Umnutzung:Urlaub in der Kunstwelt

***BESTPIX***Tropical Islands Lures Winter Tourists

Südsee-Feeling in der Lausitz. Der Freizeitpark in der früheren Luftschiffhalle wurde Ende 2004 eröffnet und zieht heute auch internationales Publikum an.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)

Erst Investment-Ruine, jetzt Touristenattraktion: In einer der ungewöhnlichsten Immobilien Deutschlands wurde die Badelandschaft Tropical Islands geschaffen. Jetzt soll die Anlage noch größer werden.

Von Steffen Uhlmann

Nun ist es offiziell: In der Lausitz steht der weltweit größte Indoor-Wasserpark. Die schrille Nachricht aus der Welt der Guinness World Records von 2017 tut der stillen Landschaft gut, die sich von Görlitz im Südosten bis hoch an den Spreewald bei Berlin zieht. Mittendrin noch immer bizarre Mondlandschaften, die für den untauglichen Versuch der DDR stehen, sich mittels heimischer Braunkohle von den zu jener Zeit explodierenden Ölpreisen unabhängiger zu machen. Und es wurde nicht besser, als die Marktwirtschaft in das ehemalige Energie-, Chemie-, Glas- und Textilzentrum des untergegangenen zweiten deutschen Staates zog - industrieller Abbruch allerorts: Bis auf einige Tagebaue und Kraftwerke verschwanden fast sämtliche Großbetriebe, und mit ihnen viele ihrer Beschäftigten - in die Arbeitslosigkeit oder in den Westen, immer der Arbeit nach. Jahrelang schien auf diesem Flecken der Erde das Lebenstempo heruntergedreht. Es schlurfte sich so dahin zwischen Kiefern und Kohl, Tagebauen und Teichlandschaften.

Dann aber die Wende nach der Wende. Auf dem Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes in Brand, einem Ortsteil der Gemeinde Halbe im Landkreis Dahme-Spreewald, versuchte ein selbsternannter Luftfahrtpionier die Zeppelin-Ära wiederzubeleben, und damit wenigstens einen Teil der Lausitz aus dem wirtschaftlichen Off zu holen. Die größten Luftschiffe der Welt wollte er bauen, mit deren Hilfe man Frachten bis zu 160 Tonnen in alle Ecken und Enden der Welt transportieren konnte. Montiert werden sollten sie in einer riesigen Halle, die mit 360 Metern Länge, 210 Meter Breite und 107 Meter Höhe zu den größten freitragenden Hallen der Welt gehört. 1998 begannen die Arbeiten an diesem Konstrukt, für das Brandenburg tief in die Steuerkasse griff. Fast 78 Millionen Euro kostete das Bauprojekt, knapp 40 Millionen Euro steuerte die öffentliche Hand bei. Im Jahr 2000 waren 14 000 Tonnen Stahl verbaut, die Halle war fertig. Doch das Projekt stürzte ab, lange bevor einer der Luftschiffkolosse gen Wolken aufsteigen konnte. 2002 war die Cargolifter AG pleite. Zurück blieben enttäuschte Mitarbeiter, enteignete Aktionäre und eine Monsterhalle, in der man gut und gerne die Freiheitsstatue (stehend), den Eiffelturm (liegend) oder fünfmal das Brandenburger Tor (nebeneinander) hätte unterbringen können. Nur wurde sie dafür nun wirklich nicht gebraucht.

Anfangs wurde viel gemeckert: die Halle zu zugig, die Besucher zu laut, das Eintrittsgeld zu hoch

Das Schicksal als Investment-Ruine schien besiegelt. Bis, ja bis die Manager des malaysischen Mischkonzerns Tanjong mit der Idee in die Lausitz kamen, die fünf Fußballfelder große zugige und schwer beheizbare Halle in eine Tropenlandschaft zu verwandeln. Die Idee war so ausgeflippt, dass Insolvenzverwalter Klaus-Dieter Mönning die Herren aus Kuala Lumpur umgehend wieder nach Hause schickte. Doch sie kamen wieder, diesmal mit einem ausgearbeiteten Businessplan, der dann auch Mönning überzeugte - nicht zuletzt mangels seriöser Alternativen.

Im Sommer 2003 erwarb Tanjong für 17,5 Millionen Euro die Halle und strich dafür vom Land Brandenburg rund 13 Millionen Euro Subventionen ein. Anfang Februar 2004 hatte der Investor die Baugenehmigung in der Tasche, noch im selben Jahr kurz vor Weihnachten eröffnete er sein Tropical Islands mit dem größten Indoor-Regenwald der Welt, mit Bade- und Saunalandschaften im Südseeflair, mit Safari-Zelten und Holz-Lodges zum Übernachten, mit Restaurants, Bars und Lounges - geöffnet rund um die Uhr und außer am Weihnachtstag das ganze Jahr über. Und das alles am Rande des Spreewaldes gelegen, nicht mal eine Stunde von Berlin entfernt.

Genörgelt wurde unter den Brandenburgern und Berlinern trotzdem: Die Halle zu zugig, die Besucher zu laut, das Eintrittsgeld zu hoch. Häme machte sich breit über die Südsee am Spreewald. Schlimmer noch, die Besucher blieben weg. In den ersten zehn Jahren machte das Badeparadies hohe Verluste, etwa sechs Millionen Euro pro Jahr. Nur die Malaysier selbst schienen noch an ihre "fixe Idee" mit Südseeflair zu glauben. Sie steckten nicht nur die Verluste weg, sondern investierten weiter in ihre tropische Urlaubswelt - zwischen 2003 und 2015 mehr als 170 Millionen Euro.

Jan Janssen kann sich noch genau an den Augusttag im Jahr 2013 erinnern, als er mit seiner Frau in der Tropenhalle übernachtete. Nach langem Rundgang durch die Halle habe er am Abend zu seiner Frau gesagt: "Das hier ist es nicht", erzählt er. "Am nächsten Morgen aber bin ich dann noch einmal herumgelaufen und habe plötzlich alles gesehen, was man hier drinnen und auch draußen auf dem 640 Hektar großen Stück Land machen könnte. Und alles hatte auch mit mir und meinen bisherigen Jobs zu tun."

Das Berufsleben des jetzt 62-jährigen Niederländers ist fast so bunt wie die Tropenwelt, die er seit November 2013 als Geschäftsführer der Tropical Islands Management GmbH leitet. Bereits mit 14 Jahren verließ er die Schule, lernte Bäcker, wurde Koch und nebenbei auch noch aufmüpfiger Hippie der Flower-Power-Bewegung. Seitdem habe er "Aversionen gegen Autoritäten", sagt er. Nur hielt das den Freigeist später nicht davon ab, eine Hotel-Managementschule zu besuchen. "Die eigentliche Lehre aber habe ich in der Praxis absolviert", sagt er. "Mit 24 habe ich das erste Hotel übernommen - das Kasteel Vaalsbroek vor den Toren Aachens." Hotels in Frankfurt, München, Paris, Brüssel oder in Barcelonas folgten. Später dann hat er für die französische Unternehmensgruppe Pierre & Vacances SA die strategische Entwicklung von Center Parcs übernommen. Das jüngste Projekt dabei war der Freizeitpark in Leutkirch (Allgäu). Für das 360-Millionen-Euro-Ferienlandprojekt, das 2018 fertig sein wird, betreute Janssen das Baugenehmigungsverfahren. Dann die Beratungstätigkeit mit eigener Firma. Dort hat er dann auch den Anruf eines Headhunters erhalten, der ihn von dem Job bei Tropical Islands überzeugte.

"Übernachtungsgäste geben vier mal so viel aus wie Tagesgäste." Also wird weiter investiert

"Nur um den Ist-Zustand zu verwalten, wäre ich nicht dahingegangen", sagt Janssen. "Gereizt hat mich, was man aus Tropical Islands machen kann." 100 Tage hat er sich damals Zeit genommen für seinen Masterplan, mit dessen Hilfe er aus dem aufgeblasenen Freizeitbad in Berlins Umgebung ein exklusives Freizeitressort machen wollte, das sich nicht nur mit den großen Themenparks wie Phantasialand oder Europapark messen kann, sondern aufgrund seiner einmaligen Exotik zur attraktiven Feriendestination für ganz Deutschland und darüber hinaus aufsteigt. "Erst damit", das wusste der erfahrene Manager genau, "war mit der Anlage auch Geld zu verdienen." Davon aber musste er zunächst die Tanjong-Leute und zugleich auch die fast 750 Mitarbeiter der Anlage überzeugen. Denn dieser Qualitätssprung würde noch einmal Geld und viel mehr Engagement der Belegschaft kosten.

Überzeugt hat er beide. Noch einmal flossen 56 Millionen Euro in Renovierung und Aufrüstung der Halle, die dadurch noch bunter wurde. Der "Dom", wie Janssen die Monsterhalle nennt, ist jetzt penibel sauber, die Temperaturen sind konstant, der Durchzug ist längst weg, und es wurden noch mehr Urlauberwünsche erfüllt. "Zu Spitzenzeiten haben wir jetzt bis zu 6000 Gäste", sagt Janssen. Die kommen mehr und mehr auch aus dem Ausland. Und die Gäste planen für ihren Deutschland-Besuch gleich ein paar Tage für Tropical Islands ein, weil sie von hier aus auch Berlin, Potsdam oder Dresden besuchen können. "Das rechnet sich immens", sagt Janssen. "Übernachtungsgäste geben vier mal soviel aus wie Tagesgäste."

Weil dem so ist, hat er weiter aufgerüstet und außerhalb der Halle mehr als 80 sogenannte Mobile Homes aufstellen lassen, Holzhäuser für bis zu sechs Gäste. Überhaupt draußen: Auf Brachflächen neben dem Dom ist 2015 "Amazonia" entstanden, eine 1350 Quadratmeter große Wasserlandschaft, mit Wildwasserkanal und einer fast 30 Meter hohen Wasserrutsche. In diesem Jahr werde man hier auf 1,3 Millionen Besucher kommen, rechnet Janssen hoch. "Und was immens wichtig ist", sagt er, "wir schreiben seit zwei Jahren schwarze Zahlen."

Janssen sieht überhaupt keinen Grund, diesen jetzt positiven Ist-Zustand nur zu verwalten. Warum auch, auf dem weitläufigen Gelände ist noch viel Platz für neue ehrgeizige Pläne, die unter anderem den Bau eines Kongresszentrums mit Hotel vorsehen. Den Masterplan dazu hat er bereits fertig. "Mein Plan liegt jetzt bei Tanjong in Kuala Lumpur vor" sagt Janssen. "Ich hoffe, Ende des Jahres haben wir auch das Baugenehmigungsverfahren durch." Janssen bekennt, dass das noch einmal ein "gehöriges" Investment erfordern werde. Das Ziel aber sei klar, sagt der ehrgeizige "Insulaner": "Wir wollen uns zu einem der führenden Ferienorte in Europa entwickeln."

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