Versicherungen:Aufbruch in neue Märkte

Eiseskälte in New York

Blick über den East River auf die Skyline von Manhattan. Der Versicherungskonzern Allianz findet Immobilien-Engagements in den USA interessant.

(Foto: Axel Kull/dpa)

Die Konzerne legen immer mehr Geld in Immobilien an. Die Allianz verdoppelte in den vergangenen fünf Jahren ihre Vermögenswerte auf 42 Milliarden Euro.

Von Anne-Christin Gröger

Das Oracle Building in San Francisco, das Hindenburghaus in Hamburg und der Palazzo Rougier in Mailand - diese schicken Gebäude in den Zentren angesagter europäischer Metropolen haben eine Gemeinsamkeit: Sie gehören der Allianz. Der Versicherer vermietet sie. Als Verkaufsfläche für den Einzelhandel, als Bürogebäude für Unternehmen oder als Wohnungen für Privatleute.

Dass Versicherungsunternehmen als Eigentümer von Immobilien auftreten, ist nicht ungewöhnlich. Die meisten Gesellschaften haben einen Teil der Kundengelder in Gebäude oder Grundstücke gesteckt, um damit Rendite zu erwirtschaften. Bisher ist der Immobilienanteil an den gesamten Kapitalanlagen der Versicherer sehr gering. Nach Angaben des Gesamtverbands der deutschen Versicherungswirtschaft von Ende 2014 machten Büros, Wohnimmobilien und Einzelhandelsräumlichkeiten nur 3,3 Prozent der Kapitalanlagen von Erst- und Rückversicherern aus. Den größten Teil stellen mit knapp 81 Prozent festverzinsliche Wertpapiere.

Das soll sich ändern, zumindest sieht es die Anlagestrategie vieler Gesellschaften so vor. Eine Umfrage der Beratungsgesellschaft EY, früher Ernst & Young, vom Juni 2015 hat ergeben, dass die Immobilienquote der deutschen Versicherer ansteigt. Lag sie 2009 noch bei 6 Prozent, so sind es im Jahr 2015 schon 7,6 Prozent. Weil die Zinsen niedrig sind und klassische Anlageformen wie festverzinsliche Wertpapiere kaum noch etwas abwerfen, suchen viele Unternehmen nach anderen Investitionsmöglichkeiten. Immobilien könnten eine der Alternativen sein.

"Immer mehr Versicherer und Rückversicherer werden die Anlage in Immobilien ausbauen wollen", erwartet François Trausch, CEO der Allianz Real Estate, dem Immobilieninvestment- und Asset-Manager der Allianz. "Diese Entwicklung wird anhalten, da die Zinsen wohl noch eine Weile niedrig bleiben", sagt der französische Manager, der seit Januar in der Position des Vorsitzenden der Geschäftsführung tätig ist. Die Allianz werde ihre Beteiligungen in diesem Bereich kontinuierlich ausbauen. "2015 lag unser Portfolio bei Immobilien weltweit bei 42 Milliarden Euro", sagt er. "Das ist fast eine Verdoppelung im Vergleich zu 2010, als wir noch bei 23 Milliarden Euro lagen." Außerdem wolle die Allianz in dem Bereich weiter wachsen. "Wir wollen von 42 Milliarden auf 60 Milliarden Euro kommen", sagt er.

Dass der Ausbau des Immobiliengeschäfts nicht so schnell geht, wie mancher Versicherer das gerne möchte, liegt auch an einem heftigen Wettbewerb. Zumindest in vielen nord- und westeuropäischen Städten bieten die so genannten Core-Assets eine wesentlich bessere Rendite als konventionelle Anlageformen wie Staatsanleihen. Core Assets sind Immobilien in den besten Lagen von internationalen Großstädten, die langfristig an Mieter mit hoher Bonität vermietet sind. Das macht sie attraktiv für Anleger.

Neben Versicherern und Rückversicherern wollen auch Banken, Pensions- oder Investmentfonds mitmischen. "Es gibt eine hohe Nachfrage nach diesen Core-Assets", sagt Trausch.

Die Konkurrenz ist inzwischen global aktiv. Chinesische Investoren interessierten sich für deutsche Immobilien genauso wie kanadische Pensionsfonds oder der Pensionsfonds DIC aus Singapur. Dazu kommt: "Das Angebot an diesen hochwertigen Immobilien ist in Europa begrenzt", sagt er. Gleichzeitig steige die Nachfrage von Mietern, das mache Zukäufe schwieriger. Trausch sagt, die Preise hätten deutlich angezogen, eine Immobilienblase sieht er aber nicht.

