Viele Millionen Euro fehlen:Reinfall in Monaco

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Sie wollten ihr Geld sicher anlegen. Hunderte Wohlhabende fühlen sich von Baron Thyssen-Bornemisza um ihre Millionen gebracht, da seine Investmentgesellschaft beim Milliardenbetrüger Madoff investiert hatte. Jetzt fordern einige Anleger ihr Geld zurück - und verklagen den Baron.

Malte Conradi

Für viele Reiche sieht so wohl Vertrauen aus: dieser Name. Dieser Titel. Dieser ausgesuchte Geschäftssitz! Georg Heinrich Baron Thyssen-Bornemisza - Freunde dürfen ihn angeblich Heini nennen - sammelt seit mehr als zwanzig Jahren von Monaco aus das Geld von vermögenden Europäern ein, um es in Hedgefonds zu investieren. Seine Thybo-Investmentgesellschaft entstand damals aus der Vermögensverwaltung der Milliardärsfamilie, einer alten Verbindung der Industriellendynastie und eines ungarischen Adelsgeschlechts.

Thybo hat mehr als 200 Millionen Euro an den Milliardenbetrüger Bernard Madoff (im Vordergrund) weitergereicht - so wie viele andere. (Gerichtszeichnung des Madoff-Prozesses in New York). (Foto: AFP)

"Strikte Kriterien" bei der Fonds-Auswahl verspricht Thybo, einen "vorsichtigen und ganzheitlichen Ansatz" sowie "äußerste Sorgfalt" bei der Prüfung jedes Fonds. Das Ergebnis, wie könnte es anders sein: "Exzellente Renditen".

Erik Bomans hat ein ganz anderes Bild von der exquisiten Vermögensverwaltung. "Thybo hat seine großen Versprechungen an die Kunden nicht einmal im Ansatz eingehalten", sagt der Anwalt der belgischen Investorenvereinigung Deminor. Statt die besten Hedgefonds auszusuchen, statt Bilanzen und Anlagestrategien zu studieren, statt also seiner gut bezahlten Aufgabe nachzukommen, habe Thybo mehr als 200 Millionen Euro an den Milliardenbetrüger Bernard Madoff weitergereicht - so wie viele andere. Dessen Schneeballsystem flog Ende 2008 auf und riss die Thybo-Millionen mit sich. Im Namen von etwa 300 privaten Anlegern verlangt Bomans nun 32 Millionen Euro zurück. Deminor hat Thybo deshalb in Monaco verklagt.

"Die wollten keine spekulativen Spielchen"

Es sind wohlhabende, aber keine superreichen Menschen, die ihr Geld sicher und defensiv investieren wollten", sagt der Brüsseler Anwalt. "Die wollten keine spekulativen Spielchen." Bei der monegassischen Vermögensverwaltung fühlten sie sich mit diesen Wünschen gut aufgehoben. Immerhin verschickte Thybo an seine Kunden eine ausführliche Checkliste, die auf jedes Investment angewandt werde. "Das war deren wichtigstes Verkaufsargument", sagt Bomans.

Doch wie aus anderen Prozessen rund um die verschwundenen Madoff-Millionen bekannt wurde, ließ der Hedgefonds-Manager sich niemals in die Karten schauen. Wer bei Madoff investieren wollte, musste ihm einfach vertrauen. Und das war verführerisch, denn jahrelang schüttete er hohe Renditen aus und verzichtete zugleich auf Managementgebühren. "Für Thybo war das natürlich verlockend", sagt Bomans. "Sie konnten die Gebühren selbst einstreichen und mussten sich um nichts kümmern: eine Traum-Maschine." Vorsichtigen Schätzungen zufolge soll die Familie Thyssen-Bornemisza so zwischen zehn und 20 Millionen Euro verdient haben.

Bei Madoff machte der Baron also offenbar, so der Vorwurf der Kläger, eine Ausnahme und verzichtete auf eine genaue Prüfung. Kein Problem, sagt Bomans, hätte er seinen Klienten nicht das Gegenteil versprochen. Und noch einen Vorwurf macht Deminor den Monegassen. Thybo habe gar nicht die notwendige Lizenz besessen, um mit Fonds zu handeln. Das Unternehmen hätte seine Kunden ausschließlich beraten dürfen, heißt es aus Brüssel.

Auch Thybo sei nur Opfer des Madoff-Betrugs

Bei Thybo hingegen übt man sich in vornehmer Zurückhaltung. Man spreche grundsätzlich nicht mit der Presse, niemals, bescheidet man Anfragen höflich. Stunden später dann doch eine dürre Stellungnahme: Thybo weist darin alle Vorwürfe zurück. Ja, es seien Verluste entstanden. Nun aber scheue das Thybo-Management weder Kosten noch Mühen, um verlorenes Geld für die Investoren wiederzuerlangen. Man werde sich aber nicht unter Druck setzen lassen, bestimmte Anleger dabei zu bevorzugen. Die Gesellschaft sei letztlich, wie so viele andere, ein "Opfer des Madoff-Betrugs".

Ganz ähnlich äußerte sich erst kürzlich ein Sprecher des monegassischen Finanzministeriums. "Das Problem liegt nicht bei Thybo, sondern bei Madoff", sagte er in einem Interview. Die Kontrolleure der Regulierungsbehörde CCAF seien bei Thybo nie auf Probleme gestoßen. Solch eine Parteinahme in einem laufenden Prozess mag einen doch ziemlich erstaunen, liegt aber wohl daran, dass auch die Behörden des Fürstentums etwas zu verlieren haben in der Geschichte: ihren Ruf. Gerade erst hat der Stadtstaat es geschafft, von der Schwarzen Liste der Steueroasen gestrichen zu werden. Neue Diskussionen über eine laxe Finanzaufsicht kommen da ungelegen.

Der Anwalt Bomans und seine Kollegen würden solche Verdächtigungen natürlich nie laut aussprechen, aber was sie erzählen, deutet eine ungute Nähe zwischen dem Baron Thyssen-Bornemisza und dem Fürstenhaus geschickt an: Viele Mitglieder der Thyssen-Familie sind schon lange in Monaco ansässig, da kennt man sich. Oder das: Die Finanzindustrie ist ein wichtiger Faktor in dem Zwergenstaat, warum sollte man es sich mit ihr verderben?

Deminor versucht nun offenbar, das Fürstenhaus öffentlich unter Druck zu setzen, um Bewegung in die Sache zu bringen. Zuletzt schrieben die Anwälte einen Brief an Fürst Albert II. Eine Antwort haben sie nicht erhalten, das erzählen sie gerne öffentlich.

© SZ vom 12.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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