Saftige Preise:Wo die Abzocker lauern

Lesezeit: 6 min

Gerne nutzen Firmen ihre Macht aus - und kassieren ab (Foto: Stefan Salger)

Vom Dispokredit über den Schlüsseldienst bis zum Verlobungsring: Wenn Konsumenten unter Druck geraten, müssen sie das oft teuer bezahlen. Doch manchmal können sie sich wehren.

Jeder kennt das: Man hat am Flughafen Hunger, hat sich aus der Wohnung ausgesperrt - oder am Monatsende reicht das Geld nicht. Schon ist der Konsument Firmen ausgeliefert, die ihre Macht ausnutzen. Und einen abkassieren. Hier sind ein paar klassische Fälle - und was sich dagegen tun lässt. Oder auch nicht.

Dispo

Ende des Monats leben viele Alleinerziehende, Auszubildende oder Rentner am Limit. Die Ausgaben fressen das Guthaben des Kontos auf. Meist treffen die erlösenden Überweisungen von Gehältern oder Pensionen rechtzeitig ein. Doch manchmal kommt etwas dazwischen. Der Laptop gibt seinen Geist auf, das Fahrrad streikt. Man kauft die Sachen nach - und rutscht ins Minus. Manchmal auch aus anderen Gründen. Jedem sechsten Deutschen passiert das regelmäßig. Und bei Dispo-Krediten bekommen viele Banker feuchte Finger beim Gedanken an den Zinssatz. Zehn Prozent? Ach was, 13 Prozent Zinsen sind drin!

Alle Jahre wieder veröffentlichen Verbraucherschützer die horrenden Zinssätze. Unter den 1538 Geldhäusern, die sich Finanztest dieses Jahr vorknöpfte, holt die Volksbank Feldatal den Rekord mit einem Zins von 14,75 Prozent. Es gibt auch die Fairen unter ihnen: Banken, die fünf, sechs Prozent Zinsen verlangen. Sie zeigen, dass es auch so möglich ist, rentabel zu wirtschaften. Vor allem heute. Selten kommen Banken so billig an das Geld der Zentralbank. Wie die Finanzinstitute von der Not ihrer Kunden profitieren, belegt eine Tendenz der Studie: Je kleiner eine Bank ist und konkurrenzlos auf dem Land arbeitet, desto höhere Zinsen streicht sie ein.

Was bleibt den Kunden schon anderes übrig als zu zahlen? Einiges - zumindest auf lange Sicht: Sie können die Bank wechseln. Leichter gesagt als getan. Gerade die Abzocker verschweigen auf ihren Internetseiten häufig die Zinssätze. Dabei verpflichtet die "Preisangabenverordnung" die Banken zu Transparenz. Anrufen, auf Auskunft pochen und gegebenenfalls zur Konkurrenz gehen - das ist ein Ausweg. Der zweite ist eine Binsenweisheit: es gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Dabei können Apps wie MoneyControl helfen. Auf dem Smartphone sorgen sie für Überblick über die Ein- und Ausgaben. Sollte der längerfristige Rutsch ins Minus unausweichlich sein, dann ist ein Raten- oder Abrufkredit eine Alternative - meist zu besseren Konditionen. Jonas Gerding

Selbst Anshu Jain passiert so was. Als der Chef der Deutschen Bank vergangenes Jahr gerade nach Frankfurt gezogen war, bog seine Frau beim Aufsperren der Wohnung den Schlüssel ab. Das Ehepaar Jain stand zweieinhalb Stunden auf dem Gang und kam sich ziemlich blöd vor. Immerhin konnte Jain das Problem dem Sicherheitsdienst der Bank überantworten. Andere Menschen rufen einen Schlüsseldienst - und zahlen dafür manchmal 300 Euro, manchmal sogar 1000.

