Umweltschutz:Grüne Gebäude

Highlight-Towers in München, 2016

Büroturm in München. Neubauten verbrauchen viel weniger Energie als Bestandsimmobilien. Sanieren ist vielen Eigentümern zu teuer.

(Foto: Lukas Barth)

Die aktuellen Energiestandards gelten auch für Büros und Einkaufszentren. Das führt mitunter zu kuriosen Problemen.

Von Ralph Diermann

Frostig pfeift der Ostwind den Hunderten Bauarbeitern um die Ohren, die derzeit im Norden Helsinkis auf Finnlands größter Baustelle ein Shopping-Center mit 250 Läden samt Büros, Wohnungen und einem Hotel errichten. Noch stehen die Betonwände nackt da, laufend schaffen Lkw Material ins Innere des riesigen Rohbaus. Doch schon im Herbst 2019 soll Tripla, so der Name des Ensembles, eröffnet werden. Wichtigster Finanzier ist der EU-Fonds für Strategische Investitionen (EFSI). Die EU engagiert sich vor allem deshalb hier, weil der Bauherr, der finnische Projektentwickler YIT, Tripla zum Musterbeispiel für energieeffiziente Handels- und Büroimmobilien machen will.

YIT setzt auf allerlei Technik, um den Energiebedarf gering zu halten - auf ein komplexes Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung zum Beispiel, auf besonders effiziente Kälteanlagen oder eine sensorbasierte LED-Beleuchtung. Beheizt wird das Gebäude mit Fernwärme. "Tripla wird mit deutlich weniger Primärenergie auskommen, als es das neue finnische Energieeffizienz-Gesetz verlangt", erklärt YIT-Energieexperte Tommi Kokkonen.

Es geht nicht nur um die Kosten, sondern auch um die technische Machbarkeit

Anders als Deutschland hat Finnland mit seinen Effizienzvorgaben bereits eine entsprechende EU-Richtlinie in nationales Recht umgesetzt. Die EU verlangt, dass sämtliche Neubauten - Wohnhäuser genauso wie Büro-, Handels- oder Gewerbeimmobilien - ab 2021 als Niedrigstenergiegebäude ausgeführt werden. Für öffentliche Gebäude gilt dies bereits ab 2019. Doch die Definition des Niedrigstenergie-Niveaus hat die Union den Mitgliedsländern überlassen.

In Deutschland streiten Immobilienverbände und Klimaschützer schon seit Jahren, wie dieser Standard aussehen soll: Genügt die derzeit gültige, Anfang 2016 in Kraft getretene Fassung der Energieeinsparverordnung (EnEV), um der Forderung der EU gerecht zu werden? Müssen die Vorgaben der EnEV verschärft werden? Können sie gar gelockert werden? Oder brauchen wir einen ganz neuen Ansatz im Ordnungsrecht?

Besonders starke Kritik an höheren Standards kommt aus der Wohnungswirtschaft. Schon die EnEV 2016 halten Verbände wie der GdW für übermäßig anspruchsvoll. Der dringend benötigte Neubau von Wohnraum werde damit verteuert, so der GdW. Und auch die Entwickler von Handels-, Büro- und Gewerbeimmobilien sind alles andere als glücklich mit der letzten Verschärfung der EnEV. "Die Baukosten sind dadurch gestiegen, ohne dass dem entsprechende Einsparungen bei Energieverbrauch und -kosten gegenüber stehen", erklärt Maria Hill, Vorsitzende des Ausschusses für Energie und Gebäudetechnik beim Immobiliendachverband ZIA sowie Director Sustainability beim Shopping-Center-Spezialisten ECE.

Doch die Kosten seien bei Nicht-Wohngebäuden gar nicht mal das größte Problem. "Was uns noch mehr bewegt, ist die technische Machbarkeit", sagt Hill. Was etwa die Dämmung betrifft, sei man längst an einem Limit angelangt. "Bei Einkaufszentren zum Beispiel hat es gar keinen Sinn, stärker zu dämmen, da die Besucher und auch die Beleuchtung viel Wärme abgeben, die dann weggekühlt werden muss", erklärt die Expertin. Eine weitere Verschärfung der Vorgaben würde es zudem praktisch unmöglich machen, Neubauten mit Erdgas zu beheizen, da der Brennstoff bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs vergleichsweise schlecht abschneidet.

Darüber hinaus kritisiert Hill, dass die Systematik der EnEV der Komplexität vieler Wirtschaftsimmobilien nicht gerecht werde. Der Verordnung liegen virtuelle Referenzgebäude zugrunde, nach denen sich der maximal zulässige Primärenergiebedarf bemisst. Für Handels-, Büro- und Gewerbebauten gelten dabei weitgehend die gleichen Regeln wie für Wohnimmobilien. Doch für einige Gebäudetypen sind gar keine Referenzen definiert. "Man muss sich dann behelfen, indem man andere Typologien zusammenfasst und überträgt. Was aber zur Folge hat, dass man unter Umständen Maßnahmen ergreifen muss, die technisch und wirtschaftlich überhaupt nicht sinnvoll sind", sagt Hill. Die Expertin schlägt deshalb vor, mehr Typologien in die EnEV aufzunehmen.

Das allerdings könnte die Verabschiedung einer EU-konformen Verordnung weiter verzögern. Ohnehin litten die Projektentwickler schon heute unter der politischen Hängepartie. "Sie wissen nicht, auf welche Anforderungen sie sich einstellen sollen", erklärt Stefan Stüer, Professor für Klimagerechtes Bauen und Technischen Ausbau der TU Dresden sowie Mitglied der Geschäftsleitung beim Beratungsunternehmen CBRE Preuss Valteq. Stüer plädiert dafür, zu den bis Ende 2015 gültigen, weniger strengen EnEV-Vorgaben zurückzukehren, da die letzte Verschärfung kaum Energie eingespart habe - und dafür aber eine verpflichtende, mit Grenzwerten unterlegte Lebenszyklus-Analyse der einzelnen Bauteile einzuführen. "Dem Klimaschutz wäre viel mehr gedient, wenn Bauherren nachweisen müssen, wie viel Energie in Produktion, Transport und Entsorgung der verwendeten Materialien steckt und wie sie sich recyceln lassen", sagt Stüer. Dieser Energieaufwand werde häufig massiv unterschätzt.

Doch wie auch immer nun die EU-Effizienzrichtlinie in Deutschland umgesetzt wird: Aus Sicht des Klimaschutzes ist diese Frage nachrangig, da das deutlich größere Potenzial zur Verringerung der CO₂-Emissionen im Bestand liegt. So zeigt eine Studie der Deutschen Energie-Agentur dena, dass Büroimmobilien, die unmittelbar vor Inkrafttreten der ersten Wärmeschutzverordnung 1978 gebaut wurden, im Durchschnitt auf einen Primärenergiebedarf von 211 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr kommen. Bei modernen Bürobauten sind es weniger als 100 Kilowattstunden. Der wirtschaftliche Anreiz zur energetischen Sanierung ist jedoch zumindest für die Eigentümer vermieteter Objekte nicht allzu groß, da die Ausgaben für Wärme und Strom meist nur einen relativ geringen Teil der Nebenkosten ausmachen. Viel stärker fällt der Aufwand etwa für Verwaltung, Reinigung und Sicherheit ins Gewicht. Über Mieterhöhungen lassen sich energetische Sanierungen deshalb meist nicht refinanzieren - jedenfalls nicht in den üblicherweise dafür angesetzten Zeiträumen. Allerdings wird das Thema Energieeffizienz laut der dena-Studie von Bauherren und Eigentümern ohnehin vor allem aus Marketing- und Imageperspektive betrachtet. Gleiches gilt für Nachhaltigkeits-Zertifizierungen etwa nach den LEED- oder den DGNB-Standards. "Oft ist es auch der Druck von Anteilseignern, der Investoren bewegt, besonderen Wert auf Energieeffizienz und Nachhaltigkeit zu legen", erklärt Stüer. Aus Sicht der Vermarktung ist das aber zumindest derzeit gar nicht notwendig, meint der Experte. "Momentan wird man so oder so alles los!"

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