USA in Not:Die Fed geht in die Vollen

Im Kampf gegen die Deflation greift die amerikanische Notenbank zu außergewöhnlichen Maßnahmen. Vielleicht wird bald schon Geld gedruckt.

Catherine Hoffmann

Es ist kein gutes Zeichen, wenn der amerikanische Notenbankchef öffentlich davon spricht, dass die US-Volkswirtschaft in großen Schwierigkeiten steckt. Ben Bernanke stellt deshalb unkonventionelle Maßnahmen in Aussicht, damit Banken wieder Kredite vergeben, die Konjunktur wieder anspringt und eine Deflation vermieden wird. Die Rede ist von einer Geldpolitik jenseits der Zinspolitik. Bernanke muss zugeben: Er hat zwar die Zinsen kräftig gesenkt, doch die Aktionen sind verpufft.

Fed-Präsident Ben Bernanke

Fed-Präsident Ben Bernanke: "Geldpolitik jenseits der Zinspolitik".

(Foto: Foto: AFP)

Die größte Volkswirtschaft der Welt steckt bereits seit einem Jahr in einer Rezession, teilte das Nationale Büro für Wirtschaftsforschung (NBER) am Montag mit. Die Aussichten für das kommende Jahr sind düster. Investitionen und Konsum gehen in einem Tempo zurück, wie es seit 25 Jahren nicht mehr gemessen wurde. Bernanke verspricht deshalb, eine weitere Zinssenkung unter ein Prozent sei "sicherlich möglich". Volkswirte erwarten, dass die Federal Reserve am 16. Dezember den Leitzins auf 0,5 Prozent drücken wird. Viel wird es nicht bringen, gesteht sogar Bernanke ein.

Kühne Schritte

Welche Möglichkeiten hat die amerikanische Zentralbank noch, wenn erst mal die Null vor dem Komma steht? Es sind unkonventionelle Methoden, die zum Teil in der Praxis noch nie erprobt worden sind. Bernanke, der sich intensiv mit dem Phänomen Deflation und drohende Ohnmacht der Notenbanken befasst hat, stellte sie schon vor sechs Jahren vor.

Am 21. November 2002 hielt er eine aufsehenerregende Rede mit dem Titel "Deflation: Making sure 'it' doesn't happen here". Vorstellbar sei etwa, dass die Fed im großen Stil langlaufende Staatsanleihen kaufe, um die Renditen zu drücken.

Damit, so das Kalkül, signalisierten die Währungshüter, dass Geld auf lange Sicht günstig bleibe. Zudem würden die Papiere unattraktiv und die Anleger müssten ihr Geld anderswo investieren. Alternativ könnten Notenbanken auch massenweise Wertpapiere kaufen, wenn der Leitzins als Steuer der Geldpolitik versagt. Dadurch schwillt die Geldmenge an, die Liquidität in der Wirtschaft steigt. Experten sprechen euphemistisch von "quantitativer Lockerung".

Erste kühne Schritte in diese Richtung hat die Fed in der vergangenen Woche unternommen - Hand in Hand mit dem US-Finanzminister Henry Paulson. Normalerweise werden am Geldmarkt viele Dollar hin- und hergeschaufelt, Banken mit hohen Kundeneinlagen und überschüssigem Kapital leihen es anderen Instituten, die Geld suchen.

Die Fed geht in die Vollen

Doch seit sich die Banken nicht mehr über den Weg trauen, ist dieser Markt tot. Die Politiker versuchen, ihn wiederzubeleben - mit drei verschiedenen Mitteln: Erstens gewähren sie Garantien für Finanzinstitute, zweitens stärken sie das Eigenkapital der Banken, und drittens kaufen sie schlechte Wertpapiere, die sonst niemand haben will. Die Bürokraten wissen: Wenn die Realwirtschaft nicht mit Krediten versorgt wird, bricht sie zusammen. Das wollen Bernanke und Paulson vermeiden.

Und so hat die amerikanische Regierung am Montag vergangener Woche ein gut 300 Milliarden Dollar schweres Rettungspaket für die Großbank Citigroup geschnürt - offenbar, um einen drohenden Konkurs abzuwenden. Am Dienstag legte die Fed ein weiteres Programm auf, um kreditbesicherte Wertpapiere im Volumen von 800 Milliarden Dollar anzukaufen.

Bereits im September wurde der US-Versicherer AIG mit zunächst 85 Milliarden Dollar gestützt - inzwischen geht es um rund 150 Milliarden Dollar. Wenig später wurde ein Rettungsschirm für alle Finanzinstitute in Höhe von 700 Milliarden Dollar aufgespannt.

Spätestens mit dem direkten Ankauf von Wertpapieren, die mit Hypotheken und Kreditkartenforderungen besichert sind, ist die Fed auf einen alternativen Kurs umgeschwenkt. "Sie stellt Kreditnehmern in der gesamten Wirtschaft nun direkt Kredite zur Verfügung, indem sie das Risiko auf ihre eigene Bilanz nimmt", sagt Eugen Keller, Analyst beim Bankhaus Metzler.

Durch die Geschäfte hat sich die Bilanzsumme der Fed von 900 Milliarden Dollar auf 2,2 Billionen Dollar verdoppelt.

Helikoptergeld für alle

Zur letzten Waffe gegen die Wirtschaftskrise hat die Notenbank bislang aber noch nicht gegriffen. In seiner Rede aus dem Jahr 2002 schrieb Bernanke, dass "die Wirksamkeit einer Anti-Deflationspolitik durch eine Kooperation zwischen Geld- und Fiskalpolitik enorm verbessert werden könnte". Gemeint waren staatliche Ausgabenprogramme, finanziert durch Anleihen, die von der Fed gekauft werden.

Eine solche Politik käme dem gleich, was der Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman "Helikopter-Geld" nannte. Danach könne man zur Not mit einem Hubschrauber Dollar über den Bürgern abwerfen, alle verfügten dann über nominal mehr Geld zum Konsum. Friedman wandte allerdings ein, dass s ich real nichts verändert hätte, denn die Preise stiegen ebenfalls und das würde den Zuwachs an Geld wieder entwerten. Die Frage ist wohl, wie schnell Unternehmen und Haushalte eine solche Politik durchschauen.

Das beste Rezept gegen Deflation sei es, Inflationsangst zu schüren, glaubt jedenfalls Jan Hatzius, der US-Chefvolkswirt von Goldman Sachs. Die US-Behörden hätten mit ihren milliardenschweren Aktionen nicht nur das Kreditgeschäft und den Konsum im Sinn, sie wollten auch die Inflation anheizen. Soll das gelingen, können die Pakete nicht groß genug sein.

Am Geld soll es nicht scheitern. Finanzminister Henry Paulson kündigte bereits weitere milliardenschwere Hilfsprogramme an. Auch der künftige amerikanische Präsident Barack Obama möchte im Januar ein Konjunkturpaket über rund 500 Milliarden Dollar auf den Weg bringen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: