US-Wahl: Finanzpolitik:Washington ist blockiert, die Notenbank reagiert

Die Fed pumpt 600 Milliarden Dollar in die Märkte, um die lahmende US-Wirtschaft zu beleben. Dennoch: Nach den Wahlen beginnt für Amerika und die Weltwirtschaft eine Phase erhöhter Unsicherheit.

Nikolaus Piper, New York

Die US-Notenbank Federal Reserve versucht mit einem massiven neuen Programm zur Geldmengenausweitung die Wirtschaft zu beleben. Einen Tag nach der verheerenden Niederlage von Präsident Barack Obama bei den Kongresswahlen kündigte die Fed an, 600 Milliarden Dollar in die Wirtschaft zu pumpen. Doch die Politik in Washington steht wegen des Wahlsiegs der Republikaner vor einer Blockade.

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Der weitere Kurs der Finanzpolitik ist nach der US-Wahl nun offen. 

(Foto: AFP)

Konkret wird die Fed bis Mitte 2011 Staatsanleihen für 600 Milliarden Dollar erwerben. Der Offenmarktausschuss der Fed begründete seine Entscheidung mit der "enttäuschenden" Wirtschaftsentwicklung, vor allem mit der hohen Arbeitslosigkeit und der niedrigen Inflationsrate. Die Leitzinsen werden, so die Fed, noch für "ausgedehnte Zeit" auf dem historischen Tiefststand von null bis 0,25 Prozent bleiben.

An den Finanzmärkten war die Entscheidung erwartet worden, sie löste kaum Reaktionen aus. Der Dow-Jones-Index lag am Abend leicht im Minus bei 11.159 Punkten, der Kurs des Euro stieg allerdings um zwei Cents auf knapp über 1,41 Dollar.

Auch der Wahlausgang und die Aussicht auf eine politische Blockade in Washington schienen die Märkte kaum zu beunruhigen. Vertreter der Wirtschaft äußerten sich sogar enthusiastisch darüber, dass Präsident Barack Obama kaum noch Chancen hat, den Rest seines Programms umzusetzen. "Die Amerikaner stimmten für Jobs und Wirtschaftswachstum und wiesen Obamas Politik nachdrücklich zurück", erklärte Thomas Donohue, der Präsident der US-Handelskammer, der sich schon vor der Wahl gegen Obama engagiert hatte.

Auf jeden Fall beginnt für Amerika und die Weltwirtschaft nun eine Phase erhöhter Unsicherheit. Der weitere Kurs der Finanzpolitik ist unklar, und die Geldpolitik von Notenbankchef Ben Bernanke ist mehr und mehr umstritten. Bereits heute sorgen sich viele Kritiker, dass die Politik der Geldvermehrung über kurz und lang zu Inflation, steigenden Rohstoffpreisen und einer grassierenden Dollarschwäche führt. Von Herbst 2008 bis März 2010 hatte die Fed bereits Staatstitel für 1,75 Billionen Dollar erworben.

Wertpapierkäufe durch eine Notenbank sind gleichbedeutend mit Geldschöpfung. Jetzt nimmt die Fed die Geldmengenausweitung nicht nur wieder auf, sondern kündigt sogar an, sie bei Bedarf noch zu beschleunigen. Der Kurs wird auch intern kritisiert. Der Chef der Federal Reserve Bank of Kansas City, Thomas Hoenig, votierte am Mittwoch mit "nein".

Krise der Staatsfinanzen befürchtet

Im nächsten Jahr, wenn sich die Stimmrechte bei der Fed turnusmäßig ändern, werden weitere Kritiker Bernankes in den Offenmarktausschuss aufrücken: die Präsidenten der Landeszentralbanken von Dallas, Richard Fisher, von Minneapolis, Narayana Kocherlakota, und von Philadelphia, Charles Plosser.

Schlaffe US-Konjunktur: Notenbank öffnet wieder Geldschleusen

Die Geldpolitik von Notenbankchef Ben Bernanke ist mehr und mehr umstritten.

(Foto: dpa)

Offen ist, ob der Kongress in seiner neuen Zusammensetzung den Aufschwung stützt oder die Erholung der Wirtschaft im Gegenteil weiter erschwert. Das drängendste Thema dabei ist die Steuerpolitik. Damit muss sich noch der alte Kongress auf seiner letzten Sitzung am 15. November befassen. Nach geltendem Recht laufen die Steuersenkungen, die Präsident George Bush 2001 und 2003 durchgesetzt hatte, zum Jahresende aus. Präsident Obama und die Demokraten wollen die Senkungen für Einkommen bis 250.000 Dollar auf Dauer festschreiben, für Reiche dagegen beenden. Die Republikaner fochten im Wahlkampf für die Beibehaltung der niedrigeren Sätze für alle.

Sollten sich beide Seiten auf keinen Kompromiss einigen, werden die Sätze zum 1. Januar automatisch erhöht, was den Aufschwung in den USA weiter schwächen würde. Als wahrscheinlich gilt daher, dass letztlich genügend Demokraten mit den Republikanern stimmen werden, um deren Pläne durchzubringen. Zum Ausgleich könnten die Republikaner akzeptieren, dass die krisenbedingte Ausweitung der Arbeitslosenversicherung ins nächste Jahr verlängert wird, wie von den Demokraten verlangt. Vielleicht wird es auch Steueranreize für neue Jobs in Kleinunternehmen geben. Alles zusammen wird der Konjunktur gut tun, die langfristige Haushaltssanierung jedoch schwieriger machen.

Die Sanierung ist unabdingbar, wenn die USA auf mittlere Sicht eine schwere Krise der Staatsfinanzen vermeiden wollen. Ein wichtiges Datum ist dabei der 1. Dezember. Bis zu diesem Tag muss eine überparteiliche Haushaltskommission Sparvorschläge vorlegen. Im abgelaufenen Fiskaljahr 2010 erreichte das US-Defizit 1,3 Billionen Dollar. Sollten die Republikaner auf Steuersenkungen beharren, würde dies die Sanierung unmöglich machen und tendenziell zu einem schwächeren Dollar führen.

Obama wird in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit wirtschaftspolitisch kaum noch etwas durchsetzen können. Viele seiner bisherigen Maßnahmen dürften korrigiert werden. So wollen viele konservative Republikaner Obamas Gesundheitsreform komplett revidieren. Dazu wird es vermutlich nicht kommen. Wahrscheinlich ist aber, dass einzelne Teile korrigiert werden. Der Kongress kann zum Beispiel Ausgaben blockieren, die für die Umsetzung der Reform notwendig ist. Das gilt sinngemäß auch für die Finanzmarktreform, die die Republikaner fast geschlossen abgelehnt hatten.

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