Umstellung der Krankenkassen-Karte:Hunderttausende verweigern neue Gesundheitskarte

Elektronische Gesundheitskarte

Viele Patienten lehnen sie ab: die neue, elektronische Gesundheitskarte.

(Foto: dpa)

In Zeiten von Abhörskandalen und Datensammelwut lehnen zahlreiche Patienten die elektronische Gesundheitskarte ab, die ab 1. Januar verwendet werden soll. Wer sie nicht hat, wird zwar weiterhin behandelt - muss sich aber auf Unannehmlichkeiten einstellen.

Von Berrit Gräber

Der Countdown läuft: Am 1. Januar löst die elektronische Gesundheitskarte das Krankenkassen-Kärtchen ab. Die allermeisten der 70 Millionen gesetzlich Versicherten haben schon die neue Version mit Lichtbild, fünf Prozent von ihnen haben aber bisher ihr Foto für den Sprung ins digitale Ausweis-Zeitalter verweigert. Die sollen nun endlich mit ins Boot geholt werden. Schließlich kostet die jahrelange Verwaltung von zwei parallelen Kartensystemen viel Geld.

Die Krankenkassen legen sich deshalb mächtig ins Zeug. Branchengrößen wie die Techniker Krankenkasse (TK) und die DAK lassen Tausenden Abtrünnigen hinterhertelefonieren. Hotline-Mitarbeiter leisten im Minutentakt Überzeugungsarbeit bei all denen, die die Abgabe verschludert haben, den Aufwand scheuen oder Datenmissbrauch fürchten. Die DAK lockt in ihren Filialen mit einem kostenlosen Fotoservice, andere Kassen mit Beratung fürs Hochladen schnell geknipster Fotos am Computer.

Die Herstellung des Ausweises dauert immerhin etwa acht Tage. "Die Nichtreagierer, wie wir sie nennen, kriegen dieser Tage auch noch einen Brief, dass die alte Karte an Silvester ausläuft", sagt ein TK-Sprecher. Von 2014 an gelte nur noch die elektronische Karte, die seit 1995 ausgegebenen Versichertenkärtchen verlören zum 31. Dezember 2013 ihre Gültigkeit, hatten der GKV-Spitzenverband und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gewarnt.

Nun macht sich bei vielen die Sorge breit, dass sie ab kommendem Jahr ohne Versicherungsschutz dastehen, berichtet Daniela Hubloher, Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Hessen. Die Angst sei aber unbegründet. Niemand werde wieder nach Hause geschickt, wenn er mit seinem alten Ausweis in der Arztpraxis auftauche, stellt auch Claudia Widmaier, Sprecherin des GKV-Spitzenverbands, klar.

Verweigerer müssen sich auf Lauferei einstellen

Der Verband hat sich längst mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf eine Übergangsfrist bis zum 30. September geeinigt. "Wer die alte Karte auch nächstes Jahr noch hat, kann sie bis dahin noch einsetzen", erklärt auch der TK-Sprecher. Zumindest theoretisch. Hartnäckige Verweigerer müssen sich in der Praxis aber auf Unannehmlichkeiten und einige Lauferei einstellen. Ein Patient muss zwar immer medizinisch versorgt und vom Arzt behandelt werden.

Allerdings hängt es nicht zuletzt vom Arzt ab, ob er die alte Karte noch akzeptiert, erläutert der Sprecher. Winkt der Doktor ab, greift Plan B, ein Ersatzverfahren, das bereits heute zum Beispiel bei Verlust einer Karte zum Einsatz kommt: Der Patient kann innerhalb von zehn Tagen nach der Behandlung einen Nachweis seiner Kasse vorlegen, dass er versichert ist. Schafft er das nicht, darf der Arzt ihm die Kosten privat in Rechnung stellen. Dann habe der Patient aber immer noch die Chance, innerhalb von 14 Tagen den Versichertennachweis nachzureichen, wie der TK-Sprecher erklärt. Klappt das, muss der Arzt die Privatrechnung wieder zurückziehen.

Grundsätzlich sind Versicherte dazu verpflichtet, ein aktuelles Foto bei ihren Kassen abzugeben. Das müsse kein biometrisches Bild sein, so der Sprecher. Der Versicherte müsse nur zu erkennen sein. In Paragraf 291a des Fünften Sozialgesetzbuchs (SGB V) ist das so festgehalten. Ausnahmen gibt es für Kinder bis 15 Jahre, für Menschen mit Pflegestufe oder wenn die Religion ein Foto verbietet. Diese Versicherten erhalten ihre Gesundheitskarte auch in Zukunft ohne Lichtbild.

Für Hunderttausende Patienten, die das elektronische Kärtchen rundweg ablehnen, wird es nach der Übergangsfrist schwierig. Ihnen bleibt erst einmal nur eins: Die Arztrechnung selbst bezahlen und später von der Kasse erstatten lassen. Damit läuft ein Patient Gefahr, dass er auf so manchen Ausgaben sitzen bleibt.

Wer in Zeiten von Abhörskandalen und Datensammelwut skeptisch bleibt, kann sich nur damit trösten: An der neuen Karte ist bisher nur das Foto neu, wie Hubloher betont. Alles andere wie das Speichern von Behandlungen oder der Ausbau zur elektronischen Patientenakte sei noch Zukunftsmusik. Die neue Karte sollte eigentlich schon 2006 die alte ablösen. Die Einführung hat sich jedoch zum Mammutprojekt entwickelt. Datenschützer warnen seit Jahren vor Missbrauch, Ärzte befürchten die Kontrolle ihrer Arbeit.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: