Stromkosten:Der Preis der Wende

Die Bundesregierung bejubelt den Atomausstieg: Bis 2022 müssen alle Atomkraftwerke vom Netz gehen. Aber viele Bürger fragen sich: Zahlen sie die Zeche in Form von erhöhten Stromrechnungen? Atombosse warnen vor einem Preisanstieg - aber es liegt auch an den Verbrauchern selbst, wie viel sie für ihren Strom ausgeben werden.

Jannis Brühl

Atomstrom ist billiger Strom - mit diesem Argument haben die Kernkraftbetreiber die Kernenergie immer verteidigt und versucht, die Verbraucher auf ihre Seite zu ziehen. Doch die Bundesregierung hat den Ausstieg beschlossen, die Energiewende kommt. Wird Strom jetzt teurer, weil die Atomkraftwerke nach und nach vom Netz gehen? Zahlen die Bürger den Preis für die Lehren aus Fukushima? Die Antworten auf diese Fragen sind nicht ganz einfach.

Strompreise

Der Atomausstieg hat Auswirkungen auf den Strompreis.

(Foto: dpa)

Eine Kilowattstunde Strom kostet den Kunden laut Verbraucherportal Verivox derzeit 24,68 Cent. Der Preis setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Etwa ein Viertel sind Netzentgelte, die der Verbraucher dafür zahlt, dass die Netzbetreiber Strom verschiedener Anbieter über ihre Leitungen transportieren. Der Staat streicht mehr als 40 Prozent des Strompreises ein, unter anderem Mehrwertsteuer und Stromsteuer. Etwas mehr als ein Drittel der 24,68 Cent bleibt den Stromkonzernen - für Strombeschaffung, Vertrieb und natürlich ihren Gewinn.

Dieser Anteil steigt sowieso seit Jahren. Für Experten wie Peter Reese von Verivox ist "die alljährliche Preiserhöhung zu einem liebgewonnenen Ritual der Energiewirtschaft geworden" - unabhängig vom Atomausstieg. Doch führt dieser jetzt zu weiteren und schnelleren Erhöhungen?

RWE-Chef Jürgen Großmann ist davon überzeugt. "Verbraucher werden mehr zahlen", sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Diese Einschätzung teilt auch Andreas Mundt, Chef des Bundeskartellamts. Er verweist darauf, dass die Preise an der Leipziger Strombörse EEX bereits nach dem Atommoratorium vom 14. März in die Höhe schossen und seitdem nicht wieder sanken. "Die Märkte rechnen mit Strompreiserhöhungen - und sie wissen es meist am besten", sagte er der Rheinischen Post. Dagegen glauben atomkritische Verbraucherschützer wie der Bund der Energieverbraucher, dass der Strompreis nach unten geht, weil nun das Oligopol der "großen Vier" (Eon, RWE, Vattenfall und EnBW) falle.

Doch Studien von Experten kommen zu dem Schluss, dass der Strompreis durch den Ausstieg tatsächlich steigt - allerdings nicht so, dass Energie unbezahlbar wird.

Lesen Sie weiter, welchen Anstieg der Strompreise die Experten vorhersagen und wie Verbraucher sparen können.

Was Verbraucher tun können

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und die Uni Leipzig sagen nur einen kurzzeitigen Anstieg der Stompreise voraus. An der Strombörse EEX kommen die "großen Vier", die kleineren Stadtwerke und ausländische Versorger zusammen, Angebot und Nachfrage bestimmen den Großhandelspreis für Strom. Der Preis für eine Kilowattstunde Strom lag an der EEX am Dienstag bei 5,2 Cent. Nach den Berechnungen der Potsdamer und Leipziger Wissenschaftler steigt dieser Preis beim geplanten Ausstieg bis zum Jahr 2022 auf 5,9 Cent. Bis 2030 pendele er sich dann zwischen fünf und sechs Cent ein.

Allerdings schränken Forscher ein: Die Preise würden sich nur dann so moderat entwickeln, wenn mit dem Ausstieg auch eine tatsächliche Energiewende einhergehe, wenn das Land also seine Energie effizienter nutzen würde. Dringend nötig ist nach Meinung vieler auch ein Ausbau der Infrastruktur, um Strom besser durch die Republik zu transportieren. Neue, bessere Leitungen sollen helfen, Engpässe zu vermeiden.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, das im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums neun andere Studien zum Thema ausgewertet hat. Die "realistische Obergrenze des ausstiegsbedingten Preisanstiegs" liege bei 0,5 bis ein Cent pro Kilowattstunde. Ein Durchschnittshaushalt muss mit Mehrkosten von 25 Euro pro Jahr rechnen. Das Bundeswirtschaftsministerium kalkuliert für einen Vier-Personen-Haushalt mit jährlich 30 bis 40 Euro mehr.

Eines hat sich durch den Ausstieg auf jeden Fall nicht verändert: Wer beim Strom sparen will, muss selbst aktiv werden. "Zu viele Verbraucher akzeptieren die Erhöhungen ohne weiteres", sagt Peter Reese von Verivox. Diese bleiben aber aus Unwissen oder Trägheit bei einem teuren Anbieter. Die Stiftung Warentest gibt Tipps, wie man im Dickicht von 900 Online-Stromrechnern den Überblick behält. Kunden, die sowieso weg wollen vom Atomstrom, sollten auf Ökostrom-Prüfsiegel wie "Grüner Strom Label" achten.

Fazit: Viele Studien sagen einen Preisanstieg voraus, der pro Jahr im zweistelligen Eurobereich bleibt. Abzuwarten bleibt allerdings, wie effizient die Bundesregierung ihre Energiewende umsetzt. Die Bürger sind dem Geschacher zwischen Politik und Wirtschaft aber nicht völlig ausgeliefert: Es liegt auch an ihnen selbst, wie viel sie für ihren Strom bezahlen.

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