Überraschende Nachricht:Haspa entschädigt Lehman-Geschädigte

Die Hamburger Sparkasse erstattet 1000 Käufern von Lehman-Zertifikaten einen Teil ihres Schadens. Der Rest der Kunden geht jedoch leer aus.

H. Wilhelm

Die Hamburger Sparkasse (Haspa) entschädigt freiwillig 1000 Kunden, die bei dem Institut Zertifikate der insolventen US-Investmentbank Lehman Brothers gekauft haben. Anlegerschützer werten das als ungewöhnlichen Schritt - zumal viele andere Banken bisher nicht auf Geschädigte zugegangen sind oder darüber schweigen.

Überraschende Nachricht: Die Hamburger Sparkasse entschädigt 1000 Lehman-Anleger - der Rest muss klagen.

Die Hamburger Sparkasse entschädigt 1000 Lehman-Anleger - der Rest muss klagen.

(Foto: Foto: dpa)

Grundsätzlich gibt es bei Zertifikaten einer Bank kein Anrecht auf Entschädigung im Fall einer Insolvenz. Das unterscheidet die Papiere von Guthaben auf Sparkonten. Diese bekommen Anleger meist bei einer Pleite von einem Entschädigungsfonds erstattet. Doch Zertifikate sind Schuldverschreibungen und für sie gibt es das sogenannte Emittentenrisiko, also das Risiko eines Totalverlustes, wenn die Bank zahlungsunfähig ist. Und Lehman ist zahlungsunfähig. Tatsache ist aber laut Verbraucherschützern: Die meisten der etwa 40.000 deutschen Anleger wussten wohl nichts von dem Risiko und ebenso wenig davon, was sie da genau gekauft haben. "Die meisten wollten einfach ein Investment ohne jegliches Risiko", sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg.

Bei der Haspa sind nach Angaben der Sparkasse 3700 Lehman-Anleger betroffen. Sie haben insgesamt 54 Millionen Euro in die nun fast wertlosen Papiere gesteckt. Am Mittwoch kam die überraschende Nachricht, mitten auf der Jahrespressekonferenz der Sparkasse: 1000 Anleger bekommen ihr Geld ganz oder zumindest teilweise zurück. Dazu habe man sich "nach intensiven Gesprächen mit den betroffenen Kunden" entschlossen. 9,5 Millionen Euro nimmt das Institut dafür in die Hand - also 17,5 Prozent dessen, was die 3700 Betroffenen insgesamt investiert hatten. Die Höhe der Entschädigung liege zwischen zehn und 100 Prozent der Anlagesumme.

Ärger und Verwunderung

In 750 Fällen sei man aus Kulanz den Kunden entgegengekommen. "Es handelt sich um Menschen in kritischen Lebenssituationen - gesundheitlich oder finanziell gesehen", sagte eine Haspa-Sprecherin. Bei den restlichen 250 Kunden hätten möglicherweise Beratungsfehler vorgelegen. "Wir sind uns unsicher, ob in diesen Fällen ausreichend auf das Emittentenrisiko hingewiesen wurde", sagte Haspa-Vorstand Reinhard Klein.

Wenn Verbraucherschützerin Castelló das hört, reagiert sie verärgert: "Viele Geschädigte aus Hamburg haben sich an uns gewendet - darunter zahlreiche Haspa-Kunden - und kein Einziger von ihnen ist ausreichend über das Emittentenrisiko aufgeklärt worden", sagt sie. "Wenn die Haspa das als Grund für eine verfehlte Beratung ansieht, dann hätte sie alle Anleger entschädigen müssen." Außerdem ärgert die Verbraucherschützerin das Vorgehen der Bank, sowohl in der Frage, ob ein Anleger entschädigt werde, als auch wie viel Prozent seines Geldes er zurückbekomme: "Das ist eine Entschädigung nach Gutsherrenart."

Bei allem Ärger herrscht aber vor allem aber auch Verwunderung über den Schritt der Haspa. In der Regel sprechen Banken nicht über solche freiwilligen Entschädigungen. Sie wollen Einigungen nicht als Schuldeingeständnis verstanden wissen und wollen sich nicht angreifbar machen für mögliche Klagen anderer Anleger. Deshalb lautet das Abkommen meistens: Der Kunde bekommt ein Teil seines Geldes zurück, und dafür schweigt er. So läuft es gerade - das berichten Branchenkenner - zum Beispiel bei vielen Volks- und Raiffeisenbanken, die ihren Kunden Lehman-Zertifikate verkauft hatten.

Für die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) ist der Schritt der Haspa an die Öffentlichkeit ungewöhnlich: "Wir dachten, dass die Banken zunächst abwarten, bis es die ersten Urteile gibt", sagte ein Sprecher. Bisher gebe es keine klare Rechtsprechung, man könne noch nicht absehen, ob Gerichte im Fall Lehman eher anleger- oder bankenfreundlich urteilen werden. "Wir hoffen, dass andere Banken nun dem Beispiel der Haspa folgen und auf die Kunden zugehen."

80 Prozent - ein faires Angebot

Auch Verbaucherschützerin Castelló sagt: "Bevor wir alle nur die Haspa kritisieren, muss man sehen: Dresdner Bank, Postbank und Citibank, die auch viele Lehman-Zertifikate verkauft haben, entschädigen bisher überhaupt nicht." Sie gibt jedoch zu bedenken: "Wer sich auf so eine freiwillige Entschädigung einlässt, hat später keine Möglichkeit mehr zu klagen." Deshalb sollte jeder Betroffene über so ein Angebot gut nachdenken. 80 Prozent Entschädigung könnten ein faires Angebot sein. "Es kommt immer auf die persönliche Situation des Anlegers an." So seien die Lehman-Papiere oft an ältere Menschen verkauft worden, zum Teil an über 90-Jährige. Castelló: "Da kann ich schon verstehen, wenn jemand keine Lust auf einen langjährigen Prozess hat und ein Angebot annimmt."

Die Frage ist nun, wie die 2700 Haspa-Kunden reagieren werden, bei denen sich das Institut gegen eine Entschädigung aus Kulanz entschieden hat. Einige werden sicher vor Gericht ziehen, erwarten Beobachter. Sechs Klagen liegen laut Angaben der Bank bereits vor.

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