Versicherungspflicht in Deutschland:Krankenkassen erlassen Schulden bis Jahresende

Krankenversicherungen sind in Deutschland gesetzlich Pflicht. Wer bislang nicht versichert ist und das nachholen will, muss hohe Nachzahlungen und Säumniszuschläge leisten. Das ändert sich nun vorübergehend.

Von Guido Bohsem

Nun gilt es. Die Frist läuft noch bis zum Ende des Jahres. Wer derzeit keine Krankenversicherung hat, sollte sich bis zum 31.12.2013 bei einer Kasse melden. Nur wer diesen Übergangszeit nutzt, erhält die Chance, alle ausstehenden Beitragszahlungen und die darauf fälligen Säumniszuschläge erlassen zu bekommen.

Nach dem "Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden", das am Freitag den Bundesrat passierte, sind die Krankenkassen in den nächsten Monaten zur Großzügigkeit verpflichtet. Ziel der von der schwarz-gelben Koalition angestoßenen Regel ist es, auch die Menschen für die gesetzliche Krankenversicherung zu gewinnen, die sich bislang aus Furcht vor hohen Nachzahlungen nicht bei ihrer Kasse gemeldet haben.

Seit dem 1. April 2007 gilt in der Bundesrepublik die allgemeine Versicherungspflicht. Alle, die sich nicht privat versichern müssen oder können, sind seit diesem Tag verpflichtet, zu einer gesetzlichen Krankenkasse zu gehen. Wer es trotzdem vermieden hat, sich bei einer Krankenkasse zu melden, musste bislang mit hohen Nachzahlungen rechnen: die Beiträge für jeden Monat plus ein Säumniszuschlag von fünf Prozent pro Monat.

Dadurch haben sich bei den Betroffenen Schulden angehäuft, die viele von ihnen unmöglich begleichen können. Sie meiden deshalb auch weiterhin den Kontakt zu einer Krankenkasse. Im Krankheitsfall suchen sie stattdessen Ärzte auf, die sie gegen niedriges Honorar oder umsonst behandeln. Ein Beispiel dafür ist die "Praxis ohne Grenzen" in Bad Segeberg. Mittwochs zwischen 15 und 17 Uhr halten dort sieben Ärzte Sprechstunden ab. Für die Behandlung ist keine Versichertenkarte notwendig und es wird auch kein Geld von den Patienten verlangt.

Säumniszuschläge sinken von fünf auf ein Prozent

Doch auch für Versicherte, die lediglich mit ihren Zahlungen in Rückstand geraten sind, bietet die neue Regelung eine Erleichterung. Die bislang erhobenen Säumigkeitszuschläge von fünf Prozent im Monat werden deutlich reduziert. Künftig soll nur noch ein Prozent fällig sein. Die große Koalition hatte die Zinsen bewusst hoch gesetzt, um zu verhindern, dass sich die Bürger vor der Versicherungspflicht drücken. Dieses Konzept wurde aber nun als kontraproduktiv und sogar schädlich verworfen.

Wer sich beispielsweise als Selbstständiger in der privaten Krankenversicherung (PKV) versichern müsste und das bislang nicht getan hat, kann ebenfalls bis Ende des Jahres mit Milde rechnen. Voraussetzung dafür ist, bis zum 31. Dezember einen Vertragsabschluss nachweisen zu können. Die aufgelaufenen Beitragsschulden werden dann erlassen.

Zudem soll in der PKV ein Notlagentarif geben. In diese werden Privatversicherte überführt, wenn sie trotz Mahnverfahren ihre Prämien nicht zahlen. Für sie wird dann ein deutlich niedrigerer Betrag fällig. Allerdings steht ihnen auch nur ein eingeschränktes Angebot von Leistungen zur Verfügung. Die medizinische Akutversorgung soll weiterhin sichergestellt sein. Das gilt insbesondere, wenn es um die Versorgung von Kindern und Jugendlichen geht. Der Abbau von Beitragsschulden wird durch die niedrige Prämie des Notlagentarifs deutlich erleichtert, und das Rückkehrrecht in den ursprünglichen Tarif wird gestärkt.

Nach Angaben der PKV wird die Umstellung allerdings erst schrittweise erfolgen und einige Monate Zeit in Anspruch nehmen. Grund dafür sei der hohe bürokratische Aufwand. Den Betroffenen soll jedoch durch den zeitlichen Verzug kein Nachteil entstehen, teile der Verband am Freitag mit.

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