US-Regierungsprogramm:Rettung könnte eine Billion Dollar kosten

Lesezeit: 4 min

US-Finanzminister Paulson will für seinen "kühnen Ansatz" zur Stützung der Finanzbranche in großem Stil auf Steuergelder zurückgreifen. Politiker befürchten, dass das Rettungspaket bis zu einer Billion Dollar kosten könnte.

Am Ende trifft es die Steuerzahler: US-Präsident George W. Bush hat eingeräumt, dass die Maßnahmen seiner Regierung zur Stützung der angeschlagenen Finanzmärkte dem Land zunächst teuer zu stehen kommen werden. "Diese Maßnahmen erfordern es, eine beträchtliche Summe an Geld der Steuerzahler zur Verfügung zu stellen", sagte Bush am Freitag in Washington. Die kostspieligen Eingriffe der Regierung brächten ein "Risiko" mit sich. Auf lange Sicht sei aber zu erwarten, "dass dieses Geld letztlich zurückgezahlt wird", sagte der Präsident.

Spricht von "hunderten Milliarden Dollar": US-Finanzminister Paulson (Foto: Foto: AP)

"Wir reden hier von hunderten Milliarden", sagte US-Finanzminister Henry Paulson vor Beratungen mit Kongressmitgliedern über Einzelheiten des großangelegten Plans: "Das hier muss groß genug werden, um wirklich etwas zu bewirken und bis zum Kern des Problems vorzudringen." Er werde Gesetzespläne vorstellen und mit dem Kongress arbeiten, damit dessen Mitglieder übers Wochenende Details ergänzen könnten. Kommende Woche solle es dann an die Gesetzgebung gehen.

Zuvor hatte der als sehr einflussreich geltende republikanische Senator von Alabama, Richard Shelby, gesagt, er gehe von Kosten von bis zu einer Billion Dollar für den Rettungsplan aus. "Ich schätze mal, es geht mal mindestens um eine halbe Billion", sagte Shelby dem Fernsehsender ABC. Aber wer sich anschaue, was die US-Notenbank Fed bereits alles unternommen habe, der könne auch mit bis zu einer Billion Dollar rechnen.

Abgewürgter Kreditfluss

Die US-Regierung will in der Finanzkrise der angeschlagenen Branche mit einem Rettungspaket von mehreren hundert Milliarden Dollar zu Hilfe eilen. Dabei sollten die Finanzinstitute von notleidenden Vermögenswerten befreit werden, sagte Paulson.

Derzeit "würgen sie den Kreditfluss ab, der lebenswichtig für unsere Wirtschaft ist. Um das Vertrauen in unsere Märkte und unsere Finanzinstitutionen wiederherzustellen, müssen wir das grundlegende Problem angehen, um Wachstum und Wohlstand zu fördern".

Alternative: weitere Bankenzusammenbrüche

Nötig sei aber auch ein Rückgriff auf Steuergelder in bedeutsamen Maße, sagte Paulson. Er sei jedoch überzeugt, "dass dieser kühne Ansatz amerikanische Familien weit weniger kostet als die Alternative: weitere Zusammenbrüche von Finanzinstitutionen und ein eingefrorener Kreditmarkt, der Wirtschaftswachstum nicht mehr finanzieren kann".

Als ersten Schritt des umfassenden Rettungspakets hatte die US-Regierung am Freitag bekannt gegeben, eine Einlagensicherung für Geldmarktfonds einrichten zu wollen. Dazu sollen bis zu 50 Milliarden Dollar bereitgestellt werden, teilte das US-Finanzministerium mit.

50 Milliarden für Geldmarktfonds

Mit dem Rettungsprogramm will die US-Regierung das Vertrauen in die Fonds stützen. Sobald der Wert der Fondsanteile unter einen Dollar sinke, setze die Versicherung ein. Anleger hatten zuletzt große Summen aus den Geldmarktfonds abgezogen. Dadurch kamen Fondsgesellschaften und andere Finanzhäuser in große Schwierigkeiten.

Die Einlagensicherung solle zunächst für ein Jahr gelten. Die beteiligten Fondsgesellschaften und Finanzhäuser müssen für die Teilnahme an dem Programm Geld aufbringen. US-Präsident George W. Bush habe die nötigen Mittel bereits freigegeben.

Zuletzt hatte der "Reserve Primary Fund" von sich reden gemacht, dessen Anteile wegen des Zusammenbruchs der US-Investmentbank Lehman Brothers unter einen Dollar gefallen waren. Der Wert der Investments war damit unter die Einlagen gesunken. Der Fonds hatte in Schuldverschreibungen der Investmentbank investiert, die nach dem Kollaps wertlos waren.

Experten kritisieren Rettungspläne

Auch wenn die Börsen die Nachricht von dem milliardenschweren Rettungspaket mit Erleichterung aufnehmen, wird von Expertenseite Kritik laut: Die angekündigten Rettungsmaßnahmen der US-Regierung stellen nach Einschätzung von Volkswirten ein erhebliches Risiko für den US-Haushalt dar und könnte die Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Sie könnten nach Angaben des US-Fernsehsenders CNBC insgesamt ein Volumen von 500 Milliarden Dollar haben.

"Offene Flanke"

"Dem Steuerzahler droht für diese große Lösung eine erhebliche Rechnung", sagt Commerzbank-Experte Bernd Weidensteiner. Die Bremer Landesbank sieht in dem Rettungsprogramm gar eine "offene Flanke" für den US-Haushalt. Die Pläne stellten eine erhebliche Gefahr für die Verschuldungssituation der USA dar, sagt Chef-Analyst Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank. Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden Finanzkrise arbeitet die US-Regierung derzeit an einer umfassende Auffanglösung für die amerikanische Bankenbranche.

"Wir beschäftigen uns mit einem Ansatz, die systemischen Risiken in den Kapitalmärkten anzugehen", sagte Finanzminister Henry Paulson in der Nacht zum Freitag. Geplant ist offenbar, den krisengeschüttelten US-Banken problematische Vermögenswerte abzukaufen.

Außerdem wird offenbar die Einrichtung einer Einlagensicherung für Geldmarktfonds diskutiert, um die zuletzt massiv gestiegenen Abflüsse aus diesen Fonds zu begrenzen.

Die bislang bekannten Umrisse der Regierungspläne zeigen laut Commerzbank-Experte Weidensteiner einige Parallelen zur sogenannten "Resolution Trust Corporation" (RTC) Anfang der 90er Jahre.

"Bereinigung wird verhindert"

Diese Zweckgesellschaft organisierte seinerzeit die Abwicklung zahlreicher in Not geratener amerikanischer Sparkassen. Die RTC übernahm damals die Abwicklung von über 700 Sparkassen mit Vermögenswerten von knapp 400 Milliarden US-Dollar. "Die RTC wickelte allerdings gesamte Institute ab. Die gegenwärtig diskutierte Lösung beschränkt sich hingegen auf den Aufkauf von Vermögenswerten", so Weidensteiner.

"Angesichts eines Staatsdefizits im laufenden Haushaltsjahr von bereits 640 Milliarden US-Dollar oder vier Prozent der Wirtschaftsleistung, birgt der Rettungsplan fiskalische Gefahren nicht überschaubaren Ausmaßes", betont Chef-Stratege Hellmeyer.

Ähnlich urteilt die Commerzbank, die einen Vergleich mit vergangenen staatlichen Rettungsaktionen zieht: So habe die Rettung schwedischer Banken Anfang der 90er Jahre den Staat sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gekostet.

Übertragen auf die USA entspreche dies rund 850 Milliarden Dollar und damit deutlich mehr als die im aktuellen Fiskaljahr aufgelaufene Neuverschuldung. Die Kosten für die Stützung des japanischen Bankensystems in den 90er Jahren hätten sich sogar auf bis zu 20 Prozent des BIP belaufen.

Trotz derartiger Bedenken zeigten Experten aber auch Verständnis für die Regierungspläne. Vor allem wegen der gestörten Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte seien die Überlegungen verständlich, räumte Hellmeyer ein. Möglicherweise bleibe dem Staat in der derzeitigen Situation gar keine andere Wahl, als abermals einzuschreiten. "Allerdings wird durch das Rettungspaket die dringend nötige Bereinigung im US-Bankensektor verhindert."

Dramatisch und verwerflich

"Ein Alternative zu dem vorgelegten Programm ist nicht auszumachen", urteilt auch Weidensteiner. Einmal mehr sei mit einem staatlichen Eingriff das geringere Übel gewählt worden, zumal ein Abwarten die Finanzkrise wohl weiter verschärfen würde und den Steuerzahler damit noch viel teurer kommen dürfte. Auch Hellmeyer räumt ein, dass eine abermaliges Einschreiten des Staats das Vertrauen in das Finanzsystem zumindest teilweise wieder herstellen könnte. Eindeutig fällt indes die Bewertung aus ordnungspolitischer Sicht aus. Die Rettungspläne der Regierung seien "stabilitätspolitisch absolut dramatisch und verwerflich", sagt Marktexperte Robert Halver von der Baader Bank. "Das ist die größtmögliche Kapitulation eines Finanzsystems." Die Alternative sei allerdings eine Rezession mit ungeahnten Konsequenzen. Letztlich erkaufe sich der Steuerzahler Stabilität, so Halver.

Auch Hellmeyer findet deutliche Worte: "Mit freien Märkten haben die Pläne rein gar nichts zu tun. Ein umfängliches Einspringen des Staats würde klar den ordnungspolitischen Rahmen sprengen." Auch würden durch eine Rettung diejenigen freigestellt und geschont, die für die Krise verantwortlich seien. Darüber hinaus sieht Hellmeyer in den Rettungsplänen eine deutliche Asymmetrie, nachdem Unternehmen wie die US-Investmentbank Lehman Brothers erst kürzlich insolvent gegangen seien und nun den verbleibenden Instituten unter die Arme gegriffen.

© sueddeutsche.de/Reuters/AP/dpa/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: