Umwandlung:Beste Aussichten für alte Büros

Ganze Bürobauten stehen leer, besonders solche, die 30 Jahre und mehr auf dem Buckel haben und in gemischten Quartieren stehen. In München sind einige dieser Gebäude renoviert worden und werden nun edel bewohnt.

Von Oliver Herwig

Wer in München gerade Wohnungen besichtigt, stellt fest: Sie sind preiswerter geworden. Und die Schlangen vorm Eingang kleiner. Von einer Entspannung aber keine Rede. Mietermarkt klingt in dieser Stadt exotisch, Leerstand wie ein Fremdwort, im Gegensatz zu Gewerbebauten, die im letzten IT-Boom entstanden. Zwei Millionen Quadratmeter, schätzen Experten, warten auf Anwälte, Callcenter oder Designbüros. Warum werden sie nicht sofort in Wohnungen umgewandelt? Kochen über der Donnersberger Brücke. Und Vierkantbolzen mit Alpenblick!

Bürobauten stehen unter Druck, besonders solche, die bereits 30 Jahre und mehr auf dem Buckel haben und in gemischten Quartieren stehen. Statt die längst abgeschriebenen Immobilien mit hohem Aufwand an heutige Bürostandards anzupassen oder ganz abzureißen, baut sie Harald Liedl lieber in Wohnungen um.

Beispiel Sendling-Westpark

Das hat der Münchner Architekt in der Drachenseestraße vorgeführt. Bis letztes Jahr stand da ein Bürohaus von 1969 mit Fensterbändern, ockerfarbenen Brüstungen und Geschosshöhen bis 3,30 Meter.

Weil sich der Stadtteil Sendling-Westpark von einem Misch- in ein Wohngebiet wandelt, habe sich der Eigentümer entschlossen, Appartements und Lofts zu schaffen, sagt Liedl. Und "um einen jahrelangen Leerstand zu vermeiden". Mit neuen Fenstern war es nicht getan, der Architekt musste alle Wände und Installationen herausreißen und durch Leichtbauwände, moderne Leitungen und Bäder ersetzen. Wer teilt sich heute schließlich noch Bad oder Toilette? Wer verzichtet auf einen Balkon? Oder lebt mit Klimaanlage?

Schallschutz, Sanitärinstallationen und Wärmeschutz bilden drei Knackpunkte für jede so genannte Konversion. Dass das Bürohaus "ohne gravierende Eingriffe" umgebaut werden konnte und noch dazu mit "relativ geringen Kosten", liegt an den Trockenbauwänden, die er einzog. Gemauerte, massive Wände hätte der Stützenbau nicht mehr getragen. Rund 1000 Euro pro Quadratmeter setzt Liedl für vergleichbare Projekte an, der hier immerhin 15 Wohnungen mit bis zu 2,55 Metern Raumhöhe aus dem Bürohaus schnitt und Balkone an die knallgelbe Fassade klebte. Schon während des zehnmonatigen Umbaus gingen alle Wohnungen weg.

Beste Aussichten für alte Büros

Stadt legt keine Steine in den Weg

Umbauten und Nutzungsänderungen wie diese sind kein Einzelfall. Jedes Jahr flattern Elke Englisch, Leiterin des Amtes für Wohnen und Migration, ein Dutzend Anfragen auf den Schreibtisch, positiv beschieden werden "eigentlich alle". Selbst die so genannte Zweckentfremdungsverordnung stellt kein Problem dar.

Sie soll alle Maßnahmen verhindern, die Wohnraum entziehen. Etwa, wenn dieser beruflich oder gewerblich genutzt, abgebrochen oder dem Verfall preisgegeben wird, oder länger als drei Monate leer steht. In den letzten Jahren schien die Verordnung kontraproduktiv.

Wer wandelt Büros zu Wohnraum um, mit dem sich nur niedrigere Mieten erzielen lassen, wenn das eine Einbahnstraße ist? Ihre Mitarbeiter entscheiden "so entgegenkommend wie möglich", sagt Englisch. Sofern kein "endgültiger Umwidmungswille" erkennbar sei, werde die Umwandlung sogar bis zu zehn Jahren offen gehalten. In dieser Zeit könnten wieder lukrative Büros entstehen, ganz nach Marktlage.

Einzige Voraussetzung: eine klare Aussage beim Amt. "Wir haben schließlich Interesse, dass Wohnraum entsteht", sagt Englisch.

Die Zweckentfremdungsverordnung ist nicht das Nadelöhr, eher das Baurecht. Jede Nutzungsänderung ist genehmigungspflichtig. Und Wohnraum stellt ganz andere Anforderungen als Büros, von der Erschließung durch Treppenhäuser, über Lärm- und Wärmeschutz, Sanitäranlagen bis zum Stellplatz in der Tiefgarage. Trotzdem.

Beispiel: Sendling

In Sendlings Alramstraße schwingen Balkone wie eine Sinuswelle im Oszillographen. Wo vor dem Krieg die Fräulein vom Amt Telefonate stöpselten, liegen nun Luxus-Lofts, nachdem die Post ihren im Krieg verbunkerten Verteilerkasten abstieß.

Meier-Scupin & Petzet (nunmehr Meier-Scupin & Partner sowie Muck Petzet Architekten) gestalteten das Ensemble um. Radikal. Eine Tiefgarage reicht bis unter das Rückgebäude, und ein neues Treppenhaus erschließt beide Häuser. Die Architekten drehten im Rückgebäude sogar das Tragwerk, um durchgesteckte Wohnungen von 80 bis 250 Quadratmeter zu erhalten, mit Parkett und gehobener Ausstattung. Es wohnt sich luftig hinter Französischen Fenstern und Balkonen mit Blick über den Innenhof, während im Bunker Waschmaschinen rotieren.

Carolin Hegenbarth vom Ring Deutscher Makler in Berlin klingt skeptisch. Das Modell "mag in München ein Thema sein", sagt die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit. Der Überhang an Büros werde sich geben, spätestens, wenn ab 2006 weniger Neuzugänge auf dem Markt kommen. Mieter können sich die besten Stücke aussuchen, und da haben "nicht modernisierte Nachkriegsbauten wenig Chancen." Also doch: Ältere Gebäude bleiben Kandidaten für den Umbau. In München brennt das Thema.

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