Studie zu Arzneikosten:Teuer ohne Grund

Kosten-Alarm bei Arzneimitteln: Eine Studie kritisiert die hohen Ausgaben für Medikamente in Deutschland - und Ministerin Schmidt prangert die Hersteller an.

Guido Bohsem, Berlin

Das deutsche Gesundheitssystem wird durch überhöhte Arzneimittelpreise erheblich belastet. Obwohl Deutschland den größten Markt in Europa habe, müssten die Beitragszahler hier mehr für ihre Medikamente zahlen als in den Nachbarländern, sagte der Pharmaexperte Ulrich Schwabe bei der Vorstellung des "Arzneiverordnungsreports 2009" am Donnerstag in Berlin.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) rief die Hersteller zu mehr Verantwortungsbewusstsein auf. "Es muss Schluss sein mit der teilweise verantwortungslosen Preispolitik mancher Hersteller, die zu Lasten der Beitragszahler geht", sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

Ausgaben massiv gestiegen

Trotz aller Sparanstrengungen der Politik sind laut Schwabe die Ausgaben für Arzneimittel 2008 um 5,3 Prozent auf 29,2 Milliarden Euro gestiegen. Damit habe sich der Anteil der Arzneimittel an den Leistungsausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auf 18,2 Prozent erhöht. 2007 habe er noch bei 18,1 Prozent gelegen. Die anderen Ausgabenbereiche der GKV - Krankenhäuser, ärztliche und zahnärztliche Behandlungen - seinen weniger stark gestiegen, im Schnitt um 4,7 Prozent. "Inzwischen werden fünf Milliarden Euro mehr für Arzneimittel als für ärztliche Behandlung ausgegeben", sagte Schwabe.

Internationale Preisvergleiche zeigen für Deutschland noch beträchtliche Sparmöglichkeiten von mehreren Milliarden Euro, sagte Schwabe. Dies macht rechnerisch über 0,3 Beitragssatz-Punkte aus. Derzeit zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer insgesamt 14,9 Prozent ihres Bruttoeinkommens für die gesetzliche Krankenversicherung.

Die steigenden Kosten seien zum größten Teil mit der Einführung neuer, hochwirksamer Medikamente zu erklären, die etwa im Kampf gegen den Krebs oder zur Behandlung von HIV-Infizierten eingesetzt würden. "Trotzdem sind neue Arzneimittel in Deutschland weiterhin erheblich teuerer als in anderen Ländern", sagte Schwabe. Die lasse sich sehr gut am der kürzlich eingeführten Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs nachweisen. In Deutschland kosteten die Mittel für eine Grundimmunisierung 477 Euro. In den USA seien sie ohne erkennbaren Grund für nur 247 Euro zu haben. Selbst in der teuren Schweiz zahlten die Kassen ohne erkennbaren Grund 163 Euro weniger.

Positive Generika

Viele teure Präparate könnten zudem ohne weiteres durch ähnliche, aber günstige Medikamente ersetzt werden, sagte Schwabe. Allein damit ließen sich 1,7 Milliarden Euro sparen. Beispielhaft sei hier der Fall des Mittels Inegy, das zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzt werde. Mit etwa 204 Euro sei es 13 Mal teurer als das Standardpräparat. In Studien habe Inegy aber keinerlei Zusatznutzen gezeigt. Derzeit werde geprüft, ob das Mittel weiterhin auf Kosten der Kassen verschrieben werden dürfe.

Positiv sei allerdings die Wirkung bei Nachahmerprodukten. Bei diesen sogenannten Generika griffen die gesetzlichen Maßnahmen zur Kostensenkung. Allerdings würden sie von hohen Kosten belastet, die beispielsweise durch verhältnismäßig hohe Honorare für Apotheker verursacht würden. Insgesamt seien die Einsparmöglichkeiten bei Generika noch höher. Würden in Deutschland englische Preise bezahlt, lägen die Kosten rund 3,4 Milliarden Euro niedriger.

"Wir brauchen faire Preise", sagte Schmidt. Sie rief die Akteure im System zu mehr Sparehrgeiz auf. Um die Kosten der Medikamente zu senken, müssten alle Mittel genutzt werden. Dazu gehöre, die Kosten-Nutzung-Bewertung konsequent umzusetzen. "Ich will, dass die Patientinnen und Patienten genau die Arzneimittel bekommen, die nachweislich den besten Nutzen für sie haben - und das zum bestmöglichen Preis", sagte die Gesundheitsministerin.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: