Teuerste Stadt:Eine Wohnung für 15.000 Dollar im Monat

Ölfunde haben Luanda in Angola zur teuersten Metropole der Welt gemacht. Die Bürger können sich die eigene Stadt nicht mehr leisten.

Von Judith Raupp

Von wegen Tokio, New York oder London: Der teuerste Flecken Erde ist Luanda, die Hauptstadt Angolas. Stephan Huesgen wollte das zuerst nicht glauben, als ihn das Goethe-Institut im Sommer in das ehemalige Bürgerkriegsland im Südwesten Afrikas schickte. Der studierte Theologe und Germanist hatte gehört, dass zwei Drittel der Angolaner in bitterer Armut leben. Wie konnte Luanda da die teuerste Stadt der Welt sein?

Teuerste Stadt: In Luanda leisten sich vor allem die großen Ölfirmen teure Bauten - allen voran der Staatskonzern Sonangol.

In Luanda leisten sich vor allem die großen Ölfirmen teure Bauten - allen voran der Staatskonzern Sonangol.

(Foto: Foto: Judith Raupp)

Heute ist Huesgen eines Besseren belehrt. "Die Mietpreise sind pervers", sagt er. Bis vor kurzem lebte er in New York und bezahlte dort 4500 Dollar im Monat für ein Apartment in guter Lage. Das fand er schon stark übertrieben. "In Luanda muss ich für eine vergleichbare Wohnung 15.000 Dollar im Monat hinlegen", erzählt er und schüttelt den Kopf.

Kürzlich hätte Huesgen beinahe ein "günstiges" Haus gefunden, in dem er hätte wohnen und das Goethe-Institut einrichten können. 35.000 Dollar Miete hätte es im Monat gekostet. Im letzten Moment aber bot ein anderer Interessent mehr. "Einfach mal 50.000 Dollar über den Tisch zu schieben, halten die hier für ein angemessenes Trinkgeld", schimpft der 51-Jährige.

6000 Dollar - pro Quadratmeter

Vor allem die Ausländer und einige wenige angolanische Bonzen treiben die Preise in Luanda in die Höhe. Angola ist inzwischen der größte Erdölproduzent Afrikas. Seit der Bürgerkrieg 2002 zu Ende gegangen ist, strömen die Mitarbeiter der internationalen Konzerne nach Luanda. Sie wetteifern um die wenigen Wohnungen und Häuser, die westlichem Standard entsprechen.

Und weil die reichen Ölmultis nicht so aufs Geld schauen müssen, bezahlen sie nahezu jeden Preis. Wer etwa eine Wohnung in einem der neuen Hochhäuser kaufen will, zahlt mitunter bis zu 6000 Dollar pro Quadratmeter. Mit ein bisschen Glück befindet sich dann ein eigener Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach.

Eine Wohnung für 15.000 Dollar im Monat

Dass Luanda die teuerste Stadt der Welt ist, hat das britische Beratungsunternehmen ECA International herausgefunden. Es hat die Preise von 125 Konsumentenartikeln und Dienstleistungen in 250 Städten verglichen. Nirgendwo waren Kleider, Lebensmittel, Hotelzimmer, Mieten oder Elektrogeräte im Durchschnitt teurer als in der angolanischen Hauptstadt.

ECA International betrachtet das vor allem aus der Perspektive der westlichen Firmen, die ihre Mitarbeiter ins Ausland entsenden. Die so genannten Expats regen sich inzwischen heftig über die Preise in Luanda auf, zumal ihnen die Stadt nicht die Lebensqualität bietet, die sie von anderen Metropolen gewöhnt sind. Restaurants, die Europäer als ganz nett einstufen würden, gibt es fast nur auf der Halbinsel, der "Ilha". Dort aber muss man mit der Gesellschaft jener Expats und reichen Angolaner rechnen, die Gelage veranstalten und mit Hundert-Dollar-Noten um sich schmeißen.

