SZ-Serie: Schatzsucher:Der Traum vom Gold

Lesezeit: 3 min

Er hat einen Goldrausch ausgelöst: In Australien glaubte Harold Lasseter den größten Edelmetallfund der Welt gemacht zu haben - mit tragischen Folgen.

Johannes Boie

Es ist verdammt heiß da draußen. Eine Menge Abenteurer schlagen sich durch die Wildnis, aber nicht alle kommen zurück. Und die, die zurückkommen, denen ist die Hitze da draußen nicht immer gut bekommen. Ist eben verdammt heiß im Outback. In Australien, jenem Kontinent, der zu 60 Prozent nichts ist als glühender, roter Stein, Wüste, Leere, Verdammnis.

Im Rausch und in der Hitze sucht Harold Lasseter nach Gold im australischen Outback. (Foto: Foto: Reuters)

Für Lewis Hubert Lasseter allerdings ist das australische Hinterland mehr als Landschaft, Hitze und Ödnis. Für Lasseter ist das Outback ein Versprechen. Ein glänzendes, großes Versprechen, die Vorahnung unermesslichen Reichtums und Erfolgs, das Wissen um eine gigantische Goldmine. Kann aber auch sein, dass ihm da draußen nur die Hitze zu Kopf stieg.

"Ein Goldsucher, der vor kurzem auf der Suche starb, schwor vor seinem Tod, dass er 1893 ein zehn Fuß tiefes Riff gefunden hatte - Bodenproben, die er daraus entnahm enthielten drei Unzen Gold pro Tonne", schreibt die New York Times am 25. Mai 1931. Kaum tot, wird Lasseter schon zur Legende.

Lasseter arbeitet als Brückeningenieur

Denn - und das muss man ihm lassen - Lasseter hat viele Menschen mitgerissen in seinen Traum vom großen Glück, vom größten Goldrausch der Welt. Es war ein Gefühl geteilten Glücks, das dort draußen in der Ödnis auf alle warten würde. Das war Lasseters Versprechen an alle, die ihm begegneten, nachdem er sich in seiner Jugend im Outback verirrt hatte und mit einer großen Legende im Gepäck schließlich wieder die Zivilisation erreichte.

Lasseters Wahn vom großen Goldrausch hätte bereits seine Zeitgenossen misstrauisch machen müssen. Weder konnte er die genaue Lage des Schatzes angeben, noch hatte er die genaue Stelle markiert, an der er ihn gefunden haben wollte. Aber Lasseter wirkte vollkommen normal und vertrauenswürdig: Er arbeitet als Brückeningenieur an der Sydney Harbour Bridge mit, die sich schnell zu einem der Wahrzeichen der Stadt entwickelte. Lasseter ist zum zweiten Mal verheiratet, hat die USA bereist und in der Royal Navy gedient. Ein Spinner mit absurden Phantasien sieht anders aus. Seine Zeitgenossen wurden aber auch deshalb nicht misstrauisch, weil die Zeit, in der der junge Mann aus der Wildnis zurückkehrt, eine Periode ist, in der sich die Menschen über jede Art von Hoffnung freuen.

Finanziers geben ein Flugzeug

In New York sind die Börsen eingebrochen. In Europa verkaufen Kunstprofessoren selbstgemalte Postkarten auf der Straße. Hunger, Armut und Elend brechen über die Welt herein. Der wirtschaftliche Zusammenbruch reißt die Welt in einen Abgrund.

Die Welt leidet - nur Harold Lasseter bekommt ein Flugzeug. Seine Finanziers geben ihm, Lasseter, ein Flugzeug. Und das ist 1930 mehr als ein Transportmittel, eine gerade mal 30 Jahre alte, teure Erfindung. Für Lasseter, der 1930 fünfzig Jahre alt wird, ist das Flugzeug ein Zeichen, dass man an seinen künftigen Erfolg glaubt. Sein Lebenstraum wird in Erfüllung geben.

Am 21. Juli 1930 verlässt eine Expedition unter der Führung von Lasseter Alice Springs, die legendäre Stadt mitten in Australien, das Tor zum unerschlossenen Hinterland. Ebenfalls zum Leiter der Gruppe ernannt ist der Schatzsucher Fred Blakely. Doch Lasseter kann die Stelle, an der das Gold liegen soll, nicht finden. Die Teilnehmer der Expedition beginnen zu murren, die Stimmung sinkt. Schließlich kommt es zum offenen Bruch zwischen Blakely und Lasseter. Und plötzlich steht Harold Lasseter alleine in der Wüste. Jetzt ist er der Einzige, der noch an das große Goldvorkommen glaubt, an die drei Unzen Glück pro Tonne Erde.

Die Suche nach Gold wird zum Virus

Einer wie Lasseter gibt nicht auf. Dabei ist er längst krank und geschwächt. Der Körper macht noch mit, aber die Suche nach dem Gold hat sich in der australischen Sonne zu einem Virus entwickelt, der seine Gedanken verzerrt und seine Sinne ausschaltet. Harold Lasseter stirbt an diesem Virus. Alleine, draußen in der Hitze. Sein Tod ist die Geburt einer Legende.

Die Medien in aller Welt berichten über ihn. Jeder neue unbegründete Goldrausch wird mit der mahnenden Geschichte von Harold Lasseter bedacht. Dann fegt der Zweite Weltkrieg über die Erde hinweg - und ein neues Zeitalter bricht an. Die Suche nach Gold wird langsam aber sicher zu einem Geschäft großer Konzerne, die mit anderen Mitteln arbeiten als die Glücksritter der Jahrhundertwende.

Noch im Todesjahr erscheint ein Roman

So wird Lasseters altes Versprechen vom großen Reichtum, das er zuletzt in Alice Springs zum Besten gab, über die Mahnung, die es den Goldsuchern wurde, zur Geschichte für die Nachwelt. Heute ist es weniger das Gold, das die Menschen an Leben und Tod des Goldsuchers fasziniert. Mehr und mehr sind sie von Lasseter, von dem man nicht viel mehr weiß, als dass er Gold suchte und Pech fand, begeistert.

Noch im Jahr seines Todes erschien der Roman "Lasseter's Last Ride". Das Buch wurde bis 1935 genau 17 Mal nachgedruckt. Vierzig Jahre später erschien das Buch "Dream Millions". Lasseter habe sich mit dem Expeditionsgeld heimlich in die USA abgesetzt, heißt es darin. Doch der Name des Autors verrät die Intention, den fanatischen Goldsucher lange nach seinem Tod als schamlosen Betrüger zu denunzieren. Der Autor von "Dream Millions" ist Fred Blakely, eben jener Goldsucher, der sich mit Lasseter in der Wüste zerstritten hatte. Wenigstens mit dem Buch verdiente er Geld.

© SZ vom 14.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: