Verkaufspsychologie im Supermarkt:Links herum kauft's sich leichter

Einkaufen im Supermarkt

10.200 Artikel: So viele Produkte führt ein Supermarkt im Schnitt.

(Foto: Anna Zielinska; gpointstudio/iStockphoto)

Warum sind im Supermarkt die Gurken weit vorne und die Joghurts ganz hinten? Warum haben die Betreiber Kunden mit Einkaufswagen besonders gern? Und wieso steht das Mehl ganz unten? Einblicke in die Kunst der Einkaufsverführung.

Von Stefan Weber

Als Herbert Ecklöh, der Großvater des heutigen Douglas-Chefs Henning Kreke, im Jahr 1938 den ersten Selbstbedienungsladen in Deutschland eröffnete, da wusste er noch nicht, wie die Kunden ticken: Wohin mit welcher Ware? Wohin mit den Regalen, der Kasse, den Einkaufskörben? Ecklöhs Geschäft in Osnabrück, das als Vorläufer der Supermärkte diente, lief mehr schlecht als recht.

Es dauerte einige Jahrzehnte, bis die Betreiber der Supermärkte den Dreh im wahrsten Sinne des Wortes heraushatten. Inzwischen wissen sie ganz genau, wie sie die Waren am besten an den Mann oder die Frau bringen. Sie richten ihre Läden nach Prinzipien ein, die vielerorts die gleichen sind. Für die Kunden ist das praktisch: Sie können selbst in einem Laden, den sie zum ersten Mal betreten, oft erahnen, wo sie bestimmte Produkte finden. Praktisch ist dies aber auch für die Händler: Sie verführen ihre Kunden trotz all der Sonderangebote und Rabatte dazu, möglichst viel Geld auszugeben - manchmal mehr, als diese wollen.

Wie aber funktioniert das? Was sind die Geheimnisse des Supermarkts? Wie funktioniert die Kunst der Verführung?

Also: Rein in den Laden! Der Eingang ist an der rechten Seite des Gebäudes. Das ist bei praktisch allen Supermärkten der Fall. Drinnen geht es meist links herum, bis man wieder bei der Kasse landet. Warum aber? Weil sich die Kunden dabei wohler fühlen, sagen Wissenschaftler. Was nichts anderes heißt, als dass sie dann "kaufbereiter" sind. "Linksdrehende" Supermärkte, das haben Tests gezeigt, erzielen höhere Umsätze. Experten schätzen, dass die Kunden der 10.500 Supermärkte in Deutschland zwei Drittel ihrer Einkaufsentscheidungen emotional treffen. Deshalb wollen die Marktbetreiber eine Atmosphäre schaffen, die den Kunden dazu verleitet, möglichst oft zuzugreifen. Er soll verführt werden.

Einkaufswagen, Korb oder reichen die Hände?

Die Schiebetür schließt sich. Der erste Eindruck: angenehm kühl hier! Das ist kein Zufall. Der Marktleiter hat den Laden auf exakt 19 Grad temperiert. Ist es wärmer, werden die Kunden träge. Sie können sich schlechter entscheiden. Ist es kühler als 19 Grad, frösteln die Einkäufer und wollen schnell wieder raus aus dem Laden, statt zwischen den Gängen zu bummeln und vielleicht hier und da noch einmal zuzugreifen.

Der Einkauf beginnt am Eingang gleich mit einer entscheidenden Frage: den Einkaufswagen oder den Korb nehmen - oder reichen die Hände? Kunden, die zum Wagen greifen, sind dem Supermarktbetreiber am liebsten. Auch mit zwei Packungen Milch und ein paar Joghurts wirkt der Einkaufswagen immer noch leer - was dem Kunden nach Einschätzung von Verkaufspsychologen signalisiert: Du musst kein schlechtes Gewissen haben; noch hast du so gut wie nichts gekauft. Warum stehen an der Kasse dennoch oft viele Leute ohne Wagen oder Korb, die umständlich mit Schachteln, Tüten und Flaschen jonglieren? Weil sie den Laden mit der Absicht betreten hatten, nur ein oder zwei Sachen zu kaufen Erst beim Gang durch die Gänge entschieden sie sich auch noch für eine Packung Salzstangen, zwei Flaschen Bier und eine Zeitschrift.

Augenweide Blattsalat, Frischwaren erhöhen die Kundenfrequenz

Los geht's also! Als erstes kommt der Kunde vorbei am Stand für Obst und Gemüse. Frisch und knackig sehen die Äpfel, Kohlrabi und Möhren aus. Auch der Blattsalat: eine Augenweide. Der Marktleiter achtet darauf, dass hier im Eingangsbereich die Optik stimmt. Der erste Eindruck ist wichtig. Der Kunde soll das Gefühl erhalten: Hier bist du im Frischeparadies; hier stimmt die Qualität. Außerdem sorgen Frischwaren für eine hohe Kundenfrequenz.

Je mehr Verkaufsregale, desto öfter die Versuchung, noch woanders zuzugreifen

Vorbei geht es am Regal mit Kaffee. Gleich gegenüber stehen Brotaufstriche: Marmeladen, Schokoladencremes, Honig. Schlau gedacht vom Marktbetreiber, Produkte in enger Nachbarschaft zu platzieren, die beim gleichen Anlass (hier: Frühstück) verzehrt werden. Denn es liegt nahe, dass manchem Kaffee-Käufer beim Blick aufs Marmeladenregal einfällt, dass das Glas mit der Aprikosen-Konfitüre zu Hause fast leer ist. Schließlich geht es bei der Platzierung der Waren nicht nur darum, wo ein Kunde ein Produkt erwartet. Wichtig ist: Welche Artikel lassen sich gemeinsam präsentiert besser verkaufen als jedes für sich?

Sind die Wege zu weit, sind die Kunden verärgert

Im nächsten Gang links stehen die Nudelpackungen; es folgt das Regal mit den Süßigkeiten. Die Kühltheke dagegen findet sich wie in jedem Supermarkt im hinteren Teil des Ladens. Das ist Absicht: Molkereiprodukte sind häufig gefragte Artikel. Schnelldreher, wie es im Handelsjargon heißt. Viele Kunden betreten den Laden nur ihretwegen. Der Marktbetreiber möchte ihnen jedoch auch andere Sachen verkaufen. In jüngster Zeit sind die Märkte dabei immer größer geworden: Ein durchschnittlicher Markt führt mehr als 10.200 Artikel; manche sogar über 20.000. Vor zehn Jahren waren es nur etwa 9000. Deshalb mutet er den Kunden weite Wege zu.

Je mehr Verkaufsregale ein Milch-Käufer passiert, desto öfter kommt er in Versuchung, noch woanders zuzugreifen. Aber diese Art der Kundenführung ist gewagt: Sind die Wege zu weit, sind die Einkäufer verärgert und kaufen bei der Konkurrenz, wo sie schneller zum Ziel kommen. An der Kühltheke kommen Margarine, Milch, Käse und Joghurts in den Einkaufskorb - und dann weiter zum Regal mit den Keksen. Auf direktem Weg geht das nicht: Eine Art Wühltisch versperrt den halben Gang. "Aufsteller", sagen Handelsstrategen dazu. Sie sollen Tempo rausnehmen. Was wird da angeboten? Schokolade. Stapelweise. Die Präsentation signalisiert: Hier ist etwas billig. Also schnell ein paar Tafeln rein in den Einkaufskorb; das ist eine Gelegenheit.

Markenprodukte in Sichthöhe

Endlich kommt man am Regal mit den Keksen an. Welche sollen es sein? Als erstes fällt der Blick auf die bekannten Markenprodukte. Sie versprechen dem Händler eine gute Marge. Deshalb hat er sie in Sichthöhe (140 bis 180 Zentimeter) platziert. Oder geringfügig tiefer, in der Greifzone, wie dieser Bereich gerne genannt wird. Preiswerte Artikel finden sich eher unten oder oben im Regal, in der Bück- oder Reckzone.

Beliebt bei Händlern ist auch, Schnelldreher wie Zucker oder Mehl nach unten zu stellen. Schließlich braucht der Kunde diese Artikel auf jeden Fall. Er wird sie suchen, wenn sie ihm nicht gleich ins Auge fallen. Die Lieblingssorte Kekse ist rasch gefunden. Nun geht es zur Kasse.

Warum nur stehen diese sperrigen Tiefkühltruhen hier, nahe am Ausgang? Und nicht weiter hinten im Laden, etwa neben dem Kühlregal? Marktforscher wissen: Kunden kaufen Tiefkühlware gerne als Letztes, bevor es zum Bezahlen geht. Denn sie möchten, dass die Ware lange kühl bleibt.

Die Mutter schüttelt den Kopf, es folgt Geknatsche

An den Kassen herrscht das übliche Spiel um diese Uhrzeit kurz nach Feierabend: Lange Schlangen. Und Geschrei. Ein Vierjähriger quengelt, möchte einen dieser bunten Lutscher, die im Vorbereich der Kasse in seiner Sichthöhe aufgereiht sind. Oder wenigstens den Schokoriegel, gleich daneben. Die Mutter schüttelt den Kopf, und es folgt Geknatsche. Viele Eltern ärgern sich, dass die Supermarktbetreiber die leckeren, kleinverpackten Süßigkeiten an der Kasse aufstellen, wo jeder vorbeigeht und oft warten muss - was Kindern besonders schwerfällt.

Da werden viele Eltern schwach. Sie kapitulieren vor der "Quengelware". Die Märkte freuen sich darüber. Sie erwirtschaften bis zu fünf Prozent ihres Umsatzes in der Kassenzone, auf nur 1,5 Prozent der Ladenfläche. Allerdings bieten sie in diesem Bereich oft auch hochpreisige Artikel an wie Batterien und Zigaretten. Die sind besonders diebstahlgefährdet, weshalb es gut ist, dass die Kassenkraft ab und zu einen Blick darauf werfen kann.

Das Bezahlen ginge schneller, wenn nicht so viele Kunden mühsam Münzen zusammenkramen würden. Aber das ändert sich. Bargeldloses Bezahlen wird immer beliebter - und es verführt viele Kunden noch eher zum Einkaufen.

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