Umweltfreundliches Bauen:Et in Arcadia Öko

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Der Irrsinn einer Branche: Warum Architekten das energieeffiziente Wohnen verschlafen.

Gerhard Matzig

Dass sich Politiker als ,,Architekten'' bezeichnen, als Architekten etwa der Nahostverträge oder als Baumeister Europas, ist bekannt. Es ist lediglich Rhetorik. Neu ist jedoch, dass sich Leute wie Bill Clinton oder Angela Merkel im Zuge des Klimawandels tatsächlich für Fensterprofile und Wärmedurchgangskoeffizienten interessieren.

Ein von der Fraunhofer-Gesellschaft vorgestelltes energieautarkes Solarhaus (Foto: Foto: dpa)

Der amerikanische Ex-Präsident offenbarte erst kürzlich seine ,,Clinton Climate Initiative'' und sprach davon, dass in Zukunft alle Gebäude so zu isolieren seien, dass ,,die Wände und Fenster nicht Kälte im Sommer und Wärme im Winter abgeben''. Und die deutsche Kanzlerin bekräftigte jüngst die Zusage, energieeffiziente Umbaumaßnahmen im Wohnungsbau zu fördern. Energiesparen sei eine ,,Bürgerpflicht'' in den ,,eigenen vier Wänden''. Auch hier geht es um Fassaden, Fenster und Türen, um eine energetisch sinnvolle Grundrissgestaltung sowie um die Frage, wie wir in Zukunft unsere Behausungen erwärmen wollen.

Solche Aspekte gehören zu den derzeit wichtigsten Themen der Architektur. Baukultur verdichtet sich offensichtlich zu einer Frage der Existenzsicherung. Ästhetische Diskussionen werden deshalb zwar nicht obsolet, verlieren aber ihre lange ausgeübte Dominanz über die Technik: Im Berufsbild des Architekten kehrt daher mit aller Macht der Ingenieur zurück - der erst in der Ära der Moderne verdrängt worden war.

Die Architektur als ,,Mutter aller Künste'' (Vitruv) kann sich in einer ökologisch determinierten Zeit nicht mehr nur als Kunstform begreifen, sondern wird Teil eines Themenkomplexes, in dem es auch um das Klima, um Ressourcen, Volkswirtschaft oder Geostrategie geht. Architektur und Städtebau werden somit politisch. Sie befinden sich inmitten eines Paradigmenwechsels, wie es ihn niemals zuvor in der Geschichte dieser Disziplinen gegeben hat.

Green Glamour

Kein Wunder, dass sich die Politik nun dem Bauen zuwendet. Denn allein in Deutschland verursacht das Wohnen rund 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs. Nimmt man die Energetik von Bürohäusern hinzu, wird deutlich, dass neben Verkehr und Industrie die Architektur zu einem der drei maßgeblichen Energie-Faktoren unserer Zeit geworden ist.

Insbesondere die Frage, wie das Wohnen energetisch optimiert werden kann, gehört zu den Zukunftsfragen der Menschheit. Falls die Treibhausgaskonzentration bis zum Jahr 2050, wie vom UN-Klimarat gefordert, um bis zu 80 Prozent gesenkt werden muss, wird es vor allem auch auf die Erneuerung der alten Kunst des Häuserbauens ankommen.

Wenn sich aber schon die Politik für Wohnbautechnologie interessiert - warum gilt das dann nicht auch für die Architekten selbst? Das ist das größte Rätsel einer Branche, die sonst jedem zeitgeistigen Thema nach Kräften hinterherläuft. Nur für die Ökologie von Wohnbauten fühlt man sich nahezu unzuständig. Das ist auf Symposien, in den Fachzeitschriften, an den Universitäten und Fachhochschulen sowie vor allem auf dem Immobilienmarkt immer wieder zu erleben. Öko-Häuser zum Wohnen haben die Architekten außerhalb der bekannten Nischen nicht im Programm.

Dafür könnte es zwei Gründe geben. Erstens: Architekten haben keine Ahnung von Wohnarchitektur. Und zweitens: Architekten verstehen nichts von Haustechnik als Fundamentaldisziplin eines ökologischen Bauens. Beide Annahmen sind richtig. Ausgerechnet die deutschen Architekten, Teil einer Nation, die in Fragen der Umwelttechnologie führend ist, verschlafen so in großen Teilen die radikalste Herausforderung, die es in diesem Beruf je gegeben hat. Es ist nicht zu fassen.

Schon deshalb nicht, weil die Architektenschaft hierzulande von der größten akademischen Arbeitslosigkeitsquote gepeinigt wird. Unter anderem liegt das daran, dass nirgendwo sonst auf der Welt derart viele Architekten auf einem derart kleinen Markt agieren: Allein in Bayern gibt es mehr Architekten als in ganz Frankreich. Gleichzeitig aber steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Wohnbauten derzeit auf drastische Weise.

Die Architekten müssten sich also reißen um die entsprechenden Aufträge. Aber erstaunlicherweise haben sie jene Chancen, die ein weltweites Phänomen namens ,,Green Glamour'' für sie bereithält, noch nicht einmal ansatzweise begriffen. In diesem Begriff verbinden sich die schiere Notwendigkeit einer nachhaltigen Lebensweise mit dem Rückgang endlicher Ressourcen und einer gar nicht mal so ungesunden Portion Hysterie. Im Zuge der Schreckensmeldungen (Dürren, Ernteausfälle oder Hurrikane als wahre oder auch nur vermutete Folgen des Klimawandels) zeichnet sich trotz mancher Irrationalität ein Bewusstseinswandel ab, der den elitären Bio-Lifestyle allmählich hinter sich lassen könnte.

Arnold Schwarzenegger, ,,Ökonator'' von Kalifornien, Leonardo DiCaprio in seinem Hybrid-Auto oder auch der Starsurfer Kelly Slater mit seinem Öko-Haus auf Hawaii: Das waren frühe Botschafter einer modischen Unterströmung in der Gesellschaft. Aber mittlerweile erfreut sich alles, was ,,Bio'' oder ,,Öko'' als Label besitzt, tatsächlich einer relevanten Nachfragesteigerung. Das gilt für ,,Eco-Fashion'' wie für Öko-Fonds. Und ganz besonders für Solaranlagen. Die Nachfrage nach Heizungsunterstützung und Wärmegewinnung hat sich innerhalb kürzester Zeit vervierfacht.

Was natürlich auch dem Galopp der Öl- und Gaspreise geschuldet sein dürfte. Passgenau melden Immobilienmakler ein steigendes Interesse an Niedrigenergie- oder sogar Passivhäusern. Und die Handwerkszünfte berichten glücklich von vollen Auftragsbüchern: Millionen von alten Wohnungen und Häusern müssen mit den neuen ,,Energiepässen'' ausgestattet werden. Die energetische Sanierung und Aufrüstung ist die Bauaufgabe der Stunde.

Aber in diesem Riesengeschäft kommen Architekten kaum vor. Bezeichnend ist dafür das ,,Energetikhaus 100''. Dieses ,,schlüsselfertige Ganzjahressolarhaus'', das der Nachfrage nach einem ökologischen Wohnen plakativ in Form einer gigantischen Solarfassade entgegenkommt, wurde von einem Ziegelhersteller entworfen, der auf diesem Weg ohne größere architektonische Ambitionen vor allem seinen ,,Planziegel Eder XP 11'' als ,,natürliche Klimaanlage'' verkauft. Die Ökologie mag hier gegeben sein. Aber mit Architektur als Kunst, Form und Funktion in Einklang zu bringen, hat das Produkt nicht viel zu tun.

Herzog, Sobek und Co.

Es sind immer dieselben Architekten, die das ökologische Bauen baukulturell anreichern: Thomas Herzog gehört dazu, Rolf Disch und der Avantgardist Werner Sobek, dessen spektakuläres Privathaus wie kein anderes gezeigt hat, wie mondän und futuristisch das aussehen kann, was man sich lange nur als klumpige, strohgedeckte Lehmhütte vorstellen mochte.

Einer der wenigen jungen Architekten, der das Thema ,,Nachhaltigkeit'' völlig selbstverständlich vertritt, ist Stefan Behnisch. Für die Hamburger Hafencity plant sein Büro gerade den ,,Marco-Polo-Tower'', einen Wohnturm samt Erdreichwärmetauscher, optimierter Kastenbefensterung und einer enormen Solarkollektoren-Dachfläche. Bis 2009 dürfte das einer der sehenswertesten Niedrigenergie-Wohntürme der Welt werden.

Abgesehen von solch rühmlichen Ausnahmen beschäftigen sich die meisten Architekten nicht mit ökologischen Themen. Das liegt auch daran, weil sie traditionell dem Wohnungsbau fremd gegenüberstehen. Den Architektenkammern zufolge werden in Deutschland nicht einmal fünf Prozent aller Wohnhäuser von Architekten geplant - sondern von den Normgrundriss-Abteilungen der Bauträger.

Aber hinzu kommt noch eine zweite Auffälligkeit: Jahrzehntelang wurde das Fach ,,Haustechnik'' in den Architekturschulen gemieden. Ganze Generationen von Architekten sind so herangezogen worden, die die energetischen Konsequenzen von Konstruktionen und Materialien kaum überschauen. Zu schweigen von Fragen der Thermodynamik.

Das ändert sich zwar, wie neue Fächer wie ,,Clima Design'' zeigen - und auch die Standesvertretungen aktualisieren ihre Politik: Aber insgesamt agieren die Architekten dennoch viel zu schwerfällig angesichts der neuen Herausforderungen. Sie haben nicht begriffen, dass es sich dabei auch um neue Märkte für sie selbst handelt.

© SZ vom 31. 8. 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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