Urteil gegen AWD:Geld zurück vom Berater

Provisionen kassieren und darüber schweigen? Das geht nicht. Finanzberater müssen die Kunden über Belohnungen aufklären. Andernfalls können Anleger Schadenersatz fordern.

Markus Zydra

Die meisten Finanzberater leben von der Verkaufsprovision. Sie müssen den Kunden über die Höhe dieser Provisionen aufklären. Dazu gibt es seit 2007 eine besondere gesetzliche Regelung. Das Landgericht München I hat nun entschieden, dass die Pflicht zur Aufklärung schon seit dem Jahr 1905 besteht. Und sie gelte nicht nur für Bankberater, sondern für alle freien Finanzdienstleister, heißt es in dem Urteil, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Die Richter haben in dem konkreten Fall den Finanzdienstleister AWD zu Schadenersatz verurteilt (Aktenzeichen 22O1787/09). Es ging um einen Streitwert von rund 220.000 Euro. Der Kläger hatte nach einem AWD-Beratungsgespräch Geld in den geschlossenen Immobilienfonds Falk60 investiert. Dafür erhielt der AWD eine Provision von der Finanz-Konzept, dem Hauptvertriebsunternehmen für den Fonds. Doch der selbständige Handelsvertreter des AWD hat dem Kunden von der Zahlung nichts gesagt. Das hätte er aber tun müssen, so die Richter. Es ging um eine Provision von rund 15 Prozent auf die Anlagesumme.

Es ist das erste Urteil gegen den AWD in einem Streit um die Verletzung der Aufklärungspflicht bei Provisionen, heißt es in Justizkreisen. Es sei auch schon zu außergerichtlichen Einigungen gekommen. Im Jahr 2008 hat der AWD nach Konzernangaben 429.000 Kunden beraten, der Umsatz betrug 633 Millionen Euro. "Anleger können auf Basis dieses Urteils nun auch rückwirkend klagen", sagt Rechtsanwalt Ralph Veil von der Kanzlei Mattil&Kollegen, der das Urteil erstritten hat.

AWD legt Berufung ein

Der AWD verweist in einer Stellungnahme darauf, dass andere Gerichte in ähnlichen Fällen zugunsten des Unternehmens entschieden hätten. Man habe Berufung gegen das Urteil eingelegt. Bemerkenswert ist, dass in diesem Fall der Kläger die Fonds bereits im Jahr 1997 gekauft hat, was häufig als Verjährungsfall gilt. Doch die Münchner Richter nahmen nun den AWD in die Pflicht.

Die Auskunfts- und Herausgabepflicht solcher Provisionen sei schon lange höchstrichterlich geregelt. "Ergänzend ist auf eine Entscheidung des Reichsgerichts hinzuweisen, wonach es treu und Glauben widerspricht, wenn ein Bankier als Kommissionär seinem Kunden einen Teil einer Bonifikation verschweigt", zitiert das Landgericht ein Urteil aus dem Jahr 1905. Dieses Argument war lange umstritten. Die Finanzbranche redet sich bis heute damit heraus, sie habe erst mit den BGH-Urteilen von 2006 an und der Mifid-Richtlinie 2007 erkannt, dass die Provisionsgelder - auch Kickbacks genannt - dem Kunden gehören.

Hintergrund des Streits ist ein grundlegender Interessenkonflikt: Der Kunde kann nie ganz sicher sein, ob der Berater ein Produkt wegen der Aussicht auf Provision oder wirklich im Interesse des Anlegers empfiehlt. "Ein Anlageberater muss ungefragt darauf hinweisen, dass und in welcher Höhe er Rückvergütungen erhält, egal ob es um Aktien- oder Medienfonds geht", so das Landgericht.

Das noch nicht rechtskräftige Urteil besagt auch, dass die Aufklärungspflicht zu Provisionen nicht nur Bankberater, sondern alle freien Finanzdienstleister betrifft, zu denen auch der AWD zählt. "Hier stellt sich das Problem des Interessenkonflikts sogar noch markanter, weil ein solches Unternehmen seinen Umsatz praktisch ausschließlich durch den Vertrieb von Finanzprodukten generiert", heißt es in der richterlichen Begründung.

Wegweisende Bedeutung

Auch das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einer aktuellen Entscheidung in dieser Rechtsfrage zugunsten der Privatsparer entschieden. Auch hier ging es um den Verkauf von Beteiligungen an Falk-Fonds, und zwar in den Jahren 1999 und 2000. Ein freier Anlageberater hatte die Kläger nicht über die Provisionen aufgeklärt, die er für den Vertrieb der Fonds erhalten hatte. Das Stuttgarter Gericht verurteilte den Anlageberater zu Schadensersatz in Höhe von 75.000 Euro.

"Bemerkenswert an dem Urteil ist insbesondere, dass diesem Sachverhalt aus den Jahren 1999 und 2000 zugrunde liegen und das Oberlandesgericht gleichwohl keine Verjährung annimmt", sagt Rechtsanwältin Diana Römhild von der Kanzlei Tilp, die das Urteil erstritten hat. Dem Urteil komme wegweisende Bedeutung zu, da in der Finanzdienstleistungsbranche Millionen von Anlageberatungen außerhalb von Banken erbracht wurden und weiter erbracht werden.

Juristen erwarten, dass der Bundesgerichtshof demnächst abschließend klären muss, ob sich freie Finanzvermittler auf einen Rechtsirrtum berufen können, wie sie das gerne machen. Oder ob es ihnen zumutbar war, sich über die Kickback-Regeln umfassend zu informieren.

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