Außerdem sei zu prüfen, welche Potenziale sich bei den Mieteinnahmen bieten. "Die Finanzmärkte sind sehr volatil, das müssen wir beachten", erklärt der Manager. "Sicher ist es sinnvoll, in ein Gebäude zu investieren, das für die nächsten 20 Jahre vermietet ist", sagt er. "Bei kurzen Laufzeiten oder Leerständen sollte man als Versicherer aber kritisch hinterfragen, ob es in der aktuellen Marktsituation eine gute Investition ist und ob die Mieteinnahmen erreicht werden können, die man erwartet."

Die Allianz verfüge über zahlreiche Diversifikationsmöglichkeiten. Damit könne sie bei unterschiedlichsten Anlagemöglichkeiten mitbieten, würde aber nicht um jeden Preis kaufen. Zu einem aktiven Portfoliomanagement gehöre auch, sich von unrentablen oder kleineren Beständen zu trennen. "Die Versicherer tendierten lange Zeit dazu, Immobilien zu kaufen und sie dauerhaft zu behalten", sagt der Franzose. Heute sei es üblich, den Bestand regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls zu veräußern. Besonders kleinere Investitionen seien teuer zu managen. "Für einen Investor wie die Allianz ist es sinnvoll, sich auf größere Anlageformen zu konzentrieren. "Vor allem in Deutschland und Italien haben wir unsere kleineren Objekte und Streulagen im Wert von jeweils 10 Millionen Euro oder darunter verkauft, dabei ging es vor allem um Büros."

Der amerikanische Wohnungsmarkt ist besonders attraktiv

Hauptregion für Investitionen bleibt Europa. "Die Allianz ist ein europäischer Versicherer, deswegen wird der Großteil der Investitionen auch in Europa bleiben", sagt Trausch. Hier befinden sich 84 Prozent aller Immobilien, in die der Versicherer investiert ist. Aufgeteilt nach den unterschiedlichen Immobilienarten sind 57 Prozent Büroimmobilien, 17 Prozent Wohnungen, 21 Prozent Shopping-Center und 5 Prozent sonstige Objekte.

Die Allianz investiert aktuell nicht in deutsche Wohnimmobilien. "Aus Diversifikations- und Aufwandsgründen haben wir unser Wohnportfolio in Deutschland und Frankreich bereits über die vergangenen Jahre hinweg reduziert", sagt Trausch. "Bei den Wohnimmobilien waren wir global bei über 25 Prozent, jetzt sind es unter 20 Prozent." Die in Deutschland vor Kurzem gesetzlich beschlossene Mietpreisbremse, die es auch in Frankreich gibt, mache das Engagement in Wohnimmobilien nicht gerade attraktiver. Die Allianz konzentriere sich zurzeit auf andere Märkte: "Die USA sind hier interessanter."

Besonders spannend sind - nicht nur bei Wohnimmobilien - Städte wie Boston, New York oder San Francisco. "Hier sind viele Unternehmen angesiedelt, junge Menschen ziehen hierher - diesen Trends wollen wir weltweit folgen." Außerdem arbeite die Allianz am Ausbau ihres Engagements in Schwellenländern. "In der Asien-Pazifik-Region sind wir noch unterrepräsentiert, derzeit überlegen wir, wie wir dort mit unseren Immobilieninvestitionen auf vernünftige Art und Weise expandieren können."

Als eine der Herausforderungen der Zukunft sieht Trausch den Umgang mit neuen Marktpartnern. "Es gibt hier viele neue Anbieter, die vor allem für High-Tech-Firmen arbeiten", sagt er. Als Beispiel nennt er das US-Start-up WeWork, das demnächst auch in Berlin Fuß fassen will. WeWork mietet an hippen Standorten Büroflächen im großen Stil, stattet sie stylisch aus und vermietet sie für wesentlich höhere Preise an Gründer oder Freiberufler.

"Ich ermutige unsere Teams, sich mit diesen neuen Anbietern auseinanderzusetzen", sagt Trausch. "Start-ups wie WeWork expandieren derzeit sehr schnell, sie vermieten nicht nur Quadratmeter, sondern auch einzelne Arbeitsplätze für kürzere Zeit." Die Bedürfnisse der Mieter hätten sich geändert. "Junge Unternehmer wollen sich nicht dauerhaft festlegen, sie wollen kurzfristig mieten, einen Arbeitsplatz in nettem Design und eine schicke Kaffee-Ecke."

Etablierte Anbieter könnten von solchen Konkurrenten profitieren, meint Trausch. "Mit ihrer Hilfe können wir die veränderten Ansprüche der Mieter besser verstehen." Allerdings müsse man aufpassen, dass solche Start-ups nicht irgendwann als Vermittler zwischen Mietern und Investoren fungierten. "In der Zwischenzeit haben wir jedoch mehr von ihnen zu lernen als zu befürchten", sagt Trausch.

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