Valdis Dombrovskis:"Schnell und brutal sparen"

Nur Sklaven des Internationalen Währungsfonds? Ministerpräsident Dombrovskis über die Debatten nach der Rettung Lettlands vor dem wirtschaftlichen Kollaps - und warum alles viel schneller ging als bei Griechenland.

Cathrin Kahlweit

Lettland war im Herbst 2008 in der Folge der internationalen Finanzkrise vom Staatsbankrott bedroht. Ein Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank über 7,5 Milliarden Euro, von dem bisher weniger als die Hälfte abgerufen wurde, sowie rigide Sparmaßnahmen, vor allem im öffentlichen Dienst und bei den Rentenzahlungen, haben Lettland vor dem Kollaps bewahrt. 2010 steuert das Land ein Haushaltsdefizit von knapp neun Prozent an. Ministerpräsident Valdis Dombrovskis, der seit einem Jahr im Amt ist, betrachtet das als Erfolg.

Valdis Dombrowskis, Foto: dpa

"Es geht aufwärts": Ministerpräsident Valdis Dombrovskis.

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SZ: Gilt für Lettland der Satz: Totgesagte leben länger?

Dombrovskis: Wahrscheinlich ja, zumindest, wenn man die Prognosen betrachtet. Viele Experten haben den Kollaps der lettischen Wirtschaft vorausgesagt, dazu ist es nicht gekommen. Wir sehen sogar erste Hinweise auf eine ökonomische Erholung. Wir haben zehn Prozent des Haushalts eingespart, im vierten Quartal 2009 ist die Industrieproduktion hochgegangen, der Export hat zugenommen. Im März dieses Jahres ist erstmals die Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Es geht aufwärts.

SZ: Wo sehen Sie die Parallelen zu Griechenland, wo die Unterschiede?

Dombrovskis: Eines haben oder hatten wir sicher gemeinsam: Wahrscheinlich war Griechenland zu optimistisch, dass die Zugehörigkeit zur Eurozone das Land vor einer tiefen Krise bewahren würde, und Lettland war zu optimistisch, dass die Zugehörigkeit zur EU uns vor einer Krise schützen würde. In beiden Fällen hat das nicht gestimmt. Aber: Bei Lettland, Ungarn, Rumänien kam es sehr schnell zu einem Rettungspaket. Es fehlten all jene juristischen Einschränkungen und vertraglichen Hürden der Eurozone, die jetzt die Hilfe für Griechenland hinausgezögert haben.

SZ: Aber 2008 klagten einige osteuropäische Staaten doch, dass sich die westlichen EU-Länder mit Hilfe für die neuen Mitglieder sehr schwer täten.

Dombrovskis: Im Vergleich zu heute ging alles sehr schnell. Wir gerieten in eine schwere Schieflage mit der Parex-Bank, die wir verstaatlichen mussten, und bekamen schnell Hilfe. Wichtig ist, welche Schritte die Länder selbst zur Gesundschrumpfung ihrer Haushalte anbieten. Lettland schlug schnell ein massives Sparpaket vor. Wir habe die Löhne der Staatsbediensteten um bis zu 35 Prozent gesenkt, Renten gesenkt, Schulen und Krankenhäuser geschlossen.

SZ: Fühlt sich Lettland als Sklave des IWF?

Dombrovskis: Nun ja, diese Debatte wird derzeit in jedem Land geführt, das Kredite vom Währungsfonds bekommt. Hilfe und Rat von außen sind wichtig, aber es wird kompliziert, wenn sich diese Hilfe auf Details des Managements der Krise bezieht, wenn etwa unser Steuersystem mit einem Einheitssteuersatz in Frage gestellt wird. Experten können gute Ratschläge geben, aber die Entscheidungen müssen im betroffenen Land getroffen werden.

SZ: In Griechenland streikt und protestiert die Bevölkerung. Wie nimmt man sie auf einen solchen Spar-Kurs mit?

Dombrovskis: Es ist überaus wichtig, die Sozialpartner ins Boot zu holen, etwa die Gewerkschaften. Wir haben im Juni 2009 den Dialog mit Sozialverbänden und Arbeitnehmervertretern gesucht und einen gemeinsamen Fahrplan aufgestellt. Außerdem braucht es ein soziales Netz für jene Menschen, die am meisten von der Krise betroffen sind. Wir haben befristete Arbeitsprogramme eingeführt, dazu längeres Arbeitslosengeld und höhere Sozialhilfe für die Ärmsten.

SZ: Sollten die Banken für diese Krise mitzahlen müssen? Sie selbst sagen ja, die Banken seien schuld.

Dombrovskis: Darüber muss man reden. 2006 bis 2007 hat sich das Kreditvolumen in Lettland verdoppelt, und die Kreditausfälle haben die Rezession beschleunigt. Aber man sollte jetzt keine Zwangsmaßnahmen gegen die Banken ergreifen; vielmehr müssen Staaten Banken besser kontrollieren und den Verbraucherschutz verbessern.

SZ: Solche Krisen werden durch Spekulanten verschärft. Hatte Lettland dieses Problem auch?

Dombrovskis: Ja, natürlich. Die Zinsen gingen teilweise auf 20 Prozent und mehr hoch, und es wurde massiv gegen die lettische Währung, den Lat, spekuliert. Aber weil das Sparpaket schnell griff und die Sicherheit zurückkehrte, haben viele Spekulanten ihr Geld verloren. Das schützt natürlich nicht generell gegen Spekulanten. Die Diskussion über Transaktionssteuern, die Tobin-Steuer etwa, lebt auf, und wenn das international auf den Weg kommt: gut.

SZ: Kann eine Regierung also nichts tun, als einigermaßen anständig wirtschaften, weil alles andere jenseits ihrer Möglichkeiten ist?

Dombrovskis: Wir hätten unsere Währung abwerten können und haben uns dagegen entschieden. Unsere kleine Ökonomie hätte massiv an Konkurrenzfähigkeit verloren. 85 Prozent unserer Kredite wurden ohnehin in Euro aufgenommen. Aber eine Abwertung vermindert keine strukturellen Probleme. Es gab ja schon 1999 und 2004 Berichte über gravierende Strukturprobleme in Lettland, aber sie wurden nicht angepackt, weil die Reformen unpopulär waren.

SZ: Also war die Krise gut für das Land...

Dombrovskis: Soweit würde ich nicht geben, aber sicher wurde der Handlungsdruck so erhöht, dass viele Reformen unumgänglich wurden.

SZ: Wenn Sie den Griechen einen Rat geben könnten, wie würde der aussehen?

Dombrovskis: Ich hatte eine Reihe von informellen Gesprächen mit dem griechischen Premier. Es gibt - zumal, wenn man in der Eurozone ist - keine Alternative zum Sparen, wenn man seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen will. Das sollte sehr schnell und brutal und nicht zögerlich umgesetzt werden.

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