US-Zinsentscheid:Warten auf die Federal Reserve

Ben Bernanke soll die Erleuchtung bringen: Börsianer erhoffen sich vom US-Notenbank-Chef am Dienstag einen rettenden Eingriff in die eskalierende Lage an den Kreditmärkten.

Simone Boehringer

Es wird eine entscheidende Woche werden für die Finanzmärkte und die Nerven der Anleger: Nach den Schlangen bei der britischen Hypothekenbank Northern Rock raten einige Marktbeobachter schlicht zum Verkauf von Bankaktien, andere bemühen schon den Vergleich mit den Wirtschaftskrisen der zwanziger Jahre und wieder andere empfehlen Investitionen in Edelmetalle wie Gold und Silber.

Von Einstiegskursen am Aktienmarkt spricht nach der wochenlangen Korrekturfahrt der wichtigsten Indizes kaum jemand mehr. Dabei haben sich die deutschen Barometer Dax (+0,82 Prozent) und MDax (-0,31 Prozent) trotz teils herber Verluste darin enthaltener Finanztitel relativ gut gehalten.

So verloren etwa die Aktien der Commerzbank 4,82 Prozent, Postbank-Papiere gaben 2,65 Prozent nach, und die Titel des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate büßten 3,25 Prozent ein.

IKB-Aktie verliert weiter an Wert

Die Aktien der im Nebenwerte-Index notierten IKB, die wegen zwei direkt am US-Hypothekenmarkt engagierten Finanzvehikel in Schieflage geraten war, verloren weitere 2,11 Prozent. Seit Jahresbeginn hat das halbstaatliche Geldhaus nun an der Börse mehr als die Hälfte seines Wertes eingebüßt.

Auch die anderen genannten Institute haben gemein, dass sie entweder direkt (HRE) oder indirekt, wie die Postbank über den Bausparer BHW oder die Commerzbank über die Eurohypo, an den Folgen der Hypothekenkrise in den USA laborieren könnten - zumindest erwarten dies die Investoren.

Einzig dem Branchenführer Deutsche Bank, deren Aktie per saldo in den vergangenen fünf Handelstagen um 0,3 Prozent zulegte, trauen Anleger offenbar zu, ungeschoren aus der Kreditkrise davonzukommen.

Vieles hängt davon ab, wie am Dienstag die Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank Federal Reserve ausfällt - und vor allem auch, wie die Märkte mit dem Ergebnis umgehen.

ZEW-Konjunkturprognose

Für denselben Tag erhoffen sich Marktbeobachter auch neue Hinweise darauf, inwieweit die Kreditkrise bereits die Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) nennt Konjunkturprognosen.

Am Freitag ist zudem großer Verfalltag an den Terminmärkten. Weltweit laufen Kontrakte auf Aktienindizes, Rohstoffe und Währungen aus. Profi-Investoren werden an diesem Tag wie immer versuchen, die Kurse durch geschickte Wertpapierkäufe und -verkäufe so zu beeinflussen, dass sie mit ihren zuvor abgeschlossenen Termingeschäften Gewinn machen.

Schon aus diesem Grund dürfte es am Ende der Woche zu hohen Handelsvolumina und stark schwankenden Aktienkursen kommen.

Breites Interesse in den USA an Zinsentscheid

Selten ist ein Leitzinsbeschluss von der breiten Masse der US-Bevölkerung vorab derart diskutiert worden wie der am Dienstag. Kein Wunder: Geht es doch für Hunderttausende Hausbesitzer in Amerika darum, ob ihre Hypothekenlasten in Zukunft noch tragbar sind oder nicht.

Dies hängt davon ab, inwieweit und zu welchen Konditionen die Geschäftsbanken und Hypothekenhäuser dazu bereit sein werden, bestehende Darlehen laufen zu lassen beziehungsweise neue zu vergeben. Je günstiger die Refinanzierungsbedingungen der Institute bei der Notenbank, desto besser für die verschuldeten Bürger.

Das Gros der Notenbankbeobachter rechnet mit einer Senkung der entscheidenden Federal-Funds-Rate um 0,25 Prozentpunkte auf 5,0 Prozent. Ein kleinerer Teil glaubt sogar an einen großen Schritt von 0,5 Prozentpunkte und eine Minderheit prognostiziert eine Beibehaltung der Rate bei 5,25 Prozent bei gleichzeitiger Senkung des Diskontsatzes.

Das ist der Zins, zu dem sich die Geschäftsbanken bei der Fed direkt Geld besorgen können. Diese Rate hatte die Fed bereits Mitte August einmal überraschend heruntergesetzt, damit aber das sehr schleppend laufende Geldmarktgeschäft nicht nachhaltig beeinflussen können.

Kein Vertrauen in Kreditnehmer

Die Banken horten ihr Geld lieber, anstatt es zu verleihen, weil sie angesichts der vielen Schieflagen in jüngster Zeit den Kreditnehmern nicht mehr trauen.

Dieses Misstrauen wirkt sich auch auf die Aktienmärkte aus. Zahlreiche Übernahmevorhaben, die in den vergangenen Monaten anberaumt wurden, stehen vor ungewissem Ausgang.

Ein Megadeal, die geplante Übernahme des Finanzdienstleisters First Data Corp. durch die Beteiligungsfirma Kohlberg Kravis Roberts im Volumen von 29 Milliarden Dollar, ist vergangene Woche nicht wie geplant umgesetzt worden.

Einige Banken hatten angesichts der turbulenten Märkte die Konditionen neu verhandeln wollen. Auch bei anderen geplanten Einkäufen wie der Übernahme der Großbank ABN Amro durch die britische Barclays oder ein Konsortium um die Royal Bank of Scotland mehren sich Zweifel, ob sie noch klappen. In den Wochen vor der Kreditkrise hatten vor allem solche Fusionsankündigungen die Aktienkursrally befeuert.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: