Studie zu hohe Dispozinsen:Konto überzogen, na und?

Das Misstrauen vieler Kunden ist gerechtfertigt, wie wissenschaftliche Studien jetzt belegen: Banken und Sparkassen kassieren zu hohe Dispozinsen. In Berlin wird über gesetzliche Maßnahmen gestritten, doch Druck ausüben können nur die Verbraucher selbst.

Malte Conradi

254 Seiten, um ein Gefühl zu belegen. Die Autoren einer Studie im Auftrag von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) beweisen, was Millionen Bankkunden schon lange ahnten: Die Dispozinsen bei deutschen Banken und Sparkassen sind nicht nur hoch, sie sind zu hoch.

Zwischen elf und zwölf Prozent Zinsen im Jahr zahlt im Durchschnitt, wer sein Konto überzieht. Hebt der Kunde über den eingeräumten Dispokredit hinaus Geld ab, berechnen die Institute sogar noch höhere Überziehungszinsen.

Auffällig dabei ist, dass die Dispozinsen in den vergangenen Jahren kaum gefallen sind. Und das, obwohl es für die Banken seit Ausbruch der Finanzkrise immer billiger wurde, sich zu refinanzieren. Die Banken und Sparkassen leihen sich also zu historisch niedrigen Kosten Geld und reichen es an die Kunden weiter - versehen mit einem kräftigen Zinsaufschlag. Die Einnahmen aus dem Dispogeschäft übersteigen die Kosten der Banken deutlich.

Die Gewinne aus diesem denkbar simplen Geschäftsmodell seien so hoch, heißt es in der Untersuchung, dass sie "zur Quersubventionierung anderer Leistungen oder zur Gewinnsteigerung verwendet werden".

Die Begründung der Banken für die fast gleichbleibend hohen Zinsen halten die Autoren der Studie für wenig stichhaltig: Weder seien die Verwaltungskosten in den vergangenen Jahren merklich gestiegen, noch würden Bankkunden die Rückzahlung des Dispokredits häufig schuldig bleiben: Die Ausfallwahrscheinlichkeit liegt mit nur 0,3 Prozent deutlich unter den 2,5 Prozent bei den günstiger verzinsten Ratenkrediten.

Kaum hatte Aigner die Studie am Donnerstag in Berlin vorgestellt, wurden Forderungen laut, die Höhe der Dispozinsen gesetzlich zu regeln. Die Gewinnmaximierung zu Lasten von Verbrauchern müsse ein Ende haben, sagte etwa Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. "Das gelingt nur mit einer gesetzlichen Deckelung des Zinssatzes."

Carsten Sieling, Finanzexperte der SPD, sagte unterdessen, ein Korridor von fünf bis acht Prozent erscheine ihm angemessen. "Zinsen über zehn Prozent sind nicht weiter tragbar." Im Bundesrat will das grün-rot regierte Baden-Württemberg eine Initiative für eine Obergrenze starten.

Aigner gegen gesetzliche Obergrenze

Die Verbraucherministerin jedoch will von all dem nichts wissen. Eine gesetzliche Obergrenze für Dispozinsen, befürchtet sie, könne letztlich zu insgesamt steigenden Kosten führen. Denn auch solche Banken, die derzeit günstige Konditionen anbieten, könnten sich dann an der erlaubten Obergrenze orientieren.

Stattdessen will Aigner, dass die Banken freiwillig Maßnahmen ergreifen. Für den Herbst kündigte die Ministerin ein Spitzengespräch an. "Wollen die Banken den Kredit bei ihren Kunden nicht verspielen, müssen sie runter von überhöhten Dispozinsen", sagte sie.

Transparenz und Wettbewerb um die besten Konditionen sollen die Sache also regeln. Doch genau das hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Eine ebenfalls von Aigner in Auftrag gegebene Umfrage zeigt, dass zwar 80 Prozent der Deutschen die Dispozinsen für zu hoch halten. Nur 13 Prozent der Befragten aber sehen in deutlich niedrigeren Zinsen einen Grund, die Bank zu wechseln. Und auch um die Vergleichsmöglichkeiten scheint es jedenfalls nicht allzu schlecht bestellt zu sein: Immerhin 60 Prozent fühlen sich über die Zinssätze gut informiert.

Verbraucherschützer fordern die Bankkunden seit Jahren dazu auf, den Wettbewerb unter den Instituten um die besten Konditionen in Gang zu bringen. Doch dazu wäre es nötig, gezielt zu einer Bank mit niedrigen Dispozinsen zu wechseln - und das tun offenbar erst wenige.

Dabei geht es um viel Geld: Jeder Deutsche steht derzeit im Durchschnitt mit 500 Euro im Minus, das ergibt es Gesamtvolumen von mehr als 40 Milliarden Euro. Für die Banken ergeben sich daraus jedes Jahr Einnahmen in Milliardenhöhe.

Doch auch ohne einen aufwendigen Bankwechsel können Kontoinhaber Geld sparen. So wissen nur wenige, dass viele Banken über die Höhe der Zinsen durchaus verhandlungsbereit sind.

Und dann gibt es noch die Möglichkeit, den Dispokredit gar nicht erst in Anspruch zu nehmen. Verbraucherschützer raten davon ab, das Konto dauerhaft zu überziehen. Bei größeren Ausgaben sei ein Raten- oder Abrufkredit immer die günstigere Variante. Bankkunden sollten mit ihren Instituten einen geringen Dispo-Rahmen von etwa 500 Euro für unvorhergesehene Ausgaben vereinbaren. So lässt sich verhindern, dass das bequeme aber teure Kontoüberziehen zur Gewohnheit wird.

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