Studenten und Pendler:Ummelden oder zahlen

Berlin verlangt schon seit Jahren eine Zweitwohnungssteuer - und will den Satz nun sogar verdreifachen. Denn für jeden Einwohner mit Erstwohnsitz gibt es Geld.

Von Peter Blechschmidt

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Studenten an der TU Berlin: Wer in der Bundeshauptstadt lebt und gleichzeitig an einem anderen Ort mit Hauptwohnsitz gemeldet ist, muss Zweitwohnungsteuer zahlen.

(Foto: Rolf Zöllner/imago)

Ist jemand, der einen zweiten Wohnsitz hat, nun wegen seines vermeintlichen Wohlstands zu beneiden? Und ist es da nicht richtig, wenn der Staat so jemanden noch ein bisschen extra zur Kasse bittet? Oder muss man ihn eher bedauern, weil er wegen ständiger Pendelei an keinem Ort richtig zu Hause ist und viel Zeit in Auto, Bahn oder Flugzeug vergeudet? Schließlich müssen immer mehr Berufstätige zwischen Wohnort und Arbeitsplatz pendeln, wie eine gerade veröffentlichte Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung belegt. Beide Überlegungen kommen ins Spiel, wenn es um die Zweitwohnungsteuer geht. Die Antwort lautet wie meist in solchen Fällen: Es kommt darauf an.

Aktuell ist es der rot-rot-grüne Senat von Berlin, der die Aufmerksamkeit wieder einmal auf dieses Thema lenkt. Soeben hat die Regierung der Bundeshauptstadt beschlossen, zum 1. Januar 2019 die Zweitwohnungsteuer von 5 auf 15 Prozent der Jahreskaltmiete zu verdreifachen. Dabei gehe es, so versichert Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), keineswegs in erster Linie darum, die Einnahmen von derzeit 3,5 Millionen Euro jährlich zu erhöhen. Vielmehr sollten die betroffenen Wohnungsbesitzer oder Mieter - in Berlin 17 000 an der Zahl - veranlasst werden, sich in der Hauptstadt mit ihrem Hauptwohnsitz anzumelden. Das nämlich brächte dem listigen Kassenwart deutlich mehr Geld ein - über den sogenannten kommunalen Finanzausgleich.

Pro Person fließen einer Stadt zwischen 2500 und 5000 Euro zu

Über den Finanzausgleich wird der Anteil der Städte und Gemeinden an der Einkommensteuer - derzeit 15 Prozent - an die Kommunen verteilt. Und Berechnungsgrundlage ist die Zahl der mit erstem Wohnsitz angemeldeten Bürger. Je nach gesamtwirtschaftlicher Entwicklung fließen einer Stadt zwischen 2500 und 5000 Euro pro Person zu.

So oder so geht es also ums Geld, auch wenn die Verfechter dieser Steuer oft andere Beweggründe vorschieben. Meistens argumentieren die Gemeinden damit, dass die Besitzer oder Nutzer von Zweitwohnungen schließlich auch die Kultureinrichtungen der Stadt oder den öffentlichen Nahverkehr in Anspruch nähmen und sich dementsprechend an der Finanzierung beteiligen sollten. Ein häufig vorgebrachtes Argument lautet - gerade in Berlin -, dass der schrumpfende Markt an Mietwohnungen gegen den Missbrauch angeblicher Zweitwohnungen als Ferienapartments geschützt werden müsse. "Viele Gemeinden entdecken das Thema jetzt nach und nach", konstatiert Sibylle Barent, Rechtsreferentin beim Eigentümer-Zentralverband Haus und Grund. Die Tendenz sei eindeutig steigend.

Die Zweitwohnungsteuer ist ausschließlich eine Angelegenheit der Kommunen. Sie ist relativ jung; erst 1972 wurde sie erfunden. Mittlerweile wird sie nach den Erkenntnissen von Haus und Grund in 517 Städten erhoben, wobei Bayern mit mehr als 100 Kommunen Spitzenreiter ist. Spülte die Steuer laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2010 noch insgesamt 94,2 Millionen Euro in die Kassen der Kommunen, so waren es 2015 schon 126,1 Millionen. Für die ersten drei Quartale des vergangenen Jahres wurden bereits 110 Millionen verbucht.

Weil die Zweitwohnungsteuer eine Sache der Gemeinden ist, fällt sie von Ort zu Ort nach Höhe und Erhebungskriterien unterschiedlich aus. Was als Wohnraum gilt, liegt im Ermessen der Kommune. Das führt mitunter zu kuriosen Bestimmungen, wenn etwa ein regelmäßig benutztes Wohnmobil als Zweitwohnsitz eingestuft wird. Auch ein Wasser- oder Stromanschluss muss nicht zwingend vorhanden sein, damit eine Unterkunft als steuerpflichtige Zweitwohnung gewertet wird.

Ähnlich breit ist die Spanne der Steuersätze. Sie liegen im Allgemeinen zwischen 5 und gut 20 Prozent der Nettokaltmiete eines Jahres. Die Stadt Überlingen am Bodensee, die als Erste überhaupt die Steuer einzog, hat den Satz kürzlich auf 23 Prozent erhöht. In Baden-Baden ist der Steuersatz nach der Höhe der Jahresmiete gestaffelt und kann bis zu 35 Prozent ausmachen. In Bayern wiederum gibt es Einkommensgrenzen, bis zu denen die Steuerpflicht entfällt. Demgegenüber ist in den meisten anderen Ländern die Steuer unabhängig von den privaten Vermögensverhältnissen fällig. Das trifft besonders hart gering verdienende Berufspendler und Studenten, die häufig fernab ihres ersten Wohnsitzes eine Universität besuchen. Allerdings können Lohn- oder Einkommensteuerzahler den Aufwand für die Zweitwohnung von der Steuer absetzen.

Wegen der rein kommunalen Zuständigkeit fehlt es an bundeseinheitlichen Bestimmungen. Die unübersichtliche Rechtslage hat zu zahlreichen Prozessen durch diverse Instanzen geführt. "Dadurch ist ein ganzer Zoo von Rechtsprechungen entstanden", beklagt Sibylle Barent von Haus und Grund. Eine höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht gibt es bisher nur in Bezug auf Ehepaare, von denen ein Partner aus beruflichen Gründen eine Zweitwohnung in einer anderen Stadt als dem Hauptwohnsitz unterhält. In einem solchen Fall wäre eine Steuer auf den Zweitwohnsitz eine Diskriminierung der grundgesetzlich geschützten Ehe, urteilten die Karlsruher Richter. Dass immer mehr Menschen unverheiratet zusammenleben, ließen die Verfassungsrichter unbeachtet.

Die Rechtsunsicherheit ist für den Eigentümerverband wie auch für den Bund der Steuerzahler ein wesentlicher Grund, die Abschaffung der Zweitwohnungsteuer zu fordern. Hinzu kommt nach Ansicht beider Organisationen, dass der Ertrag in keinem Verhältnis zu dem hohen Aufwand stehe, den die Gemeinden für die Erhebung der Abgabe treiben müssten. Wobei es schwer fallen dürfte, diesen Aufwand tatsächlich präzise zu beziffern. Triftiger ist da schon das Argument der Steuergegner, dass Leistungen wie das Vorhalten von Schwimmbädern oder Kultureinrichtungen bereits durch die Grundsteuer und andere allgemeine Abgaben abgegolten seien. Kritisch sehen die Steuergegner auch, dass die Zweitwohnungsteuer nicht zweckgebunden ist. "Keiner weiß, wo das Geld hingeht", sagt Sibylle Barent.

Angesichts der steigenden Zahl von Pendlern stellt sich die Frage, ob die Zweitwohnungsteuer in eine Zeit passt, da den Menschen immer höhere Mobilität abverlangt wird. Wer für einen neuen, wohl auch attraktiveren Job einen Ortswechsel in Kauf nehmen würde, wird sich wohl kaum durch die Mehrkosten für die Nebenwohnung abhalten lassen. In jedem Fall empfiehlt es sich, am künftigen Arbeitsort auch die Frage der Zweitwohnungsteuer zu klären. Sonst könnte es einem ergehen wie einigen Abgeordneten des Bundestages, die vor ein paar Jahren mächtig Ärger bekamen, als öffentlich bekannt wurde, dass sie ihre zeitweilige Bleibe nicht ordnungsgemäß versteuert hatten. Und wer war ihnen draufgekommen? Das Finanzamt Berlin.

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