Studie eines Kriminologen:Einmal Mord? Macht 250 Euro

John Cusack in "Ein Mann - Ein Mord"

John Cusack spielt einen Auftragskiller in ein "Ein Mann - Ein Mord". Ein Kriminologe hat jetzt Interessantes über die Branche herausgefunden.

(Foto: DPA)

Wissenschaftler erforschen das wahre Leben von Auftragskillern - und stellen fest: Getötet wird vor allem in Vororten, wo normale Bürger leben. Und die Täter bekommen meist wenig Geld.

Von Alexander Hagelüken

Die Frau mit den roten Haaren lächelt häufig, als sie den Mord an ihrem Mann in Auftrag gibt. Keine Sauerei im Haus, bittet die 21-Jährige den Killer. Und schnell soll es gehen, sie möchte 300 000 Dollar von der Versicherung kassieren. Die Videoaufnahmen von der lächelnden Gattenbeseitigerin, die mit ihrem Auftrag an einen US-Polizisten geriet, erregten vor einer Weile die Menschheit. Aber womöglich befolgte die Ehefrau einfach eine Erkenntnis des Forschers David Wilson: Auftragskiller sind überall.

Der Hitman, wie er englisch kurz heißt, hat längst die Vorstellungswelt des modernen Menschen erobert. Ständig mordet er in Filmen, ist als Computerspiel erwerbbar - und vor zwei Jahren kam der Kinostreifen "The Iceman" über Richard Kuklinski, der für die Mafia 100 Menschen um die Ecke brachte. Vielleicht waren es auch 200, so genau weiß das Kuklinski nicht mehr, der seine 100 oder 200 Opfer einfror, um Spuren zu verwischen.

Ist das das wahre Leben eines Auftragskillers? Tötet er gewöhnlich sogar noch mehr Menschen, so wie ein Brasilianer, der fast 500 Opfer fand, bevor er in Rente ging? Die Realität des Mordens ist anders, argumentiert nun der Forscher David Wilson. Meist tötet ein Auftragskiller nur eine Person, und viele agieren dilettantisch. Zusammen mit Kollegen untersuchte der Brite alle Fälle der vergangenen vier Dekaden in seinem Land - ein Sujet, vor dem Forscher meist zurückschrecken. Für um so überraschender hält der Kriminologe einige seiner Ergebnisse, die er nun veröffentlichte.

Das Geld

Erstaunlich ist schon mal, für wie wenig Geld Menschen bereit sind, jemanden umzubringen, der ihnen nichts getan hat. Die 36 Täter in der Studie kassierten im Durchschnitt nur 20 000 Euro. Der höchste Betrag waren 125 000. Santre Sanchez Gayle wurden nur 2500 Euro für den Hit versprochen, er bekam sogar nur 250. Dafür war der 15-jährige Gayle, der jüngste aller Täter, bereit, jemanden umzubringen.

Wilson zitiert einen anderen Forscher mit den Worten: "Die meisten Auftragsmorde werden für viel weniger ausgeführt als den Wert eines Lebens. Und für viel weniger, als man aufgrund der Mühen und Risiken für den Killer erwarten würde." Die einzige Auftragskillerin in der Studie erschoss für nur 8500 Euro einen Dachdecker im Krankenhaus. Sie stellte sich später selber.

Die Gründe

Die Motive der Auftraggeber nennen die Forscher "deprimierend banal". Da will jemand die Lebensversicherung seines Partners oder Ex-Partners kassieren. Oder sein Vermögen erben. Ehrenmorde sind auch ein Grund. Es gibt also weit mehr Fälle aus dem Alltag, als die Kinorealität der genau kalkulierten Mafiamorde nahelegt. Aber natürlich sind Rivalitäten unter kriminellen Organisationen auch ein Grund. Wobei es dabei meist ums Geschäft geht. Etwa zu verhindern, dass ein anderer Boss sein Territorium ausdehnt.

Und das ist der häufigste Grund für Auftragsmorde: zerstrittene oder gescheiterte Geschäftsbeziehungen. Wie beim Gegner des 55-jährigen Immobilienmaklers und Millionärs, dem nach einem Abend in der Stadt mit seiner Freundin ein gedungener Killer vom Motorrad zwei Schüsse verpasste. Bevor er flüchtete, schoss der Mörder dem Makler nochmal in den Hinterkopf, um sicher zu gehen.

Die Schauplätze

Als Kinogeher denkt man, Auftragsmorde geschehen in rauchigen Zimmern, Bars oder Casinos. Das entlarven die britischen Forscher als Mythos. Getötet wird meist in Vororten, wo die Masse der Menschen wohnt. Und zwar, während die Opfer mit ihrem Hund Gassi gehen, Einkäufe erledigen oder in der Kneipe ein Fußballspiel anschauen.

Meist wohnen die Killer in der Nähe. Und das ist ein wichtiger Grund, warum sie gefasst werden: Sie geraten ins Visier der Fahnder. Ach ja, in Großbritannien lebt man als potenzielles Opfer am einem Dienstag am gefährlichsten.

Die Täter

Die Forscher teilen ihre Täter zwischen 15 und 63 Jahren in vier Kategorien ein. Dilettanten sind Leute wie der junge Anwaltsgehilfe aus Jamaika, der in das Haus seines Opfers einbrach, nach dem Gespräch mit ihr aber nicht mehr ernst machen konnte. Oder wie die beiden jungen Männer, deren eine Pistole beim Hit in der Kneipe klemmte, so dass Kneipenbesucher sie in die Finger bekamen und die beiden erschossen. Dilettanten benutzen auch öfter Messer oder versuchen ihre Opfer totzuschlagen oder zu erwürgen.

Gruppe 2, die Anfänger: Gelegenheitsarbeiter, Arbeitslose oder Kleinkriminelle, die zum ersten (und meist letzten) Mal einen Auftragsmord ausführen. Sie töten ihre Opfer per Pistole und vermeiden, obwohl Anfänger, einige typische Fehler. Gefasst werden sie, weil sie doch Spuren am Tatort hinterlassen - oder in der Nähe des Opfers wohnen. Den 15-jährigen Killer Gayle schnappte man nur, weil er vor Freunden mit der Tat angab.

Gruppe 3, die Gesellen, sind hartgesottene Typen wie John Childs, der binnen fünf Jahren sechs Menschen umbrachte. Childs verwendete zunächst Rohr und Axt, später Messer, Schwert und Pistolen. Seine Opfer sind bis heute verschwunden. Meist lassen solche Täter am Ende doch einen Plastikhandschuh liegen und werden gefasst. Anders als die vierte Gruppe der Meister: Sie reisen für ihre Taten an und töten beispielsweise einen Gangboss per Teleskop mit einem Schuss direkt vor seinem Haus. Und das lag nur 500 Meter von einer Polizeistation entfernt. Weil sie Meister sind, tauchen sie in der Studie namentlich nicht auf. Womöglich morden sie gerade weiter.

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