Tipps für Verbraucher:Die großen Kosmetiklügen

Leere Versprechen, zweifelhafte Studien und Scheininnovationen: Die Kosmetikindustrie versucht mit allerlei Tricks, ihre Produkte zu verkaufen. Die Tricks der Hersteller im Überblick.

Von Thomas Roß

Dutzende Fläschchen, Tiegel und Tuben reihen sich in Drogeriemärkten dicht in meterlangen Regalen - ein unüberschaubares Angebot. Um in der Masse aufzufallen, wenden viele Hersteller Tricks an. In Kooperation mit dem NDR zeigen wir, wie die Kosmetikindustrie versucht, ihre Produkte zu verkaufen.

Der Expertentrick

Simpel, aber häufig wirkungsvoll: Kosmetikhersteller werben mit Ärzten, Wissenschaftlern und anderen Experten. Doch deren Empfehlungen entpuppen sich meist als leere Versprechen.

Dr. Best ist putzmunter - auch nach seinem Tod

Der wohl bekannteste Arzt aus der Werbung ist Dr. Best: Der Professor für Dentalmedizin erklärt Millionen TV-Zuschauern zum Beispiel die Vorzüge von Zahnbürsten mit Schwingkopf ("Die klügere Zahnbürste gibt nach"). Dass der "echte" Dr. Best bereits 2002 verstarb, spielt für den Zahnbürstenhersteller Glaxo Smith Kline offenbar keine Rolle. Für die Werbung schlüpfen heute Schauspieler in den Kittel von Dr. Best und loben die Vorzüge schräger, abgerundeter Borsten. Die Masche ist immer die gleiche: Die Hersteller machen sich das hohe Ansehen bestimmter Berufsgruppen zunutze, um mehr Produkte zu verkaufen. Denn noch immer gelten Ärzte bei vielen als "Halbgötter in Weiß", denen man blind vertrauen kann.

Werbung "durch das Berufsrecht untersagt"

Auch Wissenschaftler genießen einen ausgezeichneten Ruf - ideal für die Werbung. Ein Beispiel aus dem Jahr 2011: Ein Hochschulprofessor aus Kiel bewirbt ein Nivea Anti-Schuppen-Shampoo mit den Worten: "Der Erfolg der Nivea Anti-Schuppen-Shampoos beruht auf dem leistungsstarken 'Liquid Clear System'. Es bekämpft nicht nur die häufigste Ursache von Schuppen (...) hoch effektiv, sondern pflegt Haar und Kopfhaut darüber hinaus intensiv." Statt wissenschaftlich ist der Text werblich - und das aus dem Munde eines Mediziners. Die Bundesärztekammer schreibt dazu: "Das ist dem Arzt durch das Berufsrecht untersagt." Der Hersteller der Nivea-Produkte, die Beiersdorf AG, hat die Anzeige seinerzeit zurückgezogen.

Nicht alle Experten sind glaubwürdig

Shampoo und Zahnpasta kommen häufig mit dem Aufdruck "empfohlen von Experten" in den Handel. Auf Hautcreme-Verpackungen steht oft der Hinweis "von Dermatologen empfohlen". Dabei verschweigen die meisten Hersteller, welche Experten das sein sollen und wie viele befragt wurden. Die Hersteller können nach freiem Ermessen festlegen, wer ein Experte ist und was als Empfehlung durchgeht. Mit wissenschaftlichem Anspruch hat das nichts zu tun. Theoretisch kann so jeder ein Experte sein und eine Empfehlung abgeben.

Expertenempfehlung - Kosmetiklügen NDR

"Empfohlen von Experten" ist ein häufig genutzter Hinweis auf Kosmetikprodukten - nur wer ist eigentlich Experte?

So tricksen Shampoo-Hersteller

Das Geschäft mit den Haaren ist lukrativ. In keinem anderen Kosmetikbereich wird so viel Umsatz gemacht wie mit Haarpflege-Produkten: 2013 mehr als drei Milliarden Euro, schätzt der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel. Die Auswahl ist groß, die Werbung verspricht so einiges: Mal soll das Shampoo für Volumen und Fülle sorgen, mal steht es für "Repair & Care". Für fast jedes Haarproblem gibt es inzwischen spezielle Produkte. Wie groß sind die Unterschiede?

Klebstoff auf der Haaroberfläche

Ein Trend: Hair-Repair-Shampoos. Sie versprechen unter anderem eine tiefenwirksame Reparatur der Haare. Am Institut für Materialforschung in Aachen lassen internationale Kosmetikkonzerne ihre Shampoos vor der Markteinführung testen. Der renommierte Haarforscher Dr. Crisan Popescu erklärt das Prinzip von Hair-Repair-Produkten: "Das ist vergleichbar mit einer bröckeligen Wand, die Sie verputzen wollen, um wieder eine glatte Fläche zu erhalten. Ähnlich funktionieren Hair-Repair-Shampoos. Das ist eine Art Reparieren durch Verkleben." Der Effekt hält allerdings nur bis zur nächsten Haarwäsche. Verwendet man dann kein Hair-Repair-Shampoo, wird der "Klebstoff" von der Haaroberfläche wieder ausgespült - das Problem fängt von vorne an.

Unterschiedliche Werbung, fast gleicher Inhalt

In den Regalen der Supermärkte und Drogerien steht eine riesige Auswahl an Shampoos. Auf den ersten Blick unterscheiden sich alle. Auf den zweiten nicht unbedingt. Das gilt sogar für Produkte desselben Herstellers: Während ein Shampoo Volumen und Fülle verspricht, wirbt das andere für Haar-Reparatur und Pflege. Die Inhaltsstoffe aber sind identisch. Der einzige Unterschied: In der Liste der Inhaltsstoffe haben zwei Substanzen die Plätze getauscht. Doch solche minimalen Änderungen reichen wohl kaum für sichtbare Effekte, kritisiert Haarforscher Dr. Crisan Popescu.

Shampoo - Kosmetiklügen NDR

Zwei unterschiedliche Shampoos - doch sind die Inhaltsstoffe tatsächlich andere?

Hersteller halten Studien unter Verschluss

Kein signifikanter Unterschied und doch zwei grundverschiedene Werbeversprechen? Wie kann das sein? Der Hersteller Procter & Gamble erklärt auf Nachfrage: "Die Deklaration der Inhaltsstoffe in absteigender Reihenfolge ist nur eine grobe quantitative Darstellung, die keinen Rückschluss auf die genaue Rezeptur zulässt." Die Details der Inhaltsstoffe will man nicht verraten, einzelne Produktstudien nicht aushändigen. Auch andere Hersteller wollen auf Nachfrage ihre Einzelstudien zu Shampoos nicht herausgeben.

"Das Produkt Shampoo ist ausgereizt"

Den Handelsexperten Thomas Roeb von der FH Bonn-Rhein-Sieg wundert nicht, dass die Hersteller sich ungern in die Karten gucken lassen: "Das Problem ist, dass Shampoo als Produkt ausgereizt ist. Trotzdem muss man neue Innovationen auf den Markt bringen, weil die Kunden es erwarten. Und da greift man als Hersteller auch gerne zu Scheininnovationen."

Studien wissenschaftlich oft nicht haltbar

Dr. Annemarie Burkhard von der EU-Arbeitsgruppe Claims & Studies nennt zwei Beispiele dafür, dass Studien zur Wirkung von Kosmetikprodukten oft problematisch sind:

  • Zu wenige Versuchspersonen: Eine Studie mit vier Probanden sei keine tragfähige Basis für eine weltweite Werbekampagne.
  • Realitätsferner Versuchsaufbau: Es sei nicht ausreichend, die Volumengebung eines Shampoos in einer Klimakammer ohne Luftfeuchtigkeit zu testen statt unter Alltagsbedingungen.

EU will Verbraucher schützen

Seit Juli 2013 ist in der Europäischen Union eine neue Kosmetikverordnung in Kraft. Damit will die EU Verbraucher vor nicht einlösbaren Produktversprechen schützen. Aber erst 2016 soll mit unzureichenden Studien endgültig Schluss sein. Bis dahin erfüllen die Shampoos zumindest einen Zweck auf jeden Fall: Sie reinigen die Haare.

Das Cellulite-Märchen

Dellen auf der Haut, vor allem am Oberschenkel, sind der Alptraum vieler Frauen. Experten schätzen, dass 80 bis 90 Prozent der Frauen von Cellulite betroffen sind. Die Kosmetikindustrie bringt immer wieder neue vermeintliche Wunderwaffen gegen Orangenhaut auf den Markt. Sie sollen innerhalb weniger Tage oder Wochen die Haut straffen. Doch Experten stehen den Versprechen skeptisch gegenüber.

Werbung mit fragwürdigen Studien

Gels und Cremes, Öle und Massageroller, elektronische Cellulite-Pflaster: Der Einfallsreichtum der Hersteller scheint ungebremst. Sie locken mit vollmundigen Versprechen wie "Reduziert die Sichtbarkeit des Cellulite-Effekts in 7 Tagen". Doch schon der Blick ins Kleingedruckte zeigt: Das ist oft nur die halbe Wahrheit. Mal tritt der Wirkstoff nur im Reagenzglas auf, mal wurden lediglich ein paar Frauen zur Wirkung befragt. Die Studien, die den Aussagen zugrunde liegen sollen, halten die meisten Hersteller unter Verschluss.

Dermatologin: Wirkung nicht nachgewiesen

Wohl aus gutem Grund. Denn bei den allermeisten Cellulite-Präparaten ist es schwierig, überhaupt einen Effekt nachzuweisen, sagt Dermatologin Dr. Ute Siemann-Harms. "Die wenigsten Produkte sind an Probanden getestet", kritisiert sie. Und selbst wenn die Hersteller sich die Mühe machen, eine Studie durchzuführen, ist Vorsicht angebracht: Meist sei die Zahl der Probanden zu niedrig, um eine wissenschaftlich fundierte Aussage treffen zu können.

Typisch Frau: Es liegt am Bindegewebe

Die für viele Frauen bittere Wahrheit ist: Gegen Cellulite ist kein Kraut gewachsen. Das liegt daran, dass die Ursache nur schwer zu beheben ist. Bei Frauen sind Ober- und Lederhaut dünner als beim Mann. Die darunter liegenden Zellen der Fettschicht sind dicker und mit senkrecht angelegten Bindegewebshäuten durchzogen. Legt eine Frau an Gewicht zu, wachsen die Fettzellen unter der Haut überproportional und wölben sich nach außen. Gefördert wird Cellulite durch angeborene Bindegewebsschwäche, Schwangerschaften, Übergewicht und hormonelle Umstellungen.

Was Experten gegen Cellulite empfehlen

Experten empfehlen Sport und eine ausgewogene, fettarme Ernährung, um die Entwicklung der Orangenhaut zumindest etwas zu verzögern. Denn wo kaum Fett ist, sind meist auch keine Dellen.

Gift in Kosmetik

Es gibt strenge Auflagen und Kontrollen, die verhindern sollen, dass kritische Substanzen in Kosmetikartikeln enthalten sind. Doch manchmal schauen Kontrolleure offenbar nicht gut genug hin: Drei Wimperntuschen, die NDR-Reporter im Frühjahr 2013 stichprobenartig in Drogerien und Parfümerien gekauft haben, enthielten giftige Nitrosamine.

Krebserregende Nitrosamine in drei Proben

In allen untersuchten Wimperntuschen verwenden die Hersteller den Stoff Triethanolamin, der das Gift Nitrosamin bilden kann. Nitrosamin ist in größeren Mengen stark krebserregend. Deswegen wird nur eine winzige Menge davon in Kosmetik toleriert. Bei drei von 13 Proben wurden krebserregende Nitrosamine nachgewiesen. Betroffen sind folgende Wimperntuschen:

  • NYX, Dolleye Mascara, gekauft bei Douglas, 156 Mikrogramm pro Kilogramm
  • Bourjois, Volume glamour Max Definition gekauft bei dm, 60 Mikrogramm pro Kilogramm
  • Chanel, Inimitable Intense, Mascara Multidimensionel sophitiqué, 44 Mikrogramm pro Kilogramm.

Nach Einschätzung des Bundesamtes für Risikobewertung (BfR) müssen bei allen drei Wimperntuschen bereits die Rohstoffe zu stark kontaminiert gewesen sein. Die Produkte dürften laut BfR deshalb nicht mehr verkauft werden.

Verbraucher sollten Nitrosamine meiden

Die Hersteller der Wimperntuschen reagierten unterschiedlich auf die Ergebnisse der Laboruntersuchungen. NYX kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. Bourjois hat auf die Anfrage nicht reagiert. Chanel teilte mit, in solchen Mengen habe der Stoff keine Auswirkungen auf die Gesundheit.

Zwar ist die jeweilige Menge der Giftstoffe in den Wimperntuschen für sich genommen nicht gesundheitsschädlich. Verbraucher sind aber im Alltag einer Reihe von Nitrosamin-Quellen ausgesetzt, zum Beispiel einigen Lebensmitteln, Kosmetikartikeln und Produkten aus Gummi. Deshalb raten Ärzte dazu, die Aufnahme von Nitrosaminen möglichst zu vermeiden. Wer dem Rat folgen möchte, sollte sich die Inhaltsstoffe genau durchlesen und Wimperntuschen mit Triethanolamin vorsichtshalber liegen lassen.

Gleiche Drogerie-Kette - unterschiedliche Preise

Ein Produkt, ein Preis - das gilt offenbar nicht in allen Filialen der Drogeriemarkt-Ketten Budnikowsky und Rossmann.

Preisunterschiede bei der gleichen Kette

In einer Stichprobe im Herbst 2013 kostete ein gezielt ausgewählter Warenkorb in einer Hamburger Budni-Filiale 30,80 Euro. In einer rund 500 Meter entfernten Filiale waren es 38,46 Euro. Differenz: mehr als sieben Euro. In der teureren Filiale zahlten Kunden etwa 25 Prozent mehr.

Der Warenkorb im Budni-Filialen in Hamburg: Haarcoloration, Haarshampoo, Haarschaum, Deo, Flüssigwaschmittel, Geschirrspültabs, Geschirrspülmittel, Lippenpflege, Zahnpasta, Rasiergel.

Drogeriemarktpreise NDR-Kooperation

Gleicher Einkauf in zwei Budni-Filialen - aber stark schwankender Preis.

(Foto: NDR)

Bei Rossmann-Filialen im Großraum Hannover gab es sogar einen Preisunterschied von etwas mehr als 25 Prozent. Die günstigere Filiale verlangte 27,90 Euro. In der teureren Zweigstelle kostete der identische Warenkorb 35,12 Euro.

Der Warenkorb bei Rossmann-Filialen in Hannover: Taschentücher, Haarshampoo, Duschgel, Flüssigwaschmittel, Spülmittel, Zahnpasta, Rasierschaum, Sonnenmilch, Deo.

Drogeriemarktpreise NDR-Kooperation

Der gleiche Einkauf in zwei Rossmann-Filialen - mit einem Preisunterschied von mehr als 25 Prozent.

(Foto: NDR)

Verbraucher bemerken Preisunterschiede oft nicht

Zufall? Wohl kaum. Die Masche mit den Preisunterschieden hat offenbar System, denn die meisten Verbraucher schauen beim Einkauf von Alltagsprodukten nicht so genau auf den Preis. Wer kann sich schon daran erinnern, was die Zahnpasta, das Deo oder das Waschmittel beim letzten Mal gekostet haben? Noch unwahrscheinlicher ist es, dass Preisunterschiede zwischen Filialen auffallen. Die meisten Kunden gehen regelmäßig zu "ihrem" Budni oder Rossmann um die Ecke. Und zahlen womöglich Woche für Woche mehr als in der Filiale ein paar Straßen weiter.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Auf Anfrage versuchen Budnikowsky und Rossmann gar nicht erst, ihre Strategie der Preisdifferenzierung abzustreiten. Rossmann gibt zu: "Den "Rossmann-Preis" (...) gibt es nicht mehr - vielmehr variieren die Preise von Filiale zu Filiale." Und Budni liefert gleich eine Erklärung mit: "Derzeit versuchen internationale Handelskonzerne (...) den Marktanteil (...) auszuweiten. Deshalb reagieren wir mit unterschiedlichen Preisen." Im Klartext heißt das wohl: Konkurrenz belebt das Geschäft.

Umsatz steigt

In ausgewählten Gebieten versuchen die Handelsunternehmen mit Niedrigpreisen, Kunden zu gewinnen und dadurch den Umsatz und den Marktanteil zu erhöhen. Rossmann steigerte den Umsatz in Deutschland zwischen 2008 und 2012 nach eigenen Angaben von 2,9 Milliarden Euro auf 4,45 Milliarden Euro. Damit ist Rossmann die Nummer 2 mit großem Abstand hinter der Drogerie-Kette DM. Der Umsatz von Budnikowsky stieg zwischen den Geschäftsjahren 2007/2008 und 2011/12 von 287 auf 360 Millionen Euro.

Preise vergleichen!

Größter Preisunterschied in der Stichprobe: Bei Rossmann kostete ein Shampoo in einer Filiale 4,95 Euro, in einer anderen Filiale 7,99 Euro. Aufpreis: etwa 60 Prozent. Oder anders gesagt: Pro Shampoo-Flasche drei Euro mehr. Ganz schön happig. Für Verbraucher kann es sich also lohnen, die Preise in mehreren Zweigstellen einer Drogerie-Kette zu vergleichen.

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