Ungarn in Not:Zittern in Budapest

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban warnt in dramatischen Worten vor Verhältnissen wie in Griechenland. Seine Strategie, die Krise durch Wirtschaftswachstum zu egalisieren, ist bislang nicht aufgegangen.

Ungarn war das erste Land der Europäischen Union, das in der jüngsten Wirtschaftskrise Hilfen in Anspruch nehmen musste - lange noch vor Griechenland.

Ministerpräsident Orban wollte das Wirtschaftswachstum deutlich ankurbeln. Doch das hat nicht funktioniert. (Foto: REUTERS)

Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) stellten im vergangenen Jahr 20 Milliarden Euro parat, doch dann überwarf sich Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban mit EU und IWF - er weigerte sich, die strengen Bedingungen für die Notkredite zu erfüllen. Stattdessen wollte er die Krise mit forciertem Wachstum kompensieren. Das aber ist misslungen. Jetzt warnt Orban vor Verhältnissen wie im pleitebedrohten Griechenland.

Ungarn habe die Möglichkeit, auf den "griechischen Weg" abzurutschen oder mit den vor einem Jahr gestarteten wirtschaftlichen Reformen voranzukommen, sagte Orban in Budapest. Die europäische Schuldenkrise werde zunehmend zur Bedrohung.

"Ungarn ist in den letzten drei Monaten in eine wirklich gefährliche Situation geraten", sagte der Regierungschef: "Die ungarische Souveränität steht auf dem Spiel."

Um wirtschaftlich nicht noch tiefer abzurutschen, will die Regierung stärker als geplant den Haushalt kürzen. Ein Loch von 80 bis 100 Milliarden Forint (umgerechnet rund 300 - 370 Millionen Euro) müsse im Haushalt 2011 gefüllt werden, weil das Wachstum geringer als erwartet ausgefallen sei, sagte ein Staatssekretär Orbans.

Er kritisierte die ungarische Zentralbank für ihre Politik der hohen Zinsen. Der Leitzins liegt seit Januar bei sechs Prozent. Das Wirtschaftswachstum verlangsamte sich im zweiten Quartal und lag nur noch bei 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung auf Jahresbasis.

Schulden in Franken

Dabei hatte die Regierung einiges dafür getan, um das Wachstum zu forcieren und den Haushalt zu stabilisieren: Sie verhängte eine pauschale Einkommensteuer von 16 Prozent, führte eine Spekulationssteuer und entnahm rund 15 Milliarden Dollar aus Pensionsfonds. Doch der Konsum sprang nicht wie erhofft an.

Zwar seien die Löhne im Schnitt real um zwei Prozent gestiegen, rechnet der deutschsprachige Pesterlloyd vor, allerdings seien durch die neu eingeführte Einheitssteuer 80 Prozent der Arbeitnehmer ins Minus gerutscht. Hinzu kämen die teils stark steigenden Preise. Zwar habe sich die Inflation im ersten Halbjahr 2011 abgeschwächt, allerdings seien Produkte wie Mehl, Zucker, Pflanzenöl, Milch und Brot teils drastisch teurer geworden.

Viel schlimmer aber noch ist, dass sich derart viele Haushalte in Ungarn in ausländischer Währung, vor allem in Schweizer Franken, verschuldet haben. Rund zwei Drittel aller Kredite Ungarns sollen in Fremdwährungen aufgenommen worden sein. Einige Zeit funktionierte das gut, weil die Zinsen auf Franken-Kredite deutlich niedriger waren als für Darlehen in ungarischer Währung. Doch zuletzt hat der Forint vor allem im Vergleich zum Franken dramatisch eingebüßt, darum ist die Belastung für die Kreditnehmer enorm gestiegen. Zwar will die Regierung hier den privaten Haushalten Linderung verschaffen, indem sie die Wechselkurse fixieren lassen können, doch diese Regelung gilt nur vorübergehend.

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