücklicherweise ist das besser geworden. Seit zehn Jahren gibt ein Kodex die Regeln für gute Führung von Firmen vor. Zentrales Anliegen der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex war die Beendigung des unseligen Automatismus bei der Besetzung des Aufsichtsratsvorsitzes. Oft handelte es sich nur um die Belohnung eines verdienten Mannes, der im Rentenalter nichts mit sich anzufangen gewusst hätte.

Doch der Kodex ist nicht verbindlich. Er kann ignoriert werden. So kam es, dass noch vor vier Jahren in der Hälfte der 30 Dax-Konzerne einstige Chefs den Aufsichtsrat führten. Heute sind es nur zehn Konzerne. Das liegt an einem Gesetz, das die Regierung 2009 erließ, weil die Konzerne von alten Usancen nicht lassen wollten. Seitdem ist der Übertritt in den Aufsichtsrat für ein ehemaliges Vorstandsmitglied verboten, solange nicht zwei Jahre Abkühlphase verstrichen sind. Diese Regel kann nur ausgehebelt werden, wenn Vertreter von 25 Prozent des Aktienkapitals die Wahl des Ex-Chefs in den Aufsichtsrat vorschlagen.

Diese Vorschrift aber geht zu weit. Sie besagt, dass ein Ex-Vorstand nicht einmal als einfaches Mitglied in den Aufsichtsrat wechseln darf. Das ist nicht sinnvoll. So geht das Wissen von Führungskräften mit der Pensionierung verloren. Den Wechsel eines früheren Chefs auf einen einfachen Aufsichtsrats-Job sollte die Regierung bei Gelegenheit wieder erleichtern.

Interessant ist, wie verzagt die unglücklichen Ex-Chefs mit der Möglichkeit umgehen, eine ausreichende Stimmenzahl zu organisieren, um die 25-Prozent-Hürde zu überwinden. Im Falle von Ackermann könnten Leitende Angestellte mit ihren Aktien und ein paar Investoren das nötige Quorum erreichen. Wer in einer Firma gute Arbeit hinterlassen hat, sollte Verbündete finden. Doch praktisch ist es schwer, ein solches Stimmenpaket auf die Beine zu stellen. Das sollte denen zu denken geben, die sich als Aufsichtsratschef für unentbehrlich halten. Vielleicht sollte sich Josef Ackermann bereit erklären, sein Wissen dem Unternehmen künftig nur als einfaches Mitglied im Aufsichtsrat zur Verfügung zu stellen. Das wäre ein honoriges Angebot und garantiert nicht umstritten.

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