Verbraucherschutz:Plastiktüten-Steuern sind keine Gängelei

Aktion gegen Plastikmüll in den Meeren

Aktion gegen Plastikmüll am Strand von Niendorf (Schleswig-Holstein)

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Steuern haben eine Steuerfunktion. Das sollte der Staat nutzen - sei es bei extrem zuckerhaltigen Produkten oder bei umweltschädlichen Plastiktüten.

Kommentar von Michael Kläsgen

Um es vorwegzunehmen: Es geht nicht darum, dass Frau Merkel den Deutschen künftig vorschreibt, was sie essen, wie sie einkaufen, oder wo sie am besten ihr Geld anlegen sollten. Es geht nicht um die Aufwertung von Vater (oder muss man in Deutschland besser sagen) Mutter Staat. Auch nicht um die Bevormundung des Bürgers. Jeder soll machen können, was er will. Er soll sich auch selber schädigen dürfen, bewusst oder unbewusst. All das gehört zur freiheitlichen Selbstbestimmung des Menschen. Er ist keine Maschine, er darf und soll über die Stränge schlagen können. Sonst macht das Leben keinen Spaß.

Nur, und das ist die entscheidende Einschränkung: Wenn sich das Verhalten aller oder vieler in der Summe negativ auf Gemeinwohl auswirkt, darf der Staat nicht nur eingreifen. Er sollte es dann sogar tun, und zwar auf der Grundlage einer simplen Kosten-Nutzen-Rechnung. Das heißt: Der Nutzen für einige oder viele darf die Kosten für die Gesamtheit nicht übersteigen. Deswegen Ja zur Plastiktüten-Abgabe, Ja zu einer stärkeren Regulierung von Geldanlagen wie der Mittelstandsanleihe und Ja zur Zuckersteuer.

Steuern haben eine Steuerfunktion - das sollte der Staat nutzen

Bei der Plastiktüte ist der Zusammenhang offensichtlich. Fische, Vögel und andere Tiere müssen leiden, und Gewässer werden verunreinigt, nur weil der Kunde an der Ladenkasse im Geschäft vergessen hat, beispielsweise einen Korb oder eine Mehrweg-Tragetasche mitzunehmen. Das Argument, dass man doch weit weg vom Meer wohne oder kein Vogel tot umfalle, wenn man sein Zehn-Cent-Stück für die Tüte zückt, zählt nicht. Denn erstens ist das fatale Verhältnis zwischen Plastiktütenkonsum und Tiersterben nachgewiesen. Und zweitens gilt es, eben diesen Mechanismus zu durchbrechen. Deswegen darf der Staat hergehen und eine Abgabe auf Plastiktüten in einer Höhe erheben, die den Verbraucher abschreckt, sie zu kaufen. Er muss sie ja nicht kaufen, wenn er vorher an die Einkaufstasche denkt.

Von staatlichem Dirigismus oder Gängelei kann in dem Fall keine Rede sein. Im Gegenteil. Wenn der Staat es schafft, die Industrie dazu zu bringen, die Gebühr selber einzuführen, was in Deutschland im April kommenden Jahres geschehen soll, ist die Lösung sogar elegant.

Beim Anlegerschutz dürfte der Saat energischer eingreifen als er es bisher getan hat. Ebenfalls mit dem Ziel vor Augen, den Wohlstand für alle zu optimieren. Wenn sich Menschen finanziell ruinieren, ist das zwar in erster Linie ihre Privatsache. Wenn sie aber auf falsche Versprechen einzelner Anbieter etwa von Mittelstandsanleihen hereinfallen, ist es von einem bestimmten Moment an Sache des Staates. Nämlich dann, wenn der Schaden Einzelner so groß wird, dass die Allgemeinheit in welcher Form auch immer dafür aufkommen muss. Am offensichtlichsten lässt sich das am Beispiel der Subprime-Kredite in den USA festmachen. Unter den Spätfolgen leidet heute noch die ganze Welt. Die Hauskredite hätten nie vergeben werden dürfen. Was damals im Großen hätte gelten müssen, gilt heute im Kleinen umso dringlicher.

Es heißt immer, der Bürger sei ein mündiger Mensch, und das ist er ja auch in der Regel. Aber gegen die findigen Tricks und Umgarnungsstrategien mancher Geldanlageberater ist trotzdem nicht jeder gewappnet. Der Staat darf ihn dann durchaus vor sich selber oder auch seiner Gier schützen. Und der Staat darf ihn auch in die richtige Richtung schubsen, wenn er seine Gesundheit in einem Ausmaß gefährdet, für das andernfalls die Gesamtbevölkerung zahlen müsste.

Der Staat kann das sehr einfühlsam tun und durch amüsante Werbekampagnen für gesunde Ernährung werben. Er darf in einem weiteren Schritt aber auch etwa mithilfe einer Zuckersteuer, das Essverhalten steuern, wie derzeit in Großbritannien diskutiert: also den Zuckerkonsum einschränken. Das ist sogar geboten, wenn Kinder massenhaft an Diabetes erkranken, wenn Übergewicht zu einem gesellschaftlichen Problem wird und wenn die damit einhergehenden Gebrechen einer Wohlstandsgesellschaft überhand- nehmen. Denn die Kosten dafür überwiegen dann die Ausgaben für präventive Maßnahmen, die eigentlich erforderlich gewesen wären.

Klar will niemand Steuererhöhungen, und denen soll auch nicht das Wort geredet werden. Aber warum nicht die Lohnsteuer runter und einzelne Abgaben punktuell erhöhen, um gesellschaftlich übergeordnete Ziele zu erreichen? Wenn der Staat das hinbekäme, würde er der Steuerungsfunktion der Steuern Sinn verleihen. Beim Tabak und bei Alkopop-Getränken hat es geklappt. Es spricht alles dafür, dass es auch woanders funktioniert.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: