Tipps für Kunden:Wann die Kündigung einer Lebensversicherung lohnt

Wer aus seiner Lebensversicherung aussteigt, hat nur noch kurze Zeit Anspruch auf bestimmte Auszahlungen. Um wie viel Geld geht es? Und welche Vorteile fallen weg? Die wichtigsten Tipps.

Von Friederike Krieger

Die Bundesregierung plant eine Änderung der Situation von ausscheidenden Kunden der Lebensversicherer. Folge: Verbraucherschützer und die Gesellschaften selbst werden derzeit mit Telefonanrufen, Briefen und Mails verunsicherter Kunden überschwemmt. Viele fragen sich, ob sie ihre Lebensversicherung noch vor der angekündigten Gesetzesänderung kündigen oder weiterführen sollen. Die Entscheidung fällt nicht leicht - zumal viele Versicherer auch nicht alle benötigten Informationen auf einen Schlag herausrücken.

Die Zeit drängt

Das Datum der Gesetzesänderung ist nicht bekannt. Die große Koalition berät noch. Wahrscheinlich wird es dann aber sehr plötzlich kommen: Das Finanzministerium plant, den Tag der Verabschiedung im Kabinett als Stichtag zu wählen. Nur Verträge, die bis dahin abgelaufen oder gekündigt sind, fallen noch unter die alte Regelung. In Berlin geht man eher von Wochen als von Monaten aus. Kunden, die noch kündigen wollen, müssen sich deshalb beeilen.

Tausende Euro auf dem Spiel

Es kann um tausende Euro gehen. Seit 2008 erhalten Versicherte, die wegen Kündigung oder Ablauf der Versicherung ausscheiden, die Hälfte der auf sie entfallenden Bewertungsreserven. 2012 waren das 2,5 Milliarden Euro, 2013 schon 2,8 Milliarden Euro. Für den einzelnen kann es sich um wenige hundert Euro oder um mehr als 10 000 Euro handeln, je nach Höhe und Laufzeit der Police. Betroffen sind nur Versicherte mit klassischen Lebens- oder Rentenversicherungen, nicht mit fondsgebundenen Verträgen.

Die Bewertungsreserven sind Buchgewinne. Sie entstehen, wenn der Marktpreis von Wertpapieren über dem Buchwert (meist der Anschaffungspreis) liegt. Ob die Versicherer das Geld in Aktien, Immobilien oder Anleihen angelegt haben, Bewertungsreserven können überall entstehen. Die Zinsen sorgen für das aktuelle Problem der Versicherer: Sie haben Anleihen im Wert von hunderten Milliarden Euro in den Büchern, die noch die alten, höheren Zinssätze ausweisen und deshalb in den Zeiten der Niedrigzinsen enorm an Wert gewonnen haben.

Die Versicherer drängen seit Jahren darauf, die Bewertungsreserven so nicht mehr an Ausscheidende auszuzahlen. Ihr Argument: Sie müssten für die Auszahlung gut verzinste Papiere verkaufen, was verbleibende Kunden benachteilige. Der gewichtigere Grund: Wenn die Milliarden im System bleiben, stabilisieren sie die Gesellschaften, von denen viele wegen der Niedrigzinsen und neuer Anforderungen der Aufsicht erheblich unter Druck stehen. Und die Große Koalition hilft den Versicherern: Kunden, deren Vertrag nach der Neuregelung ausläuft oder die danach kündigen, müssen sich mit einem kleineren Stück vom Kuchen begnügen.

Kündigen oder nicht?

Ob es sich lohnt, vor der Neuregelung die Reißleine zu ziehen und die Police zu stornieren, ist für den Laien sehr schwer zu beurteilen. "Zu uns kommen täglich viele verunsicherte Verbraucher, die nicht wissen, was sie machen sollen", sagt Rita Reichard von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Es ist keine pauschale Aussage darüber möglich, ob sich eine frühzeitige Kündigung lohnt.

Tendenziell kann das bei Verträgen sinnvoll sein, die in den nächsten zwei Jahren auslaufen. "In diesen Fällen ist eine individuelle Überprüfung besonders ratsam", sagt Reichard. Dazu benötigen die Kunden aber verschiedene Daten vom Versicherer. Die Verbraucherzentrale hat einen Musterbrief aufgesetzt, mit dem die Kunden den Rückkaufswert mit gesondertem Ausweis der Bewertungsreserven und die Ablaufleistung bei regulärem Vertragsende erfragen können.

Versicherer taktieren

Ob sie diese Eckdaten auch von ihrem Anbieter erhalten, ist aber nicht gesagt. "Es ist nicht so leicht, an die nötigen Informationen zu kommen", sagt Martin Oetzmann vom Bund der Versicherten. Versicherer tun sich schwer, solche Vertragsdetails kundzutun - auch auf explizite Nachfrage des Kunden. Damit war Marktführer Allianz unangenehm aufgefallen. Der Versicherer habe sich in einigen Fällen geweigert, unverbindlich den Stand des Rückkaufswerts mitzuteilen, berichtete die Wirtschaftswoche.

Steuervorteile können wegfallen

In anderen Fällen habe der Anbieter bei den Zwischenabrechnungen eine viel geringere Summe mitgeteilt, als nach erfolgter Kündigung letztendlich ausgezahlt wurde. Die Allianz zeige absichtlich einen zu geringen Rückkaufswert aus, um Kunden mit Anspruch auf hohe Bewertungsreserven von einer Kündigung abzuhalten, so die Vermutung betroffener Kunden.

Nur die nackten Zahlen

Die Allianz weist die Vorwürfe zurück. "Es stimmt nicht, dass wir keine Auskunft über den Rückkaufswert geben", sagt ein Sprecher. Wenn ein Versicherter sich erkundige, was ihm bei einer Kündigung zusteht, werde der Rückkaufswert inklusive der Beteiligung an den Bewertungsreserven mitgeteilt. Allerdings gibt die Allianz hier nur den sogenannten Sockelbetrag an. Das ist der Teil an den Bewertungsreserven, der dem Kunden im laufenden Jahr mindestens zusteht.

Die tatsächliche Beteiligung an den Reserven kann wesentlich höher liegen. "Da die Bewertungsreserven ständig schwanken, ist die genaue Beteiligung des Kunden an den Reserven erst vier bis fünf Wochen vor Ende des Vertrags abschätzbar", sagt der Sprecher. Darauf weise die Allianz ihre Kunden aber hin. Die Debeka verfährt ähnlich. "Wenn Kunden jetzt anfragen, teilen wir ihnen die Sockelbeteiligung an den Bewertungsreserven mit und weisen sie darauf hin, dass wir über die konkrete Höhe erst zwei Wochen vor der geplanten Vertragsbeendigung Auskunft geben können", sagt ein Sprecher.

Generell scheint zu gelten: Der Versicherer teilt dem Kunden nur die nackten Zahlen mit. Man könne keine Ratschläge geben, ob eine Kündigung richtig sei, heißt es bei der Debeka. Zum einen schwankten die Bewertungsreserven von Monat zu Monat, so dass ein aktuell richtiger Rat nach vier Wochen schon wieder falsch sein könne. Zudem sei noch nicht klar, wann die Gesetzesänderung komme und wie sie konkret aussehen werde.

Versicherungsschutz fällt weg

Die Debeka gibt ihren Kunden zu bedenken, dass sie bei einer Kündigung keinen Versicherungsschutz mehr haben, also einen mit der Police eventuell verknüpften Todesfall-, Unfall- oder Berufsunfähigkeitsschutz verlieren. Das sieht wenig überraschend auch Konkurrent Zurich so: "Grundsätzlich kann von übereilten Kündigungen nur abgeraten werden, da die Kunden den Versicherungsschutz verlieren und möglicherweise nicht mit den alten Konditionen neu abschließen können", erklärt eine Sprecherin.

Auf die Steuer achten

Auch auf Schlussüberschüsse, die Versicherer nur an Kunden ausschütten, die bis zum Ende durchhalten, müssen vorzeitig Kündigende verzichten. Allerdings zahlen viele Versicherer an Kunden mit Altverträgen und entsprechend hohen Zinsgarantien von vier Prozent oder 3,5 Prozent ohnehin keine Schlussüberschüsse mehr aus. Zu bedenken ist aber die steuerliche Situation: Bei vorzeitiger Kündigung können Steuervorteile wegfallen, die sich auf die Erträge der Lebensversicherung beziehen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gibt seinen Mitgliedern keine Empfehlungen, wie sie auf Anfragen zum Thema Bewertungsreserven reagieren sollen. Die Versicherer steckten in einem Dilemma, erklärt eine Verbands-Sprecherin. Bemühten sich die Gesellschaften um möglichst genaue Angaben zur Beteiligung an den Bewertungsreserven, seien sie im Zweifelsfall morgen schon wieder überholt. Sage die Gesellschaft dagegen nichts oder bleibe vage, müsse sie sich vorhalten lassen, zu mauern.

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