Es gibt keine Richtlinien, was Schlüsseldienste verlangen dürfen (Foto: dpa/dpaweb)

Wucherpreise? Ja. Aber nur in manchen Fällen haben die Kunden das Geld vor Gericht wiederbekommen. Ohnehin ist eine Klage ein Risiko. Das Problem: Es gibt keine Richtlinien, auch keine Grundsatzurteile, was Schlüsseldienste verlangen dürfen. Wie kann man sich davor bewahren, zu viel zu zahlen?

Verbraucherschützer raten, lieber einen kleinen Betrieb anzurufen als eine 0180-Nummer. Am besten soll man sich schon mal präventiv die Nummer eines seriösen Anbieters herausschreiben, der nicht mehr als 100 Euro verlangt, um sie im Notfall parat zu haben. Denn die gelben Seiten quellen über vor Anbietern, die sich durch geschickte Namenssetzung (AAA) und viele Schein-Adressen (einer hatte in München 200) dem Kunden aufdrängen - und dann abkassieren. Ach ja: Gratis ist es, dem (oder den) Nachbarn seines Vertrauens einen Schlüssel zu geben, den man im Notfall holt. Alexander Hagelüken

Das Beste an Familienausflügen ist immer das Picknick gewesen. Schon im Auto verteilten die Eltern Butterkekse und Kaubonbons. Große und kleine Tupperdosen füllten den Rucksack, und den musste man noch nicht mal selber tragen. Auf dem Weg zum Gipfel gab es Apfelschnitze und Karotten und oben dann Leberwurstbrote mit Aussicht. Rückblickend beschleicht einen das Gefühl, dass man als Kind nicht zum Wandern in die Berge gefahren ist, sondern zum Essen. An den Namen der Gipfel erinnert man sich nicht, aber an den des Metzgers mit der Dosenwurst.

Sobald der Magen knurrt, liefert man sich Tankstellen aus (Foto: dpa)

Heute verreist man ohne Eltern und sobald der Magen knurrt, liefert man sich Tankstellen aus. Die österreichische Arbeiterkammer hat in Supermärkten und an Tankstellen 68 Lebensmittel und acht Kosmetikartikel besorgt. In den Tankstellen kostete der Einkauf durchschnittlich fast 50 Prozent mehr. In Deutschland scheint das kaum anders zu sein. Man bezahlt überteuerte Preise an Flughafenimbissen und im Speisewagen, den die Bahn Bordbistro nennt. Ein Baguette, bei dem der Käse zwischen den Zähnen quietscht und der Schinken an seiner Farbe zu erkennen ist, kostet dort zum Beispiel 4,90 Euro.

Wer sich pappige Sandwiches und das Geld dafür sparen will, muss sich eingestehen, dass die Eltern recht hatten - und am Abend vor der Reise Brote schmieren. Selbst wer beim Bäcker auf dem Weg zum Zug belegte Brötchen kauft, zahlt weniger als für so ein Schinken-Käse-Baguette. Cola und Wasser kosten im Supermarkt nicht mal die Hälfte des Preises unterwegs. Zwar beschlagnahmen die Sicherheitsleute am Flughafen noch immer alle Getränke von mehr als 100 Millilitern (und übrigens auch Joghurt-Becher). Gegen eine leere Flasche sagen sie aber nichts. Fasst die nicht mehr als einen halben Liter, kann man sie weltweit an fast allen Waschbecken auffüllen. Sophie Crocoll

Da ist die Lehrerin, die den rosa Hefteinband am besten bis übermorgen haben will. Oder Markenwachsmalkreiden, die kaum genutzt werden. Gegen solche Kostenfallen beim Schulstart hilft auch der günstige Sammeleinkauf bei Aldi nichts, den man noch in den Sommerferien getätigt hat: Das passende Heft ist wieder nicht dabei, denn kariert ist längst nicht kariert. Es muss schon das Doppelheft mit umlaufendem Rand sein.

Schulbedarf: Lehrer haben genaue Vorstellungen (Foto: CATH)

Trotzdem gibt es Möglichkeiten, den Stress herauszunehmen und die Kosten zu senken: Zur besseren Kundenbindung halten manche Drogeriemärkte an den ersten Schultagen ein besonders großes Angebot an Materialien zu relativ günstigen Preisen bereit. Meist haben sie auch extra Personal abgestellt, um Schülern und Eltern bei der Suche nach dem Spezialstift oder dem besonderen Zeichenblock zu unterstützen.

Kleinere Geschäfte, etwa Lottoläden, bieten oft an, die Schullisten selbständig abzuarbeiten. Meist ist der Preis einzelner Materialien in den kleinen Läden etwas teurer als bei Großanbietern. Wer ein Vertrauensverhältnis aufbaut oder gar mehrere Geschwisterkinder mit Aufträgen schickt, kann dafür in der Regel auch kompliziertere Bestellungen über den Lotto-Laden abwickeln, schneller reklamieren und ab zwei, drei Schulpaketen auch mal Mengenrabatt verhandeln.

Geld sparen lässt sich auch durch Sammelbestellungen. Gerade in Fächern wie Kunst, in denen eine Fülle teils sperriger Materialen beschafft werden muss, bietet sich an, dass ein Lehrer oder ein Elternteil den Einkauf zentral und zu günstigeren Konditionen abwickelt. Weiterhelfen kann auch eine kleine Tauschbörse in der Nachbarschaft, bei dem jeder seine Heftvorräte und wiederverwertbare Hüllen mitbringt.

Zuguterletzt hilft auch ein Ignorieren mancher Anforderungen. Wer schon drei Druckbleistifte hat und zwei Sets an gebrauchten Wachsmalkreiden, die nicht der Marke entsprechen, die gerade gefragt ist, kann auch einfach das Vorhandene mitgeben mit einem kleinen Hinweis an die Lehrer, die das im Zweifel auch gelten lassen. Wie hell ein hellblau beim Schnellhefter sein muss, ist manchmal eine Frage des Ermessens. Simone Boehringer

Eigentlich ist die Geschichte denkbar einfach: Mann liebt Frau, Frau liebt Mann und das wahrscheinlich für immer. Wer diesen Liebesbund nun behördlich - und vielleicht auch kirchlich - festigen will, hat offiziell nur wenige Verpflichtungen und Kosten. Die inoffiziellen Zwänge sind aber enorm. Für die Männer beginnen diese besonders früh. Wer seiner Auserwählten die entscheidende Frage stellt, der muss dabei einen Ring zücken. Soweit so zwänglich, doch das Korsett der Erwartungen ist noch weit enger und vor allem teurer. Möglichst mit Diamant bestückt sollte der Ring sein und vor allem nicht zu billig. Schließlich geht es hier ja um Gefühle und die wollen teuer bezahlt werden.

Der Verlobungsring ist eine öffentliche Angelegenheit - und wer möchte da schon als Geizkragen dastehen? (Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

In Amerika gilt das ungeschriebene Gesetz, dass der Ring der Ringe drei Monatsgehälter kosten muss - sonst ist es dem Bittsteller wohl nicht ernst genug. In Deutschland sind die Regeln nicht ganz so hart. Doch auch hier ist der Verlobungsring eine öffentliche Angelegenheit, die auf Familientreffen begutachtet, bei Facebook gepostet und in Foren wie gofeminin diskutiert wird. Und wer möchte da schon als Geizkragen dastehen oder, schlimmer noch, als Versager, der seine Liebe nicht durch einen dicken Stein belegen kann?

Und nicht zu vergessen: Auch die Zukünftige steht mit am Pranger. Denn wer keinen tollen Ring hat, hat keinen tollen Verlobten und ist ergo keine tolle Frau. Dass diese simple Gleichung weder vom lieben Gott noch von unseren Urahnen aufgestellt wurde, sondern von Hollywood und den Marketingabteilungen der Diamantenindustrie, interessiert leider die Wenigsten. Und so wird die Schwere der Liebe wohl weiterhin in Karat gemessen werden. Und auch in Zukunft werden Heerscharen von verliebten Männern pflichtschuldig den Juwelieren ihre Kassen füllen. Malte Conradi

© SZ vom 05.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: