Umfrage unter Bankberatern:Anleitung zur Unanständigkeit

Angst vor dem Chef: Sechs-Augen-Gespräche, laufende Kontrollen und maßlose Vorgaben setzen Bankberater unter Druck. Die Kunden haben das Nachsehen.

Detlef Esslinger

Natürlich ist so eine Studie angreifbar. Man weiß ja nicht, wer letztlich mitgewirkt hat - wie viele zuverlässige Mitarbeiter hier Auskunft gegeben haben, und wie hoch der Anteil der notorisch Überforderten und Motzer ist, die es in jedem Betrieb gibt.

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3800 Bankberater haben der Gewerkschaft Verdi ihren Alltag geschildert.

(Foto: Symbolfoto: ddp)

Andererseits ist schon die bloße Zahl derjenigen bemerkenswert, die sich die Chance nicht entgehen ließen, unter Zusicherung von Anonymität Dampf abzulassen: 3800 Bankberater haben der Gewerkschaft Verdi ihren Alltag geschildert.

Und sie kommen aus allen Häusern, in ganz Deutschland: aus Commerzbank und Deutscher Bank, aus Postbank und SEB, aus Sparkassen und Genossenschaftsbanken, aus Köln und Hannover, Potsdam und Baunatal. Wer das 46-seitige Dokument gelesen hat, dem drängt sich der Eindruck auf, dass es einen schlimmeren Job kaum geben kann, dass jeder Kanalreiniger es besser als ein Bankberater hat.

"Die Erben freuen sich bestimmt"

Einer erzählt, wie er auch alten Kunden einen Bausparvertrag verkaufen soll, mit dem Argument: "Die Erben freuen sich bestimmt." Ein anderer berichtet, wie er einem Kreditnehmer zusätzlich einen Bausparvertrag andreht und die Abschlussgebühr dafür selbstverständlich auf die Kreditsumme aufschlägt. Ein dritter schildert, wie er geschlossene Fonds mit einer Laufzeit von 20 Jahren losbringen soll - wenn ein Kunde fragt, ob er den Fonds bei Bedarf denn verkaufen kann, erzählt er ihm etwas von einem Zweitmarkt; da gehe das "schnell und einfach".

Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat sich vergangene Woche des Problems angenommen - worauf die Banken ein "neues Qualifikationsprofil" für Berater vorschlugen. Wenn man jedoch dem folgt, was die Vertreter dieser Berufsgruppe angeben, ist dies der Gipfel des Zynismus.

Als ob die Berater das Problem wären. Die berichten von den Mechanismen des Drucks: Sechs-Augen-Gespräche (zwei Chefs, ein Mitarbeiter) mit der Frage, hast du heute noch Termine mit interessanten Kunden? Ermahnungen, das müsse mehr werden, jedoch nicht bis zum Monatsende oder im Laufe des Quartals, sondern: "Sehen Sie zu, dass das heute Abend besser ist." Einer schreibt: "Bei uns wird dreimal täglich die Zielerreichung controlled. Die Ziele sind genauso hoch wie vor der Finanzkrise, also auf ehrlichem Beratungswege nicht erreichbar." Wer sie trotzdem schafft, dem werden sie danach erhöht; wer drunter bleibt, muss damit rechnen, dass nach vermeintlichen Verstößen gegen Arbeitsrichtlinien gesucht wird und es also Anlass für eine Abmahnung gibt.

"Ich würde keiner Bank vertrauen"

Wenn Vorstände derzeit Interviews geben, geben sie gern die Geläuterten und sagen, dass man bescheidener werden müsse. In der Praxis jedoch ist nichts bescheiden, sondern sind Ziele so, dass die Kunden ums Geld und die Berater um Gesundheit und Ethos gebracht werden.

"Ich kriege schon samstagabends Bauchschmerzen, wenn ich an das Beratungsgespräch am Montag denke", schreibt einer, und eine Sparkassenbetriebswirtin, 35 Jahre dabei, sagt, heute solle sie Produkte verkaufen, die keiner freiwillig möchte; "täglich ist man Gewissenskonflikten ausgesetzt".

Gibt es einen Ausweg? Einer, der bei der Commerzbank arbeitet, hat den Glauben an alle Einsichtsfähigkeit verloren. Er schreibt: "Nur durch knallhartes Controlling seitens der Regierung lässt sich das Management hiervon abbringen." Und wem darf man noch vertrauen? Die Antwort, aus dem Herzen der Branche, sozusagen: "Ich würde keiner Bank vertrauen. Keiner!!!!!!"

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