Telekom-Aktie:Ein Fehler, der Millionen kosten kann

TELEKOM-LEUCHTSCHRIFT

Fehler im Verkaufsprospekt der T-Aktie: Telekom-Installation auf dem Messegelände in Hannover im Jahr 2001

(Foto: DPA/DPAWEB)
  • Der Bundesgerichtshof erklärt einen Verkaufsprospekt für die Telekom-Aktie aus dem Jahr 2000 für fehlerhaft.
  • Geklagt hatten Anleger, die mit der T-Aktie heftige Verluste erlitten hatten.
  • Der Streit dreht sich um die Frage, ob die Telekom die Anleger ausreichend über die Risiken aufgeklärt hatte.

Von Varinia Bernau, Hannah Wilhelm und Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Im Ringen um Schadensersatz haben die Anleger, die mit der T-Aktie herbe Verluste gemacht haben, vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einen unerwarteten Erfolg erzielt: In einem Musterverfahren, hinter dem 17 000 Kläger stehen, erklärte der BGH den Verkaufsprospekt für die im Jahr 2000 in einer dritten Tranche ausgegebenen Aktien der Deutschen Telekom für fehlerhaft. Damit ist zwar noch nicht entschieden, dass die Betroffenen wirklich Geld zurück bekommen. Allerdings ist ein Prospektfehler die Voraussetzung für Schadensersatz - und damit der entscheidende Schritt zu einem Anspruch, über den nun das Oberlandesgericht Frankfurt entscheiden muss.

Die T-Aktie ist nicht irgendeine Aktie. Sie ist ein Symbol. Sie hat den Deutschen erst Appetit auf Aktien gemacht - und ihnen dann für lange Zeit die Lust wieder ausgetrieben. 1996 ging der einstige Staatskonzern an die Börse. 28,50 D-Mark kostete das Papier damals. Der allseits beliebte Tatort-Kommissar Manfred Krug besang die Aktie, Telekom-Chef Ron Sommer lächelte und die Deutschen waren begeistert. Im März 2000 erreichte die Aktie ihren höchsten Stand: 103,50 Euro, siebenmal mehr als bei der Ausgabe der ersten Papiere. In der New-Economy-Euphorie war die Notierung nach oben geschossen, im selben Maß wuchs die Begeisterung der Bundesbürger für die Börse. Viele kauften zum ersten Mal in ihrem Leben Aktien - und vermutlich auch zum letzten Mal. Doch dann platzte die Blase.

Hat die Telekom im Prospekt vor dem gewarnt, was folgen sollte?

Die dritte Tranche von Aktien, um die es nun vor dem BGH ging, wurde im Juni 2000 nur noch zu einem Preis von 66,50 Euro ausgegeben. Danach ging es weiter abwärts: Im Juni 2012 war der Preis auf seinen tiefsten Stand von 7,70 Euro gefallen, derzeit liegt er knapp unter 13 Euro.

Die Anleger fühlten sich betrogen, ihre neue Liebe wurde enttäuscht. Für immer enttäuscht: Heute besitzen nur noch halb so viele Deutsche Aktien wie im Jahr 2000.

Und sie klagten. 17 000 Enttäuschte zogen gegen die Telekom vor Gericht. Extra dafür wurde 2005 vom Gesetzgeber eine eigene Klageform geschaffen: Das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, kurz KapMuG genannt. Es sollte das Vorgehen für den Fall regeln, dass viele Anleger wegen des gleichen Sachverhalts gegen ein Unternehmen klagen. Seitdem sind einige solche Verfahren geführt worden. So klagten Daimler-Anleger wegen der Frage, ob der Rücktritt von Jürgen Schrempp zu spät veröffentlicht wurde. Sie bekamen oft Recht, doch Geld haben auch sie bisher nicht gesehen. Denn all diese Verfahren dauern. Ewig. Trotzdem findet Bernd Jochem von der Kanzlei Rotter Rechtsanwälte, die 120 Telekom-Anleger vertritt: "Das KapMuG ist das beste Mittel, das wir in Deutschland bekommen können." Anlegerfreundlichere und verhältnismäßig unbürokratische Sammelklagen, wie es sie in den USA oder in Kanada gibt, seien im deutschen Rechtssystem undenkbar, sagt Jochem.

Wurden die Anleger ausreichend über die Risiken aufgeklärt?

Der Streit um den Schadensersatz für die T-Aktie dreht sich um die Frage, ob die Telekom die Anleger im Prospekt zum dritten Börsengang ausreichend über die Risiken aufgeklärt - und damit auf das vorbereitet hat, was folgen sollte: der Absturz der Aktie. Der Fehler, den das Karlsruher Gericht auf die vom BGH-Anwalt Volkert Vorwerk vertretene Klage hin beanstandet hat, bezieht sich auf den Wert der Anteile, die die Telekom damals an dem US-Konkurrenten Sprint hielt. Im Prospekt war zu lesen, die Telekom habe durch den konzerninternen "Verkauf" ihrer Anteile einen Buchgewinn von 8,2 Milliarden Euro gemacht. In Wahrheit hatte die Telekom die Anteile aber nicht "verkauft", sondern den Verkauf lediglich anvisiert und die Anteile dazu an ihre hundertprozentige Tochter NAB übertragen. Für den Anleger folgte daraus ein ungleich höheres Risiko - weil ein Absturz der Sprintaktien auf die Telekombilanz durchschlagen würde. Darauf hätte die Telekom im Prospekt hinweisen müssen, entschied der BGH.

Die Telekom war bereits 1996 bei Sprint eingestiegen. Den noch im umstrittenen Prospekt angegebenen Wert dieser Beteiligungen musste Telekom-Chef Ron Sommer bereits wenige Monate nach dem dritten Börsengang nach unten korrigieren. 2001 verkaufte der Konzern seine Sprint-Anteile für 3,5 Milliarden Euro. So manch ein Anleger hatte sich da aber bereits auf das Wagnis T-Aktie eingelassen.

Nun ist die Telekom am Zug

Zwar hat der BGH weitere Rügen der Kläger nicht akzeptiert. Vor allem bei der Bewertung der Telekomimmobilien, über die aus Anlegersicht unzureichend aufgeklärt worden war, konnte der BGH keinen Fehler erkennen. Allerdings genügt grundsätzlich schon ein wesentlicher Prospektfehler für einen Schadensersatzanspruch. Die Chancen der Anleger im neuen Prozess vor dem Frankfurter OLG stehen damit gar nicht so schlecht.

Um die Ansprüche abzuwehren, müsste die Telekom beweisen, dass sie für die Falschangabe im Prospekt keine grobe, sondern nur "einfache" Fahrlässigkeit trifft - was, wenn man die klaren Worte des BGH in der jetzigen Entscheidung liest, schwierig sein dürfte. Oder sie müsste in jedem Einzelfall nachweisen, dass die Anleger die Aktien nicht auf der Grundlage des Prospekts gezeichnet haben. Dass der Prospekt für den Kauf einer Aktie durchaus wichtig war, wird aber nach Angaben von Rechtsanwalt Vorwerk in diesen Fällen unterstellt - bis zum Beweis des Gegenteils. Auch hier wird es der Telekom also nicht leicht fallen, Ansprüche abzuwehren. Deren Gesamthöhe könnte sich nach Vorwerks Schätzung inklusive Zinsen auf 170 Millionen Euro belaufen.

Bei der Telekom zeigte man sich zwar enttäuscht von der Entscheidung des BGH. Doch diese, so hieß es in einer ersten Stellungnahme, lasse ausdrücklich offen, ob aus dem festgestellten Fehler auch eine Schadensersatzpflicht folge. Man sei zuversichtlich, dass das OLG Frankfurt, die den Fall nun neu aufrollen wird, zu dem Schluss kommen wird, dass die Telekom keinen Schadensersatz zahlen muss.

Die klagenden 17 000 Telekom-Anleger werden also keinesfalls schon morgen Schadensersatz von der Telekom erhalten. Mitnichten. Es ist ein Etappensieg auf einer langen Strecke. Erst wenn das OLG Frankfurt eine Entscheidung fällt, gehen die 17 000 Verfahren in die Einzelverhandlungen und werden irgendwann entschieden - vielleicht. Denn auch der nächste OLG-Beschluss kann wieder vor dem BGH angefochten werden. "Ich glaube nicht, dass die einzelnen Anleger vor dem Jahr 2016 Entscheidungen haben werden", sagt der Anwalt Bernd Jochem, der die Aktionäre vertritt. "Mit dem jetzigen Beschluss ist nicht entschieden, ob da jemals irgendein Cent fließen wird." Immerhin, die Aussichten auf Schadensersatz sind mit der BGH-Entscheidung besser geworden.

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