Entlang Luandas Hauptstrand "Marginal" fallen dagegen nur der Stau der Geländewagen, ein paar Bankgebäude und Reisebüros auf. Als Fußgänger muss man in der Stadt immer wieder über kleine Schmutzwasserbäche springen, weil die Kanalisation leckt, oder um herabhängende Stromkabel laufen, ohne einen Schlag zu bekommen.

Zu siebt auf 20 Quadratmetern

Wirklich modern sind nur die Spiegelglas-Hochhäuser, in denen die Ölmultis und Investmentfonds residieren, sowie einige Einkaufszentren am Stadtrand. Im grauen Luanda wirken sie wie von einem anderen Stern. Der Ärger der Ausländer über das teure Leben in der anstrengenden Stadt mit ihren sechs Millionen Einwohnern hat kürzlich Tourismusminister Pedro Mutinde aufgeschreckt. Er habe, so heißt es, die Manager der großen Hotels zusammengestaucht, dass Zimmerpreise von 350 Dollar pro Nacht für einen Ort wie Luanda etwas übertrieben seien.

Solche Fürsprecher hat Maria nicht. Sie wohnt mit ihrem Mann und fünf Kindern in einem Raum von knapp zwanzig Quadratmetern. Die Eltern schlafen in einem engen Bett, die Kinder neben Kühlschrank und Fernseher auf dem Steinboden, die ganz Kleinen unter dem Tisch. Tagsüber sind alle auf der Straße. Zum Bewegen ist es im Zimmer zu eng. "Kleider, Schuhe, Essen - jedes Mal, wenn ich aufwache, ist alles wieder teurer geworden", klagt die 35 Jahre alte Mutter. Ein Sack mit 50 Kilogramm Mais hat vor kurzem noch 1500 Kwanza, also etwa 15 Euro, gekostet. Mittlerweile muss sie 5000 Kwanza dafür ausgeben. Ihre Familie isst oft nur eine Mahlzeit pro Tag. Fleisch oder Fisch kommt kaum noch auf den Tisch.

Eine Wohnung für 15.000 Dollar im Monat

Die Eltern sind arbeitslos. Es war Krieg, als sie in die Schule hätten gehen sollen. Gute Jobs haben in Luanda vor allem Fachkräfte aus dem Ausland. "Die Regierung lässt uns im Stich. Sie sieht zu, wie die Preise klettern, baut schicke Hochhäuser für Fremde, und wir haben nichts", schimpft Maria, die eigentlich anders heißt, aber ihren richtigen Namen nicht nennt - "aus Angst vor Spitzeln", wie sie sagt.

Auch all die anderen Frauen wollen anonym bleiben. Sie haben gehört, dass eine ausländische Journalistin in der Stadt ist. Daher sind sie an einem Sonntag in den Hinterhof am Stadtrand gekommen, um von ihren Sorgen zu erzählen.

"Da muss doch Geld sein ..."

Wasser zum Beispiel, sei ein großes Problem, klagt eine 43-Jährige, die viel älter aussieht. Sie muss es in großen Kanistern am Straßenrand kaufen. 200 Liter pro Woche muss sie für die achtköpfige Familie nach Hause schleppen. "Meine Füße tragen bald nicht mehr", erzählt sie. Schon oft hat sie Briefe an die Stadt geschrieben und gefragt, ob in ihrem Viertel bald Leitungen verlegt werden. Luanda müsse doch reich sein, da müsse doch irgendwo Geld sein, mit dem man die Leitungen bezahlen könnte, glaubt sie. Eine Antwort von den Beamten hat sie nie bekommen.

Eine junge Frau sagt: "Ich mag die neuen Einkaufszentren." Immer wenn sie frustriert ist, weil sie sich nichts leisten kann, zieht es sie zu den vornehmen Läden. Dort schaut sie perlenbesetzte Kleider für 20.000 Kwanza an, oder schwarzgefärbtes Klopapier für 1700 Kwanza. Sie träumt dann davon, dass sie irgendwann auch Geld ausgeben kann in der teuersten Stadt der Welt. Einfach nur zum Spaß.

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