Verbraucherschutz:Welche Versicherungen überflüssig sind

Ob Brillen- oder Hochzeitsrücktrittspolicen: Verbraucherschützer haben eine Liste unnötiger Versicherungen zusammengestellt. Sie kritisieren das Geschäft mit der Angst - und empfehlen etwas ganz anderes.

Von Anne-Christin Gröger

Carsten Maschmeyer und Veronika Ferres haben es getan ebenso Jennifer Aniston und ihr Freund Justin Theroux: Sie haben ihre Hochzeit verschoben. Die Gründe dafür sind eher undramatisch. Während die Ferres und ihr schillernder Unternehmerfreund sich angesichts anderer Verpflichtungen auf keinen Termin einigen konnten, streiten sich Aniston und ihr Verlobter über die Größe der Party und die Zahl der Gäste.

Für tragischere Fälle haben sich die findigen Produktentwickler der Versicherungswirtschaft eine Lösung ausgedacht: eine Hochzeitsrücktrittsversicherung. Sie soll für die entstandenen Kosten aufkommen, wenn Braut oder Bräutigam kurz vor dem großen Tag den Job verlieren oder ein naher Angehöriger stirbt und die Party abgesagt werden muss.

Verbraucherschützer halten von dieser Police überhaupt nichts. Der Bund der Versicherten (BdV) hat sie auf die Liste der zehn überflüssigsten Versicherungen gesetzt, die Kunden auf keinen Fall kaufen sollten. Dass es so eine Liste überhaupt gibt, liegt nach Ansicht von Timo Voss vom BdV an der Vollkasko-Mentalität vieler Deutscher, die für möglichst viele Dinge eine Versicherung abschließen möchten. "Vielen fällt dabei gar nicht auf, dass sie viel günstiger wegkämen, wenn sie für den Ernstfall ein bisschen Geld beiseitelegten", sagt er.

Auf der Liste der größten Mogelpackungen steht auch die Brillenversicherung. Wer ein Gestell beim Optiker kauft, bekommt häufig direkt ein entsprechendes Angebot unterbreitet. Die Kette Apollo bietet ihren Kunden Brillenpolicen der zur Munich Re gehörenden Ergo Direkt an. Fielmann umgarnt seine Kunden mit Schutz von der Hanse Merkur. Unterschreibt der Kunde den Vertrag, schreibt der Versicherer ihm bei einer Einstärkenbrille sofort 15 Euro auf den Kaufpreis gut. Nach Ablauf von zwei Jahren hat der Kunde Anspruch auf eine neue kostenlose Brille.

Zudem zahlt die Hanse Merkur bei Bruch, Beschädigung oder einer Sehstärkenveränderung von mindestens 0,5 Dioptrien. Bei einfachen Brillengläsern kostet die Police zehn Euro im Jahr, bei Gleitsichtbrillen muss der Kunde jährlich 50 Euro hinlegen. Der Vorteil der Verträge: "Seit die Kassen keine Kosten mehr für Brillen übernehmen, leistet unsere Police Ersatz", sagt Hanse-Merkur-Sprecherin Katharina Seidenstücker. Das Geschäft läuft gut: Mehr als sechs Millionen Verträge hatte der Versicherer Ende März 2013 im Bestand, 2011 waren es erst 4,9 Millionen.

Womit Anbieter werben, klingt erst einmal gut

Allerdings: Eine kostenlose Brille gibt es nur aus dem Nulltarif-Bereich des Optikers. "Entscheidet sich der Kunde für eine Zuzahlungsbrille, werden ihm bei einer Einstärkenbrille 15 Euro auf den Kaufpreis gutgeschrieben", sagt sie. "Bei einer Gleitsichtbrille sind es 70 Euro." Wer also Wert auf eine Markenbrille legt, muss trotz Versicherung tief in die Tasche greifen. Auch Schusselige dürfen sich nicht auf die Police verlassen. "Der Verlust der Brille ist nicht versichert", sagt Seidenstücker.

Ähnlich erfolgreich verkaufen sich Versicherungen für elektronische Geräte wie teure Smartphones, Tablet-Computer oder Laptops. Ob Media-Markt oder Saturn - fast alle Elektromärkte bieten ihren Kunden Versicherungsschutz für die neu gekauften Geräte an. Die Verbraucherschützer vom BdV raten auch davon ab.

Womit die Anbieter werben, klingt erst einmal gut: Wer ein Smartphone bei Media-Markt kauft und es gleich vor Ort versichert, bekommt damit zwei Jahre Deckung, kostenlose Reparatur bei Materialfehlern oder Verschleiß und weltweiten Schutz gegen Diebstahl. Zudem sind Unfall- und Stoßschäden sowie Wasser- und Sandschäden versichert. Die Höhe der Prämien ist gestaffelt nach der Höhe des Gerätepreises.

Ob Brillen -oder Hochzeits-Rücktrittspolicen: Verbraucherschützer haben eine Liste überflüssiger Versicherungen zusammengestellt. Sie kritisieren das Geschäft mit der Angst und empfehlen, für den Ernstfall lieber ein bisschen Geld beiseitezulegen.

Viele Risiken von Hausratversicherung abgedeckt

Der Vertrag für ein 400 Euro teures Smartphone kostet 90 Euro für zwei Jahre, wer sich für ein günstigeres Modell entscheidet, zahlt entsprechend weniger. Ob sich das lohnt, sollten Kunden allerdings genau nachrechnen. "Oft ist die insgesamt gezahlte Prämie höher als das, was der Versicherer letztendlich an Leistungen auszahlt", sagt Verbraucherschützer Voss. Denn bei den Verträgen für Handy und Co. erhält der Kunde im Schadensfall immer nur den Zeitwert ersetzt.

Bei den von Media-Markt und Saturn vertriebenen Policen bekommt der Versicherte nur dann den vollen Preis zurück, wenn der Schaden innerhalb eines halben Jahres nach Kauf eintritt. Nach sieben bis zwölf Monaten sind es noch 80 Prozent des ursprünglich gezahlten Kaufpreises, nach zwei Jahren gerade einmal noch 60 Prozent.

Wird das Handy gestohlen, muss der Versicherte zudem noch einen Selbstbehalt in Höhe von 20 Prozent des Verkaufspreises berappen. Wird also das iPhone 5 für 649 Euro nach einem Jahr gestohlen, hat der Kunde nur Anspruch auf Ersatz in Höhe von 40 Prozent oder 252 Euro. Ein absurd gering versicherter Wert, wenn man bedenkt, dass der Kunde 120 Euro an Prämie bezahlt hat.

Experten raten auch deshalb von solchen Policen ab, weil viele Risiken schon unter bestimmten Umständen über die klassische Hausratversicherung abgedeckt sind. Die zahlt bei Schäden durch Brand oder Überspannung infolge von Blitzschlag. Außerdem greift sie, wenn Einbrecher oder Räuber zuschlagen. "Zudem treibt ein kaputtes Handy niemanden in den finanziellen Ruin", sagt Voss.

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