Versorgung durch die Tafeln:Fiskus verzichtet auf Steuern für Lebensmittelspenden

Armentafeln versorgen regelmäßig mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Brot, Gemüse und Milch. Die Spender müssen ihre Gaben eigentlich versteuern. Doch nun will der Fiskus für die Tafeln eine Ausnahme machen.

Guido Bohsem

Sogar der deutsche Fiskus hat manchmal ein Herz. Sicher, die Herztöne sind meist nur schwach zu hören und so richtig warm wird es einem auch nicht ums Gemüt, wenn man mit seinem Finanzbeamten über die Steuererklärung korrespondiert. Und doch gibt es sie, die Nächstenliebe in den Amtsstuben der deutschen Finanzverwaltung.

Den Beweis dafür haben jetzt ausgerechnet die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder erbracht. Kurz gefasst, haben die Experten beschlossen, fünf gerade sein zu lassen, wenn es um die Besteuerung von Lebensmittelspenden an die gemeinnützigen Tafeln geht. Eigentlich, so lautet die Begründung, müsse der Spender Mehrwertsteuer auf seine Spende zahlen. Doch nun will man für die Tafeln eine Ausnahme machen.

Die Tafeln sind eine gemeinnützige Einrichtung. Sie sammeln Lebensmittel von Supermärkten, Bäckereien, Gemüsehändlern und Herstellern und verteilen sie an Arme. 1993 wurde in Berlin die erste Tafel gegründet. Inzwischen gibt es fast 900. Sie versorgen regelmäßig mehr als 1,5 Millionen Menschen mit Brot, Gemüse, Obst, Milch und Schokolade. Häufig sind darunter Hartz-IV-Empfänger und Obdachlose. Knapp ein Drittel der Tafel-Gäste sind Kinder und Jugendliche.

Es war der Bäckermeister Roland Ermer, der die erfolgreiche Armenspeisung in Gefahr gebracht hatte. Nein, nicht der 48-jährige Sachse selbst war der Schuldige, sondern vielmehr das für ihn zuständige Finanzamt. Vor etwa drei Jahren hatte sein Finanzbeamter bei einer Betriebsprüfung Ermers Brötchenspenden an die Tafel moniert und Nachzahlungen gefordert. Der Bäckermeister spendet weiter und überweist die Mehrwertsteuer.

Bund und Länder einigen sich auf Billigkeitsregelung

Bei den Tafeln war man besorgt. Man befürchtete, dass weitere Finanzämter dem sächsischen Vorbild folgen würden oder Unternehmer aus Furcht vor Steuernachzahlungen nicht mehr spenden würden. Tatsächlich war diese Sorge nicht unbegründet. Denn das Amt hat korrekt gehandelt. So jedenfalls antwortet das Finanzministerium auf Anfrage des Linken-Abgeordneten Richard Pitterle. "Lebensmittel- und Sachspenden unterliegen dem Grunde nach als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer", schreibt Staatssekretär Hartmut Koschyk (CSU).

Jedoch hätten sich Bund und Länder bei den Lebensmittelspenden auf eine Billigkeitsregelung geeinigt. Man wolle künftig nicht mehr beanstanden, wenn für eine Spende "von Lebensmitteln kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder der Verkaufsfähigkeit als Frischware" keine Mehrwertsteuer gezahlt werde.

Womöglich, um nicht ganz so großzügig zu erscheinen, fügt Koschyk hinzu, dass es für diese Lebensmittelspende keinesfalls eine Spendenbescheinigung von der Tafel geben dürfe. Wird eine Quittung ausgestellt oder werden andere Waren gespendet, erfülle dies den Tatbestand der Steuerhinterziehung.

Bei den Tafeln herrscht Erleichterung über die großherzige Entscheidung. "Eine gute Nachricht", sagte eine Sprecherin. Der Berliner Steuerprofessor Frank Hechtner gibt hingegen zu bedenken, dass die großzügige Regelung nur für die Zukunft gelten soll. Wer früher gespendet habe, könne theoretisch noch vom Fiskus belangt werden.

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