US-Hilfspaket:Das 700-Milliarden-Dollar-Spiel

Um eine Katastrophe im globalen Finanzsystem zu verhindern, hat der Kongress das Rettungspaket für die Banken gebilligt - und einen Preis dafür verlangt.

Nikolaus Piper

Wie Gesetze in Washington entstehen, ist auch für Amerikaner oft schwer zu durchschauen. Das Verfahren zwischen Präsident, Senat und Repräsentantenhaus ist verwickelt und unberechenbar. Erst recht bei einem Gesetz, das so unpopulär ist wie das Rettungspaket von Finanzminister Hank Paulson. Nach einer Umfrage des Wall Street Journal lehnt ein Drittel aller Amerikaner den Plan rundheraus ab, ein weiteres Drittel ist unentschieden.

US-Hilfspaket: Nervöse Blicke an der New Yorker Börse: Wie lange noch wird die Finanzkrise dauern?

Nervöse Blicke an der New Yorker Börse: Wie lange noch wird die Finanzkrise dauern?

(Foto: Foto: AFP)

Den Demokraten im Kongress ist das Gesetz vor allem deshalb zuwider, weil damit in erster Linie den Banken und nicht den Normalbürgern geholfen wird. Und die Republikaner mögen es nicht, weil es zu den umfassendsten Eingriffen des Staates in die Wirtschaft seit Jahrzehnten führen wird, was in einem krassen Gegensatz zu den Werten der Partei steht. Und doch wussten alle, dass sie letztlich ja sagen mussten, wollten sie nicht eine Katastrophe im globalen Finanzsystem riskieren.

Dass diese Gefahr ernst zu nehmen ist, machte am Mittwoch Warren Buffett klar, der legendäre Investor aus Omaha im Mittleren Westen. Buffett hatte zuvor fünf Milliarden Dollar in die Bank Goldman Sachs investiert - ein für die Börsen wichtiger Vertrauensbeweis. Diesen Schritt hätte er ganz sicher nicht getan, hätte er nicht darauf vertraut, dass das Rettungspaket beschlossen wird, sagte Buffett dem Fernsehsender CNBC.

Wie gefährlich die Lage immer noch ist, zeigt die anhaltende Nervosität an den Finanzmärkten. Am Donnerstag stieg in London der Zins, zu dem sich Banken untereinander für einen Monat Geld leihen, auf 4,98 Prozent, den höchsten Stand seit fast acht Jahren. Das ist ein Indiz für das gefährliche Misstrauen zwischen den Kreditinstituten.

Umgekehrt ist der Zins für amerikanische Schatzanweisungen mit einmonatiger Laufzeit auf 0,2 Prozent gesunken. Die Anleger verzichten praktisch auf jede Rendite, nur um ihr Geld in sicheren Staatspapieren parken zu können.

Vor diesem Hintergrund kam die Einigung im Kongress schnell, schneller sogar, als viele erwartet hatten. Finanzminister Hank Paulson bekam vom Kongress die Ermächtigung, bis zu 700 Milliarden Dollar auszugeben, um den Banken faule Kredite und Wertpapiere abzukaufen. Über eine erste Tranche von 250 Milliarden soll das Ministerium sofort verfügen können. Anders als in der öffentlichen Debatte oft unterstellt, geht es nicht darum, dass der Staat diese Papiere behält.

Ziel ist es vielmehr, die Märkte zu beruhigen und die Vertrauenskrise zwischen den Banken zu überwinden, und zwar mit folgendem Kalkül: Das Vertrauen ist deshalb eingebrochen, weil es für viele komplexe Wertpapiere derzeit keinen Marktpreis gibt und niemand weiß, auf wie hohen Verlusten der jeweils andere sitzt. Setzt der Staat erst einmal einen Preis, kommt der Markt wieder in Gang. Später sollen die Papiere weiterverkauft werden - im Idealfall ohne große Verluste.

Entgegenkommen in entscheidenden Punkten

Die Demokraten im Kongress hatten nun vor allem zwei Dinge im Sinn: Sie wollten Sicherungen zugunsten der Steuerzahler einbauen und die Machtbefugnisse des Finanzministers beschränken. Sie wollten sicherstellen, dass der Minister nicht zu viel zahlt und dass er später möglichst viel wieder zurückbekommt. Außerdem sollte nicht nur den Banken, sondern auch normalen Hausbesitzern geholfen werden.

Angesichts des enormen Drucks ist Finanzminister Paulson den Demokraten in entscheidenden Punkten entgegengekommen. Er akzeptierte eine Klausel, wonach der Staat einen Anteil am Kapital der Banken erwirbt, denen er hilft. Damit soll er sich schadlos halten können, falls sich die Wertpapiere eines Instituts später unverkäuflich sein sollten. Außerdem akzeptierte er eine strengere Kontrolle des Verfahrens durch den Kongress. Details waren bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Paulson hat sich sogar auf eine Beschränkung der Managergehälter eingelassen, ein zwar nur symbolischer, angesichts der Unpopularität des Pakets aber wichtiger Schritt. Gescheiterte Banker sollen sich nicht mit dicken Abfindungen absetzen können. Offen war am Donnerstag auch noch, ob es Hilfen für Hausbesitzer geben wird. Die Demokraten wollen das Konkursrecht so ändern, dass Richter künftig Hypothekenverträge zugunsten von Hausbesitzern ändern können, die Regierung lehnt das ab.

Finanzminister Paulson achtete bei dem ganzen Verfahren von vorneherein auf Überparteilichkeit. Sein wichtigster Verbündeter war dabei Barney Frank, der demokratische Vorsitzende des Bankenausschusses im Repräsentantenhaus. Er war auch der erste, der am Donnerstag das Übereinkommen verkündete. "Wir haben uns auf eine Menge von Dingen geeinigt."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: