Strom- und Gaspreiserhöhung zum Jahreswechsel:Privatkunden zahlen für die Industrie mit

Die Bundesregierung erlässt den Konzernen, die viel Energie verbrauchen, die Netzgebühren. Dafür müssen normale Stromkunden mehr zahlen. Verbraucherschützer sind empört - Schuld an dieser Konstellation ist der "Mitternachtsparagraph".

Michael Bauchmüller

Eine Sonderregelung für Großkunden wird im kommenden Jahr die Strompreise deutlich ansteigen lassen. Berechnungen der deutschen Netzbetreiber zufolge werden private Haushalte im nächsten Jahr für jede Kilowattstunde Strom rund 0,6 Cent mehr zu zahlen haben. Für einen Vier-Personen-Haushalt summiert sich dies samt Mehrwertsteuer auf rund 26 Euro Mehrkosten im Jahr. Verbraucherschützer reagierten empört.

Strom aus Windkraft

Der Strompreis steigt im kommenden Jahr - zahlen müssen vor allem Privatkunden.

(Foto: Rolf Haid/dpa)

Hintergrund ist eine Neuregelung der sogenannten Netzentgeltverordnung. Sie regelt, wie viel die Verbraucher für die Nutzung des Stromnetzes zu zahlen haben. Diese "Netzentgelte" machen ein gutes Viertel des Strompreises aus. Schon in der Vergangenheit erhielten große Industriekunden hier ermäßigte Sätze. So mussten etwa Aluwerke oder Elektrostahlöfen, die nahezu rund um die Uhr betrieben werden, nur ein Fünftel der üblichen Entgelte zahlen. Im Gegenzug sollten sie aber auch einen Beitrag zur Stabilität des Stromnetzes liefern. Gerade weil sie so viel Elektrizität brauchen, können sie auch Engpässe bei der Versorgung abpuffern, wenn sie einmal kurz ihre Leistung drosseln.

Doch in den letzten Beratungen zum Energiewende-Paket der Bundesregierung wurde dies mehr oder weniger unbemerkt geändert. Seither werden die betroffenen Firmen komplett von den Netzkosten befreit, und eine Gegenleistung erwartet der Gesetzgeber auch nicht mehr. Wie der Passus, für den sich in Anhörungen zuvor vor allem die Stahlindustrie eingesetzt hatte, in das Gesetz hineingekommen ist, bleibt im Dunkeln. In der Industrie gilt der geänderte Passus schlicht als der "Mitternachtsparagraph". An die 600 Unternehmen dürften davon profitieren, sie verbrauchen rund ein Sechstel des deutschen Stroms.

Wie aber jetzt erst klar wird, werden zu diesem Zweck insgesamt 1,1 Milliarden Euro umverteilt. Zu tragen haben die Last im Wesentlichen Privathaushalte und kleine Gewerbetreibende. Für sie fallen im kommenden Jahr je Kilowattstunde 0,63 Cent Mehrkosten an, dies beinhaltet die Umlage für 2012 und rückwirkend auch für 2011. Für Firmen, die mehr als 100 000 Kilowattstunden verbrauchen, gelten dagegen teils erhebliche Nachlässe, insbesondere für energieintensive Betriebe. Mit den nächsten Strompreiserhöhungen dürfte die gestiegene Industrie-Umlage nun vor allem bei den Haushalten ankommen.

Verbraucherschützer kritisierten die Umverteilung am Montag scharf. "Die Regelung ist genau so entworfen, dass fast nur die Endkunden betroffen sind", sagte Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. "Das geht nach dem Motto, der Verbraucher hat die Energiewende gewollt, jetzt soll er auch dafür bezahlen."

Die Vergünstigungen für die Industrie sollen steigende Strompreise abmildern und so hiesige Jobs sichern. So wurden Firmen auch bei der Umlage für erneuerbare Energien im Zuge der jüngsten Novelle von Mehrkosten befreit, auch hier geht es um Milliarden. Sonderregelungen gibt es ferner beim Emissionshandel, bei der Energiesteuer und bei der Umlage zugunsten effizienter Kraftwerke.

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