USA:Die Goldman-Connection

Rekordgewinne in der Krise, beste Verbindungen zu Barack Obama und ein nie endender Machtwille: Hat die New Yorker Großbank Goldman Sachs die Regierungszentrale in Washington zur Filiale gemacht? Vielen Amerikaner ist das Treiben der Finanzelite unheimlich.

Moritz Koch, New York

Der Rolling Stone kommt gleich zur Sache. "Zunächst muss man über Goldman Sachs wissen, dass es überall ist", schreibt das Musikmagazin über den New Yorker Geldkonzern. "Die mächtigste Investmentbank der Welt ist ein großer Vampirkalmar, der sich um das Antlitz der Menschheit gewickelt hat und seinen Blutrüssel in alles steckt, das nach Geld riecht." In diesem Stil geht es weiter, seitenlang. Der kürzlich erschienene Text schäumt vor Wut, ist gleichzeitig Abrechnung und Anklageschrift.

Goldman Sachs, Obama, Fotos: ddp; dpa

Phänomen Goldman Sachs: Das Institut, das über hervorragende Kontakte zur US-Regierung verfügt, schafft selbst in der Krise hervorragende Gewinne. Das Institut unterstützte auch den Wahlkampf von US-Präsident Obama.

(Foto: Fotos: ddp; dpa)

So etwas kommt an in Amerika. Zumindest in diesen Zeiten. Das Land wird von einer fast beispiellosen Rezession geplagt, die Arbeitslosenquote ist auf beinahe zehn Prozent hinaufgeschossen und die Staatsverschuldung außer Kontrolle geraten. All das, weil Finanzjongleure in den Jahren des Aufschwungs immer mehr geliehenes Geld in immer riskantere Geschäfte pumpten, bis sie schließlich die Kontrolle verloren und der große Crash ins Rollen kam. Der Absturz der Wall Street im Herbst 2008 riss den Rest des Landes mit sich.

Zwar hat sich der Volkszorn über die "Fat Cats" der Finanzwelt zuletzt etwas gelegt. Anzugträger mit Aktentaschen können wieder über die Straßen New Yorks laufen, ohne angebrüllt zu werden. Doch die jüngsten Meldungen aus Manhattan heizen die Stimmung wieder an. Sie stammen - einmal mehr - von Goldman Sachs. Die Großbank meldet mitten in der Krise satte Gewinne, mehr als die meisten Experten für möglich gehalten hatten. 2,7 Milliarden Dollar hat Goldman im zweiten Quartal verdient.

Kalkulierbares Risiko

Vor allem aus dem riskanten Eigenhandel mit Wertpapieren, Währungen und Rohstoffen stammen die Einnahmen, aus einem Geschäftsmodell also, das zum Jahreswechsel für obsolet erklärt wurde, weil es als Auslöser der katastrophalen Finanzkrise galt. Auch die verschrienen Bonuszahlungen dürften nun wieder steigen. Mehr als 6,6 Milliarden Dollar sind für Mitarbeiterprämien bei Goldman vorgesehen, nach 4,7 Milliarden im ersten Quartal.

Goldman behauptet, mit Risiken besser umgehen zu können als die Konkurrenz - doch ohne staatliche Hilfen wäre auch die Erfolgsbank heute Geschichte. Nach dem Kollaps des kleineren Konkurrenten Lehman Brothers im vergangenen September stürzte die Goldman-Aktie ins Bodenlose. Die Bank fand keine Investoren mehr. Das Vertrauen war verschwunden. Doch Bush-Regierung und die Notenbank, die Lehman die Rettung zunächst verweigert hatten, kamen Goldman im letzten Moment zur Hilfe.

Erst erlaubten sie der Investmentbank eine Geschäftsbank zu werden, um leichter Kredite bei der Zentralbank aufnehmen zu können. Dann pumpte das Finanzministerium zehn Milliarden Dollar in die taumelnde New Yorker Großbank. Die Aktienkurse stabilisierten sich, die Turbulenzen an den Finanzmärkten schwollen ab - und die Banker schlugen zu.

Unheimlich erfolgreich, unheimlich umstritten

Mitarbeiter warfen in dem Zeitraum, als der Staat die Bank stützte, Goldman-Aktien im Wert von 700 Millionen Dollar auf den Markt. Inzwischen braucht die Bank die Hilfe Washingtons nicht mehr. Goldman hat seine Schuld schon im Juni beglichen.

Der unheimliche Erfolg macht des Geldinstitut so umstritten. Um die schmucklose Zentrale in der New Yorker Broad Street ranken sich zahlreiche Verschwörungstheorien. Häufig mischen sich antisemitische Wahnvorstellungen in die Goldman-Kritik, weil der Gründer der Bank, Marcus Goldman, ein Jude aus Deutschland war.

Die Bank - omnipräsent

Auch der Rolling-Stone-Artikel trieft vor Paranoia vor der angeblich allmächtigen Hochfinanz, ein Topos, der zum Standardrepertoire antisemitischer Tiraden gehört. Doch Goldman liefert auch Anlass für berechtigte Kritik. In einem Punkt zumindest hat der Rolling Stone recht: Die Bank ist so gut wie überall.

Sie ist die Kaderschmiede der amerikanischen Elite. Frühere Goldman-Mitarbeiter besetzen wichtige Posten in allen Bereichen der US-Wirtschaft. Sie dienen als Unternehmensberater und Medienexperten, vor allem aber tummeln sie sich in Washington. Bill Clintons marktliberaler Finanzminister Robert Rubin hatte 26 Jahre lang bei Goldman Karriere gemacht. George W. Bushs Finanzminister Henry Paulson hatte es sogar zum Chef der Investmentbank gebracht.

Auch die Regierung von Präsident Barack Obama hat Dutzende sogenannter Goldman-Graduierte in ihren Reihen. Einer von ihnen, Phil Murphy, soll Botschafter in Deutschland werden. Andere prominente Goldmänner in der Obama-Regierung sind: Robert Hormats, vorgesehen als Staatssekretär für Ökonomie und Landwirtschaft, Gary Gensler, Chef der Wertpapier-Kontrollbehörde Commodity Futures Trading Commission, und Mark Patterson, der Stabschef des neuen Finanzministers Timothy Geithner.

Goldman-Mitarbeiter spendeten fast eine Million Dollar für Obamas Wahlkampf. Kein anderes Unternehmen gab dem amerikanischen Hoffnungsträger so viel Geld wie der Branchenprimus der Wall Street. Goldman ist überall.

Suspekte Verflechtungen

Die personelle und finanzielle Verflechtung zwischen Washington und New York ist vielen Amerikanern suspekt. Während die Regierung Banken rettet, gehen Tausende Mittelständler pleite, und Millionen Arbeiter verlieren ihre Jobs. Der konservative Kommentator David Brooks ätzt: "Innerhalb der vergangenen Jahre haben Goldman-Leute die Kontrolle über große Teile des Regierungssystems übernommen. Bald könnte ihnen das ganze verflixte Ding gehören." Der eher linksgerichtete Journalist Alexander Cockburn stimmt zu: "Washington wandelt sich in eine 100-prozentige Unternehmenstochter Goldmans."

Auch Wissenschaftler nehmen sich des Themas an. Der frühere Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds und heutige MIT-Professor Simon Johnson sieht in der Kumpanei zwischen Staat und Finanzsektor gar den eigentlichen Grund der Rezession. Er spricht von einem stillen Coup. Die Wall Street habe Washington gekapert und stelle nun sicher, dass die Banken nicht verstaatlicht und zerschlagen würden, obwohl dies der beste Weg aus dem Krise sei.

Die Kritik an Goldman Sachs eint die sonst politisch so zerstrittenen Amerikaner. Die Bank spürt, dass ihr die Debatte gefährlich werden könnte. Und so reagierte sie selbst auf die Brandschrift im Rolling Stone, wenn auch nur mit beißendem Spott. Allein für die Ermordung der Präsidenten Lincoln und Kennedy habe das Magazin die Bank nicht verantwortlich gemacht, höhnte ein Goldman-Sprecher im Fernsehen.

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